Simone Giertz baut Roboter, die so konstruiert wurden, dass sie nur scheitern können. Beigebracht hat sie sich alles selbst: „Ich habe mir meinen Weg ergoogelt und mich auf meine Verrücktheit verlassen“, sagt sie im Gespräch mit ORF.at. Aber ihr Erfindergeist kommt nicht von ungefähr.
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Giertz hat berühmte Ahnen. Das Erfinden und Tüfteln wurde ihr sozusagen in die DNA geschrieben: Giertz ist die Nachfahrin des schwedischen Erfinders und Unternehmers Lars Magnus Ericsson, der 1876 die Firma Ericsson gründete. Er arbeitete Ende der 1870er Jahre in seiner Werkstadt an der Weiterentwicklung der Telefontechnologie. Ericsson glaubte damals aber nicht, dass sich das Telefon je durchsetzen würde. Vielmehr würde es ein Gadget für die Oberschicht bleiben.
Menschliche Maschinen
Über ein Jahrhundert später sitzt Simone Giertz in ihrer Werkstatt. Die Technologie hat sich seit damals in einem rasanten Tempo verändert. Telefone sind aus dem Leben der Menschen nicht mehr wegzudenken. Künstliche Intelligenz und lernende Maschinen sind das große Ziel von Google und Co. Aber Giertz scheint das alles wenig zu beeindrucken. Sie dreht den Spieß um.
Von künstlicher Intelligenz, Präzision, Unfehlbarkeit, eigentlich von allem, was ein Roboter verkörpert, sieht sie ab. Ihre Roboter sind ein bisschen wie Menschen: tollpatschig, unberechenbar und vor allem unvorhersehbar.
Roboter für den Allerwertesten
„Anfangs hatte ich viele Ideen und habe Leute gesucht, die meine Ideen umsetzen können“, sagt Giertz im Gespräch mit ORF.at, „aber dann dachte ich mir: ‚Hey Dumpfbacke, bring es dir selbst bei.‘“ Ihr erster Roboter war ein zähneputzender Helm. Aber viel mehr Beachtung brachte ihr die „Wake-up Machine“. Ein Wecker, der statt Alarmtönen gleich Schläge austeilt.
Ihr neuestes Projekt: ein Roboter, der nach dem Stuhlgang den Allerwertesten abwischt. Die Toilettenpapierrolle wird dabei ganz schnell geschleudert, bis alles sauber ist – zumindest in der Theorie.
Bei der Vorführung in einem Onlinevideo des Technologiemagazins „Wired“ lacht Giertz und sagt: „Auch wenn es dämlich aussieht, solche Maschinen zu bauen, ist gar nicht so einfach.“ Damit geht Giertz, die sich alles selbst beigebracht hat, aber nicht hausieren. Sie möchte den Unterhaltungsfaktor in den Vordergrund stellen. Um die Technik kümmert sie sich.
Scheitern als Ziel
Mit ihren Robotern möchte sie vor allem den Prozess des Scheiterns sichtbar machen, wie sie in einem Interview mit „Wired“ erklärt: „Scheitern ist Teil eines Prozesses, und manchmal kann es sogar das Ziel sein“, sagt Giertz: „Ich möchte mit meinen Robotern Menschen Mut machen, sich mit den Dingen zu beschäftigen, die sie lieben und bei denen sie enthusiastisch sind. Zu sehr konzentrieren sich die Menschen darauf, nutzvolle Dinge zu bauen. Der Prozess gerät dabei in den Hintergrund.“
Fadesse als Inspiration
Ihre größte Inspiration bezieht sie aus Momenten der Langeweile. Auch mit dieser Aussage stellt sich Giertz gegen die in ihrer Generation so übliche Hast und Ruhelosigkeit. Am meisten würden sie die Menschen prägen, die von dem, was sie machen, auf eine authentische Art und Weise begeistert sind. Dazu gehört kein Geringerer als Adam Savage, der Schauspieler, Modellbauer und Experte für Spezialeffekte in Filmen.
Seine Modelle waren in Filmen wie „Matrix – Reloaded“ zu sehen. Im Filmbusiness ist Giertz noch nicht angekommen. Dafür konzentriert sie sich in ihrer neuen Heimat San Francisco auf ihre Roboter. Und sie hat längst berühmte Sponsoren wie Google an Land gezogen. Neben Google wird sie auch von Ericsson gesponsert. Außerdem verdient sie Geld über ihren YouTube-Kanal.
„Ich bin mir nicht sicher, ob es einen Moment gab, an dem ich mich entschieden habe, die nächsten Jahre diese Roboter zu bauen“, sagt Giertz, „es ist einfach so passiert und natürlich motiviert es mich unheimlich, wenn mich immer mehr Menschen im Netz dazu anspornen.“
„Pussy Grabs Back Machine“
Ihr politischstes Projekt hat sie vor Kurzem auf YouTube veröffentlicht: die „Pussy Grabs Back Machine“. Sie besteht aus einem Gürtel, der an der Hüfte angelegt wird, und einer Plastikhand, befestigt an einem Roboterarm, der sich auf Hüfthöhe wie ein Ellbogen beugt und alles erfasst, was vor einem steht.
„Donald Trump ist eine destruktive Person“, sagt sie in einem ihrer YouTube-Videos. Als sie den Twitter-Hashtag „Pussy Grabs Back“ gesehen hat, der sich als Onlineprotestbewegung gegen die Aussagen des amerikanischen Präsidenten Donald Trump formierte, kam ihr die Idee, die Maschine zu bauen.
Selbst ernannte „Inventertainerin“
Es ist schwer, Giertz in eine Schublade zu stecken und ihrer Arbeit eine Berufsbezeichnung zu geben. Wenn man sie fragt, ob ihre Roboter eigentlich eher Kunst sind, dann muss sie jedoch widersprechen: „Ich fühle mich nicht cool genug, um eine Künstlerin zu sein, und Technikerin klingt viel zu trocken. Ich fühle mich als Erfinderin und Unterhalterin“, sagt Giertz gegenüber ORF.at und erfindet dafür gleich die Bezeichnung „Inventertainerin“.
Nicht nur ihre Maschinen, auch Interviews scheint die gelernte Sportjournalistin nicht allzu ernst zu nehmen. Fragt man sie nach ihren Plänen für die Zukunft, antwortet sie in Giertz-Manier: „Ich möchte ein bisschen wachsen und gerne in den Weltraum fliegen. Ich bin mir nicht sicher, welches der beiden Ziele schwieriger zu erreichen ist.“