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Wechselnde Allianzen

Seit dem 24. Mail 1983 wird Österreich von Koalitionen regiert. 13 Jahre lang hatte zuvor die SPÖ-Alleinregierung gedauert, bei der Wahl am 24. April verlor die SPÖ die absolute Mehrheit. Dominiert hat in diesen Jahren die Große Koalition von SPÖ und ÖVP. Die Koalitionen mit der FPÖ - einmal der SPÖ, zweimal der ÖVP - waren eher instabil. Zwei wurden vorzeitig aufgelöst, gehalten hat lediglich das Kabinett Schüssel II.

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Nicht wirklich stabil war zuletzt aber auch die Große Koalition, die mit dem Ende von Schwarz-Blau nach der Wahl 2006 wiederbelebt wurde. Schon 2008 rief die ÖVP, wie zuvor schon 1995, wieder die Neuwahl aus. Bis 2013 wurde eine Periode - die erste fünfjährige - voll durchgedient. Und die jetzige wird auf Wunsch der ÖVP wieder vorzeitig nach vier von fünf Jahren beendet.

Rot-Blau endete mit Haider-Kür

Von 1983 bis 1986 arbeitete die SPÖ erst unter Kanzler Fred Sinowatz, dann unter Bundeskanzler Franz Vranitzky mit der FPÖ unter Vizekanzler Norbert Steger zusammen. Als am 13. September 1986 Jörg Haider beim Innsbrucker Parteitag die FPÖ übernahm, kündigte Vranitzky die Koalition auf. Am 23. November 1986 wurde neu gewählt. SPÖ und ÖVP verloren deutlich, aber nicht nur zugunsten der erst jungen „Haider-FPÖ“, sondern der erstmals ins Parlament eingezogenen Grünen.

Vizekanzler Norbert Steger, Bundeskanzler Fred Sinowatz und Finazmininster Franz Vranitzky 1985

APA/Hans Peter Klemenz

Steger mit Sinowatz und Finanzminister Franz Vranitzky

Am 21. Jänner 1987 wurde die erste SPÖ-ÖVP-Koalition „nach Kreisky“ - in der ersten Hälfte der Zweiten Republik war diese Regierungsform, aber mit ÖVP-Kanzlern, die Regel - angelobt, das Kabinett Vranitzky II unter Bundeskanzler Vranitzky (SPÖ) und Vizekanzler Alois Mock (ÖVP). Während die SPÖ zehn Jahre lang von Vranitzky geführt wurde, wechselte die ÖVP schon damals regelmäßig den Parteichef und damit den Vizekanzler. Am 24. April 1989 löste Josef Riegler (ÖVP) Mock als Vizekanzler ab.

Bundeskanzler Franz Vranitzky und Vizekanzler Josef Riegler 1990

APA/Jäger

Vranitzky mit Riegler

Erstarken der Oppositionsparteien in den 90ern

Zum regulären Termin, am 7. Oktober 1990, folgte die nächst Wahl, die der FPÖ deutliche Zugewinne brachte, zulasten der ÖVP. Die Große Koalition ging am 17. Dezember 1990 in die nächste Runde, zunächst unter Bundeskanzler Vranitzky und Vizekanzler Riegler und ab 2. Juli 1991 mit Erhard Busek (ÖVP) als Vizekanzler.

Auch diesmal wurde die Gesetzgebungsperiode „durchgedient“. Bei der Wahl am 9. Oktober 1994 verloren SPÖ und ÖVP neuerlich, die FPÖ und die Grünen legten wieder zu - und das Liberale Forum, das sich im Februar 1993 von der FPÖ abgespalten hatte, zog in den Nationalrat ein. Es blieb bei der Großen Koalition, am 29. November 1994 wurde das Kabinett Vranitzky IV unter Kanzler Vranitzky und Vizekanzler Busek angelobt.

Rasche Neuwahl nach Budgetstreit

Dann allerdings folgte an der ÖVP-Spitze der Personalwechsel, der die Absage an die FPÖ unter Haider und damit letztlich die Große Koalition beendete: Wolfgang Schüssel wurde Parteichef und löste Busek am 4. Mai 1995 auch als Vizekanzler ab. Schon wenige Monate darauf, im Dezember, versuchte Schüssel den ersten Ausbruch aus der Großen Koalition. Am 12. Oktober 1995 erklärte er die Budgetverhandlungen für gescheitert.

Am 17. Dezember 1995 wurde neu gewählt. Die FPÖ verlor erstmals seit Haiders Führung geringfügig und die SPÖ deutlich, die ÖVP blieb gleich - womit die ÖVP-FPÖ-Mehrheit eine recht knappe gewesen wäre. Schüssel begab sich also noch einmal als „Kleiner“ in die Große Koalition. Sie wurde am 12. März 1996 unter Kanzler Vranitzky angelobt. Diesmal kam es zum Führungswechsel in der SPÖ: Vranitzky zog sich zurück, am 28. Jänner 1997 wurde das Kabinett Klima I unter Kanzler Viktor Klima angelobt.

Bundeskanzler Franz Vranitzky und Vizekanzler Wolfgang Schüssel

APA/Barbara Gindl

Vranitzky mit Schüssel

Schwarz-Blau ab 2000

Trotz teils schwerer Irritationen hielt die Regierung bis zum regulären Ende. Aus der Wahl am 3. Oktober 1999 ging die SPÖ deutlich geschwächt hervor, die ÖVP verlor nur geringfügig, musste sich aber hinter der FPÖ mit Platz drei zufriedengeben. Dass Schüssel für diesen Fall angekündigt hatte, in die Opposition zu gehen, hinderte ihn nicht daran, schließlich doch endlich eine Koalition mit den Freiheitlichen zu bilden - und sich den Kanzlersessel zu holen. Mit Angelobung der Regierung von Kanzler Schüssel und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (FPÖ) am 4. Februar 2000 war die Ära der Großen Koalition zu Ende.

Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel

APA/Robert Jaeger

Riess-Passer mit Schüssel

Erste „Wende“ am Ende

Das „Wende“-Experiment hielt allerdings nicht lang: Riess-Passer und ein Teil der Regierungsmannschaft zogen die Konsequenz aus dem Machtkampf mit Haider, der zwar seit Mai 2000 „einfaches Parteimitglied“ war, aber bundespolitisch noch immer hoch aktiv. Die ÖVP wollte in dieser Konstellation nicht mehr weitermachen.

Aus der Wahl am 24. November 2002 ging die ÖVP mit 42,3 Prozent deutlich gestärkt hervor, die FPÖ sackte auf zehn Prozent ab. Obwohl das Kabinett Schüssel I vorzeitig beendet worden war, gingen die Schwarzen erneut mit den Blauen zusammen. Die FPÖ hat es in dieser Konstellation allerdings endgültig zerrissen: Eine Gruppe rund um die blaue Regierungsmannschaft gründete nach heftiger interner Kritik am 4. April 2005 das BZÖ und setzte die Koalition für den Rest der Legislaturperiode in Orange fort.

Erste Große Koalition hielt nicht lange

Nach der Nationalratswahl am 1. Oktober 2006 hatte die SPÖ knapp die Nase vor der ÖVP. Nachdem sich Spekulationen um eine „Regenbogenkoalition“ oder eine Minderheitsregierung der Roten in Luft aufgelöst hatten, standen die Zeichen bald auf Neuauflage der Großen Koalition. Freude damit hatten weder SPÖ noch ÖVP. Am 11. Jänner 2007 lobte Bundespräsident Heinz Fischer nach zähen Verhandlungen das Kabinett Alfred Gusenbauer an. Mit den Worten „Es reicht“ trug ÖVP-Chef Wilhelm Molterer diese Koalition nach nur eineinhalb Jahren zu Grabe.

Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Wilhelm Molterer (ÖVP)

APA/Hans Klaus Techt

Molterer mit Gusenbauer

Fünf Jahre mit Pröll und Spindelegger

Das aber nur vorübergehend: Denn anders als von ihm erhofft, wurde die ÖVP bei der Nationalratswahl am 28. September 2008 nicht Erste. Die SPÖ blieb mit 29,3 Prozent vorne, die ÖVP (26,0 Prozent) wechselte den Obmann - und Josef Pröll raufte sich mit Werner Faymann (SPÖ) zusammen. Auch in dieser Periode jagte ein Neuwahlgerücht das andere und wurde mehrfach der Neustart ausgerufen. Aber die Koalition hielt - obwohl sich Pröll im April 2011 verabschiedete und Michael Spindelegger die ÖVP übernahm. Trotz aller Turbulenzen, Koalitionskrisen und Streitereien wurde die - erste auf fünf Jahre verlängerte - Gesetzgebungsperiode voll durchgearbeitet.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP)

APA/Hans Klaus Techt

Faymann mit Spindelegger

Koalition kostete Parteichefs das Amt

Völlig regulär wurde am 29. September 2013 gewählt. Allen Unkenrufen zum Trotz verteidigten SPÖ und ÖVP ihre Mehrheit - aber denkbar knapp mit zusammen 50,8 Prozent, jedoch 99 und somit ausreichend Mandaten. Die FPÖ (20,5 Prozent) rückte SPÖ (26,8) und ÖVP (24,0) zwar nahe wie nie zuvor - aber Schwarz-Blau oder die Dreiervariante mit Team Stronach gingen sich nicht aus, Rot-Grün-Pink ebenso wenig. Also verkündeten Faymann und Spindelegger wieder den „Neustart“. Kritik, Streitereien und Neuwahlspekulationen verstummten jedoch nicht.

In beiden Parteien wurde intern der Unmut so groß, dass im August 2014 Spindelegger für Reinhold Mitterlehner und im Mai 2016 Faymann für Christian Kern Platz machen musste. Mit einem weiteren „Neustart“ blieb die Koalition im Amt - bis jetzt Mitterlehner das Handtuch warf. Sein Nachfolger Sebastian Kurz kündigte die Zusammenarbeit auf und setzte die Neuwahl am 15. Oktober durch.

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