Keine Einigung im Vorfeld
Am Dienstag wählt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine neue Generaldirektorin oder einen neuen Generaldirektor. Erstmals in der Geschichte der Organisation konnte im Vorfeld noch keine Nachfolge für die in die Kritik geratene, scheidende Leiterin, Margaret Chan, bestimmt werden.
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Zur Wahl stehen nun drei Kandidaten, die sich in den vergangenen Monaten einen ungewöhnlich harten Wahlkampf für den Chefposten lieferten. Die Abstimmung der 194 Mitgliedsstaaten bildet den wahrscheinlichen Höhepunkt der insgesamt zehntägigen Jahrestagung in Genf.
Der britische Arzt und UNO-Berater David Nabarro, die pakistanische Kardiologin Sania Nishtar und der ehemalige Gesundheits- und Außenminister Äthiopiens, Tedros Adhanom Ghebreyesus, wurden aus sechs Bewerbern als aussichtsreichste Kandidaten für den Posten nominiert. Bisher konnte sich der Vorstand immer schon vor der Abstimmung auf einen einzigen Kandidaten einigen, diesmal wird es zum Auftakt der 70. Weltgesundheitstagung zu einer Kampfabstimmung kommen.

APA/AFP/Fabrice Coffrini
Die drei Kandidaten: Tedros Adhanom Ghebreyesus, Sania Nishtar und David Nabarro (v. l. n. r.)
„Schmierenkampagne“ um Favoriten
Als Favorit gilt der 52-jährige Tedros: Bisher stand noch kein Afrikaner an der Spitze der Organisation, die Afrikanische Union (AU), als größter Mitgliedsblock, unterstützt den Ex-Gesundheitsminister. In der Vorwoche kam es jedoch zum Eklat zwischen dem Äthiopier und dem britischen Kandidaten: Ein Unterstützer Nabarros warf Tedros vor, Choleraausbrüche in Äthiopien vertuscht zu haben. Nabarro distanzierte sich davon. Tedros wies den Vorwurf zurück und sprach von einer „Schmierenkampagne“.
Reformer gesucht
Tedros wird der Ausbau von Äthiopiens Gesundheitssystem zugeschrieben. Er rief auch Initiativen ins Leben, die einen Rückgang der Toten durch Malaria bewirkt haben. Tedros ist aber auch der einzige der Kandidaten, der selbst kein Mediziner ist - in einem Interview mit der britischen BBC betonte er im Gegenzug seine Organisationserfahrung und erfolgreich auf den Weg gebrachte Reformen.
Die pakistanische Ärztin Nishtar hat im Gegensatz zu ihren Konkurrenten wenig Erfahrung mit Krankheitsausbrüchen. Sie präsentierte im Vorfeld unter anderem den Vorschlag für ein umfangreiches Reformprogramm, das Transparenz in den Fokus stellt. Der britische Kandidat Nabarro war hingegen für die UNO im Kampf gegen Vogelgrippe und Ebola aktiv. Er gilt als besonders erfahren und vertraut mit der Arbeit der WHO - das könnte aber nicht zu den dringend benötigten Veränderungen in der Organisation führen.

Reuters/Denis Balibouse
Margaret Chan stand zehn Jahre an der Spitze der WHO
Ruf der WHO in Vergangenheit angekratzt
Denn in der zehnjährigen Amtszeit der aus Hongkong stammenden Chan litt das Image der WHO mitunter stark. Vor allem das viel zu späte Eingreifen der Organisation bei der Ebola-Krise in Westafrika im Jahr 2014 wurde scharf kritisiert.
Und auch in der Verwaltung werden Reformen gefordert. In den vergangenen Jahren gab die WHO rund 200 Millionen US-Dollar (über 175 Mio. Euro) jährlich alleine für Reisekosten aus. Das übersteigt jedoch die Ausgaben für den Kampf gegen die größten Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit bei Weitem. Im Vorjahr gab die WHO rund 71 Millionen Dollar für die Bekämpfung von Aids und Hepatitis aus, rund 61 Millionen wurden für Malaria aufgewandt. Dennoch erhalten manche Initiativen höhere Beträge: Ungefähr 450 Millionen Dollar werden pro Jahr für die Bekämpfung von Polio investiert.
Nachdem die Organisation bei der Bekämpfung von Gesundheitskrisen auf Geldgeber angewiesen ist, wird hier künftig härteres Durchgreifen erwartet. Es gebe zwar strikte Regeln, diese würden aber laut dem Finanzchef der WHO nicht immer eingehalten. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die Generaldirektorin auf ihrer Reise nach Westafrika im Vormonat die luxuriöse Präsidentensuite in dem dortigen Hotel belegte.
Organisation „weiterhin relevant“
In ihrer letzten Rede als Generaldirektorin betonte Chan, dass ungeachtet der Kritik der letzten Jahre die WHO unverändert relevant bleibt. Sie sei „persönlich verantwortlich“ für das Scheitern der Organisation während der Ebola-Krise. Ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin wird bei der Abstimmung am Dienstag für einen Zeitraum von fünf Jahren ernannt und tritt das Amt am 1. Juli an.
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