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„Dann sind wir gelaufen“

Ein Selbstmordattentäter hat bei einem Popkonzert von US-Teenie-Star Ariana Grande in Manchester mindestens 22 Menschen mit in den Tod gerissen, darunter auch Kinder. Das teilte die Polizei am Dienstag mit. Der Mann habe eine selbst gebaute Bombe gezündet.

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Der Polizeichef von Manchester, Ian Hopkins, betonte, es müsse noch herausgefunden werden, ob es sich um einen Einzeltäter gehandelt habe oder ob ein Netzwerk hinter dem Anschlag stehe. Die Priorität sei es nun festzustellen, ob es Mittäter gebe, so Hopkins am Vormittag in einer Stellungnahme.

Die Nervosität in Großbritannien ist groß. Das zeigte sich auch am Dienstag, als das Arndale-Einkaufszentrum in der Stadt evakuiert wurde. Zeugen wollen einen „lauten Knall“ gehört haben. Die Menschen flohen laut Augenzeugen in Panik, die Polizei bestätigte kurz darauf, man habe es mit „einem Vorfall“ zu tun. Kurz nach der Räumung wurde das Einkaufscenter jedoch wieder geöffnet, da es sich offenbar um einen Fehlalarm gehandelt hatte.

Panik nach dem Anschlag

APA/AP/PA/Zach Bruce

Menschen hasten nach der Detonation durch das Foyer der Konzerthalle

Täter wollte „größtmögliches Blutbad“ anrichten

Der Attentäter wollte nach Angaben von Premierministerin Theresa May „das größtmögliche Blutbad“ anrichten. In ihrer Stellungnahme sagte May am Dienstag in London, der Angreifer habe mit „kaltem Kalkül“ auf Kinder gezielt. Die Polizei kenne vermutlich seine Identität. May kündigte für den Nachmittag eine weitere Krisensitzung ihres Kabinetts mit Sicherheitsberatern an. Das Bedrohungsszenario sei derzeit als hoch eingestuft - ein Anschlag sei weiterhin sehr wahrscheinlich, so die Premierministerin. Das ganze Land halte zu den Menschen in Manchester und gedenke der Toten und Verletzten. „Unsere Werte, unser Lebensstil werden immer gewinnen.“

Die britische Premierministerin Theresa May

Reuters/Toby Melville

Premierministerin Theresa May sprach den Opfern und ihren Angehörigen ihre Anteilnahme aus

„Barbarischer Angriff“

Die britische Innenministerin Amber Rudd sprach von einem „barbarischen Angriff“. Er habe „gezielt einige der Schwächsten in unserer Gesellschaft“ getroffen, so Rudd offenbar unter Verweis auf die vielen Jugendlichen, die das Konzert besuchten. Bisher hat sich niemand zu dem Terroranschlag bekannt. Mehrere Augenzeugen sprachen von einer starken Explosion kurz vor Mitternacht (MESZ). Zunächst war berichtet worden, die Explosion habe sich in der Halle selbst ereignet, laut späteren Berichten fand diese aber außerhalb der Halle statt. Auf Bildern und Videos in Sozialen Netzwerken waren Menschen in Panik in der Manchester Arena zu sehen.

„Es war chaotisch“

Die Betreiber sprachen von einer Explosion außerhalb der Halle zum Ende des Konzerts, als die Besucher die Halle verließen. „Es gab eine riesige Explosion - man hat sie in der Brust gespürt“, sagte eine Augenzeugin der Nachrichtenagentur Reuters. „Es war chaotisch. Alle rannten und schrien und versuchten nur herauszukommen.“ Eine weitere Frau sagte, sie habe die Detonation beim Verlassen der Arena gespürt. Zahlreiche Jugendliche brachten sich in Hotels in der Umgebung in Sicherheit. Viele Eltern versuchten via Soziale Netzwerke ihre Kinder, die das Konzert besuchten, zu erreichen und in Erfahrung zu bringen, ob sie wohlauf sind. Die Polizei richtete eine Notrufnummer ein:

Karte zeigt Manchester

Grafik: OSM/APA/ORF.at; Quelle: APA

Die Explosion ereignete sich laut Augenzeugen, kurz nachdem Grande die Bühne verlassen hatte. Grande ist wohlauf. Stunden nach der Explosion zeigte sie sich in einem Tweet erschüttert:

„Ein Mann sagte: ‚Lauft!‘“

Eine Besucherin verließ gerade gemeinsam mit ihrer elfjährigen Tochter das Konzert, als sich die Explosion ereignete: „Als ich mich umdrehte, machte es bumm. Es war ein gewaltiger Lärm“, schilderte sie die Ereignisse dem TV-Sender Sky News. „Ein Mann sagte: ‚Lauft!‘, dann sind wir gelaufen.“ Draußen habe man Brandgeruch wahrgenommen.

Sicherheitskräfte am Einsatzort

AP/Peter Byrne

Der Tatort wurde weiträumig abgesperrt. Nach den nächtlichen Rettungsmaßnahmen sichern nun Forensiker Spuren.

Ein 22-jähriger Konzertbesucher sagte, es sei eine Explosion gewesen, „und praktisch alle von der anderen Seite der Halle, woher die Explosion kam, liefen auf uns zu, um zu flüchten“. Auf Videoaufnahmen vom Inneren der Konzerthalle war zu sehen, wie die Menschen mitten in einem Meer pinkfarbener Luftballons schreiend zu den Ausgängen drängten.

Sicherheitskräfte am Einsatzort

APA/AP/Peter Byrne

Der abgesperrte Tatort in den frühen Morgenstunden. Rund 400 Polizisten waren im Einsatz.

Keine Österreicher betroffen

Österreicher sind nach aktuellem Stand nicht betroffen. Derzeit gebe es „keine Hinweise, dass sich unter den Opfern österreichische Staatsbürger befinden“, hieß es im Außenministerium.

Mitten in anlaufendem Wahlkampf

Der Anschlag kommt zu einem besonders heiklen Zeitpunkt: In Großbritannien ist derzeit Wahlkampf. May hatte vorgezogene Neuwahlen für den 8. Juni ausgerufen. Sie will nach eigenen Angaben damit ein starkes Mandat für die „Brexit“-Verhandlungen mit der EU bekommen. Politisches Gegner werfen ihr allerdings vor, sie wolle nur ihre aktuelle Popularität in Umfragen ausnützen und wählen, bevor die Folgen des EU-Austritts klar werden.

May drückte noch in der Nacht den Opfern und deren Angehörigen ihr Mitgefühl aus. Auch Mays politischer Hauptrivale, der Chef der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, zeigte sich bestürzt. May berief für Dienstag eine Krisensitzung ihres Kabinetts sein. Zugleich wurde der Wahlkampf vorübergehend ausgesetzt.

Bürgermeister: Lassen uns nicht spalten

Bürgermeister Richard Leese sagte Dienstagfrüh, die Bewohner der Stadt Manchester würden Terroristen keinen Raum geben. „Manchester ist eine stolze, starke Stadt, und wir werden Terroristen nicht erlauben, ihr Ziel zu erreichen, Angst zu säen und uns zu spalten.“ Es sei schwierig, sich eine schlimmere Nacht in der Geschichte der Stadt vorzustellen, sagte er dem Sender BBC Radio 4. „Als Stadt, als Gemeinschaft werden wir weiter zusammenhalten und werden nicht erlauben, dass wir besiegt werden.“ Auch die städtischen Profifußballclubs Manchester United und Manchester City reagierten entsetzt auf den Anschlag.

Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) feierten die Explosion in Manchester in Sozialen Netzwerken. Bisher hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt.

In Nähe von IRA-Anschlagsort

Es ist der schwerste Anschlag in Großbritannien seit 2005. Damals zündeten vier Muslime mit britischem Pass in der U-Bahn und einem Bus Sprengsätze. 56 Menschen starben, etwa 700 wurden verletzt. Im Juni 1996 war Manchester zudem Schauplatz eines schweren IRA-Anschlags. IRA-Terroristen zündeten damals eine 1.500 Kilogramm schwere Autobombe im Zentrum der Stadt. Der Tatort auf der Corporation Street befand sich in der Nähe der Manchester Arena, wo sich vergangene Nacht der Attentäter in die Luft sprengte.

Konzertbesucher nach dem Anschlag

Reuters/Jon Super

Viele Konzertbesucher versuchten, Kontakt zu ihrer Familie aufzunehmen und Freunde, die ebenfalls das Konzert besucht hatten, zu finden

Spontane Hilfe für Konzertbesucher

Nach der Explosion hatten zahlreiche Privatpersonen den verstörten Konzertbesuchern geholfen. Anrainer boten Schlafplätze an und Taxifahrer kostenlose Mitfahrgelegenheiten, wie Sky News berichtete. Ein Hotel in der Nähe soll Dutzende Kinder aufgenommen haben.

Noch mehrere Europakonzerte auf Plan

Das Konzert war Teil der „Dangerous Woman“-Tour von Grande - der dritten Tournee des 23-jährigen Popstars, die durch ihre Rolle als Cat Valentine in der High-School-Sitcom „Victorious“ zu einem Teenie-Idol wurde. Grandes aktuelle Tour begann im Februar in Phoenix, Arizona. Nach Manchester waren noch mehrere Konzerte in Europa geplant, darunter in London, Antwerpen, Frankfurt und Paris. Derzeit ist unklar, ob diese wie geplant stattfinden.

Popkonzerte und Nachtclubs waren bereits in der Vergangenheit Ziele von Terrorattacken. Fast 90 Menschen wurden bei einem Konzert der Eagles of Death Metal im November 2015 im Bataclan in Paris getötet. In Istanbul starben 39 Menschen, als ein Schütze in die tanzende Menschenmenge des Reina-Nachtclubs schoss.

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