„Geht mir nicht um den Sessel“
Genau am Mittwoch vor einem Jahr, am 17. Mai 2016, ist Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) angelobt worden - jetzt ist die Koalition mit der ÖVP Geschichte, im Herbst wird gewählt. Zuvor wünscht sich Kern aber eine geordnete „Scheidung“.
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Gefragt, ob der Koalitionspakt nun noch gelte oder nicht, sagte Kern Mittwochabend in der ZIB2, die Volkspartei habe diesen vor laufenden Kameras gebrochen. Das Regierungsabkommen sei damit seit Freitag aufgekündigt, auch wenn ihm das nicht recht gewesen sei.
Pläne für Minderheitsregierung ein „Gschichtl“
In den nächsten Monaten sei es nun trotzdem durchaus noch möglich, „Projekte auf die Reihe zu bekommen“, mit welchen Mehrheiten auch immer. Mit der ÖVP hatte sich die SPÖ heute darauf verständigt, vier laufende Gesetzesvorhaben abzuschließen, darunter etwa die „Aktion 20.000“ für ältere Langzeitarbeitslose.
Nicht „auf ÖVP angewiesen“
Bundeskanzler Kern möchte einen Stillstand während des Wahlkamps vermeiden und betont, dass er die Aufkündigung des Koalitionspakts für keine gute Idee hält. Eine Staatskrise sieht er nicht.
Eine Minderheitsregierung, wie das nach dem Aus für die Große Koalition kolportiert worden war, habe er nicht überlegt, sagte Kern auf eine entsprechende Frage. Das sei ein „Gschichtl“. Eine solche hätte auch gar keine dauerhafte Chance gehabt, sagte Kern.
Auf Umfragewerte - laut denen der designierte ÖVP-Bundesparteichef und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) deutlich bessere Werte aufzuweisen hat als er - gibt Kern nicht allzu viel. Man solle Meinungsumfragen „nicht überstrapazieren“.
Kein Blick in die Karten beim Thema Koalition
Betreffend mögliche Koalitionsvarianten nach der Wahl am 15. Oktober gab sich Kern bedeckt, insbesondere auch, was ein Regierungsübereinkommen mit der FPÖ betrifft. Wäre ein solches denkbar? In der SPÖ arbeite man derzeit an einem Kriterienkatalog, „damit da Klarheit herrscht“.
Der Wahlkampf werde noch viel bewegen, die Koalitionsfrage erst später gestellt werden. Wenn er bei der vorgezogenen Wahl nicht Erster werde, gehe er davon aus, „dass jemand anderer im Kanzleramt sitzt“. Ihm gehe es „nicht um den Sessel“.
Derzeit gehe es vor allem um einen geordneten Übergang, darum, die Wahl „stabil und in Ruhe“ vorzubereiten. Es dürfe nicht sein, dass es zu „sechs, sieben Monaten“ Stillstand komme. Seine Aufgabe als Noch-Bundeskanzler sei „zu sehen, dass etwas weitergeht“. Nach der „Scheidung“ von der ÖVP müsse die SPÖ sehen, „wie wickelt man das ab“.
Drastische Worte von Mitterlehner
Der zurückgetretene Vizekanzler und ÖVP-Bundesparteichef Reinhold Mitterlehner übergab am Mittwoch seine Amtsgeschäfte offiziell an seinen Nachfolger Harald Mahrer als Wirtschaftsminister. Bei der kurzen Zeremonie im Marmorsaal des Wirtschaftsministeriums appellierte er an alle politischen Kräfte, „abzurüsten“ und zur „Gesprächsfähigkeit“ zurückzukommen. Er fand dabei drastische Worte.
„Nahe an der Staatskrise“
Mitterlehner sagte, die aktuelle innenpolitische Situation habe eine Entwicklung genommen, „die mir Sorgen macht“. Derzeit habe der „Machtpoker in der Republik in einem enormen Ausmaß die Oberhand“ gewonnen. Es sei eine Situation „nahe an einer Staatskrise“, da die Kooperationsbereitschaft „offensichtlich nicht mehr so ist, wie sie sein sollte“.
Sein Appell zur Abrüstung und Mäßigung gelte nicht nur für die Regierungsfraktionen, sondern auch für die Opposition, merkte Mitterlehner an. Es dürfe nicht zu einer Situation des Stillstandes kommen, die womöglich auch nach der Neuwahl andauern könnte.
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