Themenüberblick

Altes Frankreich, neues Make-up

Alles neu in Frankreich unter Emmanuel Macron? Mit einer Reihe an Dekreten und Maßnahmen hat der neue französische Präsident zumindest kosmetisch an der französischen Politik einiges geändert: knapp weniger Ministerien als unter seinem Vorgänger, weniger Mitarbeiter im ministeriellen Stab. Minister, die sich teils der Wahl stellen - und die aus der Regierung ausscheiden müssen, wenn sie den Wahlkreis verlieren. So will es der neue Premier von Macrons Gnaden, Edouard Philippe.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Schließlich auch: eine Verringerung der Zahl der Journalisten, die man in die verschiedenen Pressefoyers lässt - was zu einem umgehenden Protestbrief namhafter Medien von „Le Monde“ bis zum Infosender BFM TV führte. Grosso modo kann man aber auch sagen: doch ziemlich „Business as usual“, denn neben den Personalaufstellungen sind die Inhalte bisher auf der Strecke geblieben.

Dass es so viel ums Personal ging in den ersten zwei Wochen nach der Stichwahl, hat viel mit der Neuaufstellung der politischen Lager nach der historischen Präsidentschaftswahl zu tun. Die konservativen Republicains waren damit beschäftigt, die Partei bis zur Parlamentswahl zwischen dem progressiven und dem konservatien Lager zusammenzuhalten. Parole: Wer zu Macron geht, ist aus der Partei draußen. Selbiges bei der Sozialistischen Partei (PS): Nur sucht Macron in diesem Lager nicht so sehr - und seinen Pressefrontmann Christophe Castaner hat Macron schon vor einiger Zeit aus dem PS-Lager auf seine Seite gezogen.

Grafik zur Umfrage zur Stärke der französischen Parteien

Grafik: ORF.at; Quelle: Sondage Opinionway

Sorgen bei Front National

Da wäre schließlich der rechtsextreme Front National (FN) mit Personalsorgen. Die bei der Präsidentschaftswahl gescheiterte Spitzenkandidatin und Parteichefin Marine Le Pen musste am Donnerstag in einem Interview mit TF1 einräumen, im Finale der Präsidentschaftswahl Fehler gemacht zu haben. Vor allem muss sie sich um ihr Personal sorgen. So ist Marion Marechal-Le Pen (vorerst) aus der Politik ausgeschieden. Sie wäre für das gestanden, wofür sich Marine Le Pen einsetzen wollte: einen Kurs Richtung Mitte - als große Oppositionskraft, als die sie sich in der Wahlnacht präsentierte. Gegen diese Linie sprach sich umgehend Parteigründer Jean-Marie Le Pen aus.

Vor allem machte FN-Mastermind Florian Philippot deutlich: Weicht Le Pen die Doktrin des FN auf, dann werde er, Philippot, gehen. Der Absolvent der vom FN so kritisierten Elitehochschule ENA ist am Ende das Hirn der Partei. Le Pen tritt jetzt in ihrem Heimatwahlkreis im Norden an - und verschiebt alle Reformpläne auf die Zeit nach der Wahl. Ohnedies wird die Partei durch das Mehrheitswahlrecht trotz prognostizierter 20 Prozent wahrscheinlich nicht mehr als zehn bis 15 Mandate holen. „Damit ist man keine Oppositionskraft gegen die Regierung“, ätzte man in einem Politkommentar in BFM.

Macron lässt einige Wahlkreise aus

Macrons La Republique en Marche (LREM) reichte am Freitag, dem Nennschluss für die Parlamentswahl, 525 von 577 Wahlkreisantritten ein. Dass man nicht alle Wahlkreise, in denen man ein Mandat holen möchte, mit Personal bestückt, hat auch einen pragmatischen Grund. In aussichtslosen Wahlkreisen lässt man der Konkurrenz den Vortritt, um nicht unnötig Energie zu verbrennen - und vor allem Mittel, die ja bisher aus Spenden gekommen sind.

Macron braucht eine absolute Mehrheit, will er seiner Regierung die notwendige Reformkraft geben. Die Umfragen (aktuell Opinionway) sehen seine Partei bei 27 Prozent, klar vor den Republicains und dem FN. Eine absolute Mehrheit könnte es werden, wenn man sich in genügend Wahlkreisen für die Stichwahl am 18. Juni qualifiziert. Ob da die vielen Kandidaten aus der Zivilgesellschaft ein Vorteil sind, wird sich weisen. In Frankreich ziehen die Politprominente in die Provinz, um sich einen Sitz in der Nationalversammlung zu holen.

Die Abenteuer des Monsieur Hulot

Wie sehr Quereinsteiger zwar das Tableau auffrischen, aber auch ein Bumerang sein könnten, zeigt sich beim neuen Umweltminister Nicolas Hulot. Der prominente Umweltfilmer, der sicher die höchsten Bekanntheitswerte der Regierung für sich beanspruchen kann, ist schon mit seinen ersten Ankündigungen ein Dorn im Auge von Energieriesen wie EDF.

Frankreichs Umweltminister Nicolas Hulot

APA/AFP/Philippe Lopez

Die Idee prominenter Quereinsteiger ist nicht neu: Hier der neue Umweltminister Nicolas Hulot

Neu ist die Idee des prominenten Quereinsteigers nicht, man denke an Nicolas Sarkozy, der den prominenten Bernard Kouchner damals ins Kabinett holte. Kouchner war bei seiner Ernennung als Außenminister Mitglied der PS - und wurde prompt von den Sozialisten ausgeschlossen.

Neue Regierung, alte Politoptik

Auch sonst klingt vieles im neuen Kabinett nach früher. Es sind zwar 50 Prozent Frauen, Schlüsselressorts bekleiden aber bestenfalls zwei von ihnen mit Verteidigung (Sylvie Goulard) und Gesundheit (Agnes Buyzyn). Buyzyn, selbst Medizinerin und hohe Funktionärin aus dem Gesundheitswesen, trachtet, so ihre ersten Stellungnahmen, danach, Gesundheitspolitik so transparent wie möglich zu machen - ein Spagat, ist ihr Ehemann Yves Levy doch zugleich der Vorsitzende der nationalen Gesundheitsbehörde INSERM.

Grafik zu französischen Ministern

Grafik: ORF.at; Quelle: APA

Kommentatoren geben der momentanen Regierung von Premier Philippe nur eine relative Überlebenschance. Zwar wurden die Minister geschickt vor allem aus dem konservativen und zentristischen Lager geholt (wobei Francois Bayrou, der ewige Kandidat bei Präsidentschaftswahlen, als Justizminister auch nicht wie ein Signal der Frische wirkt), doch könnten viele von ihnen eine kurze Halbwertszeit haben.

Wie lange hält die Regierung?

Bei relativer Mehrheit nach der Wahl wird es die entscheidenden Rochaden brauchen. Möglicherweise war die Liebe zwischen Premier Philippe und Präsident Macron doch eine eher funktionale. In der Vergangenheit war Philippe nicht durch schmeichelhafte Sager über den Präsidenten aufgefallen: Macron habe einen „hübschen Kopf, aber da ist nichts darin“, so der Hobbyboxer.

Ohnedies hat der Präsident bei allem, was nun neu sein soll, entscheidendes Pouvoir behalten. Vor allem die Außen- und Verteidigungspolitik wird er maßgeblich bestimmen müssen. Die Europaagenda liegt bei Macron selbst, und da wird er bald gegenüber Deutschland aufzeigen müssen, um die Stimmungslage im Land, die französische Finanz- und Wirtschaftspolitik werde hauptsächlich in Frankfurt am Main und Berlin gemacht, zu kontern.

Links: