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Vier von zehn sorgen sich um Kollegen

Für jede dritte Arbeitnehmerin und jeden dritten Arbeitnehmer sind die Belastungen im Job bereits viel zu hoch. Die Betroffenen seien als Burn-out-gefährdet einzustufen, besagt eine am Montag präsentierte Untersuchung der AK Oberösterreich, die auf Daten aus deren regelmäßig erhobenem Arbeitsklima-Index beruht. Die Untersuchung legt nahe, dass man das Phänomen Burn-out mit neuen Augen sehen muss.

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Der gängigen Einschätzung über Burn-out-Gefahren widerspricht etwa das Bild vom gestressten Topmanager oder Akademiker. Die Belastung ist im Gegenteil gerade unter Pflichtschulabsolventinnen und -absolventen am höchsten. Mit zu geringer Stressresistenz oder gar Faulheit hat das Thema gar nichts zu tun: Viele Betroffene sehen gar nicht, dass sie „ausbrennen“ - zum Unterschied von jenen, die Tag für Tag mit ihnen zu tun haben.

Betroffene sehen Gefahr oft nicht selbst

Zwar hält sich laut der Untersuchung ein Drittel der Beschäftigten selbst für zumindest leicht Burn-out-gefährdet. Das deckt sich aber nicht komplett mit jenen, die nach ihrem eigenen Gefühl die steigenden Anforderungen im Beruf nicht mehr mit dem Bedürfnis nach einem erfüllten Privat- und Familienleben in Einklang bringen und den eigenen hohen Ansprüchen an die Qualität der Arbeit gerecht werden können - also Burn-out-gefährdet sind.

Betroffene sehen zudem offenbar oft den Wald vor lauter Bäumen nicht, ihre Kolleginnen und Kollegen hingegen schon: Fast vier von zehn Beschäftigten machen sich den Angaben zufolge Sorgen um ihre Kollegen. Fast ein Drittel gab an, im eigenen Betrieb jemanden zu kennen, der bereits wegen eines Burn-outs im Krankenstand war. Für die jeweilige Unternehmensleitung ist Burn-out dagegen nur zu 19 Prozent ein Thema.

Chefs unterschätzt, Kollegen überschätzt

Hoffnung im Hinblick auf die Einsichtsfähigkeit von Chefetagen machen hingegen die Angaben von Betroffenen: 75 Prozent sagen, die Unternehmensleitung sei verständnisvoll mit der Erkrankung umgegangen. Die Nichterkrankten glauben nur zu 69 Prozent, dass sie in dem Fall auf ihre Vorgesetzten zählen könnten. Umgekehrt ist es bei der Kollegenschaft: Vorher zählen 75 Prozent auf Verständnis, bereits Erkrankte glauben aber nur noch zu 60 Prozent daran.

Trotzdem sieht Oberösterreichs AK-Präsident Johann Kalliauer Handlungsbedarf bei den Arbeitgebern. Es brauche Taten: „Um Burn-out zu verhindern, reicht es nicht, die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu erheben. Die Arbeitgeber müssen die Ergebnisse der Evaluierung ernst nehmen und wirksame Maßnahmen gegen krankmachende Arbeitsbedingungen umsetzen“, so Kalliauer bei einer Pressekonferenz am Montag.

Stress ist subjektiv

Näher betrachtet wurde diesmal auch das Thema psychischer Stress. Ein knappes Viertel der Beschäftigten fühlt sich durch Zeitdruck belastet, etwa ein Sechstel durch ständigen Arbeitsdruck. Jeweils rund ein Zehntel aller Beschäftigten empfindet technische oder organisatorische Änderungen sowie wechselnde Arbeitsabläufe als stressig. In vergangenen Erhebungen lagen die Werte deutlich höher. Das ist aber nur bedingt Grund zur Freude.

Einerseits haben sich nach Einschätzung der AK die Grenzen davon, was als Stress angesehen wird, zunehmend nach oben verschoben - siehe Burn-out. Andererseits deutet die Untersuchung auf ein fortschreitendes Auseinanderklaffen verschiedener Arbeitswelten hin: Der Stress am oberen Ende der Jobhierarchien hat zumindest nach dem Gefühl der Betroffenen abgenommen, umgekehrt aber bei Textilarbeiterinnen und -arbeitern, Pflegekräften und am Bau sogar signifkant zugenommen.

Job für WKÖ „selten Ursache“ von Burn-out

Der Arbeitsklima-Index misst und beschreibt seit 20 Jahren vierteljährlich die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen aus Sicht der Arbeitnehmer. Nach einem Rekordtief im Frühjahr 2016 (104 Punkte) hat sich der Index wieder erholt und liegt jetzt bei 108 Punkten. Auch hier gibt es jedoch eine Zweiteilung: Der Anstieg ist vor allem auf Optimismus hinsichtlich der wirtschaftlichen Aspekte der - auch persönlichen - Zukunft zurückzuführen, während die Einschätzung der aktuellen Lage weit weniger rosig ist.

Naturgemäß anders sieht das Thema die Arbeitgeberseite. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) meinte am Montag in einer Aussendung, der Job sei „zwar der Schauplatz des Burn-outs, aber selten die Ursache“. Gerade in Österreich seien die Fürsorgepflichten der Arbeitgeber und die Arbeitszufriedenheit überdurchschnittlich hoch. Arbeitnehmer hingegen müssten „eine adäquate Leistungseinstellung vorweisen und aktive Maßnahmen zur Erhaltung ihrer psychischen und körperlichen Gesundheit setzen“.

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