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„Parlamentsstürmer von Gefühlen geleitet“

Der mazedonische Präsident Djorge Ivanov sorgt wieder für Aufsehen. Nach dem Sturm nationalkonservativer Demonstranten auf das Parlament am 27. April hat Ivanov an das Parlament appelliert, die Gewalttäter zu amnestieren. Es würde sich um Menschen handeln, die sich von ihren Gefühlen leiten ließen, sagte Ivanov gegenüber dem TV-Sender Kanal 5 in Skopje.

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Am Donnerstag hätte in Skopje ein erster Prozess gegen neun Anhänger der VMRO-DPMNE, die am Sturm auf das Parlament beteiligt waren, beginnen sollen. Der Prozessbeginn wurde aus technischen Gründen auf Dienstag verschoben. Den Angeklagten wird die Mitgliedschaft in einer gewalttätigen Gruppe angelastet. Insgesamt wurden Ermittlungen gegen 30 mutmaßliche Gewalttäter aufgenommen, von denen sich zwei wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes in Untersuchungshaft befinden.

Beim Sturm auf das Parlament, zu dem es nach der Wahl Talat Xhaferis zum neuen Parlamentspräsidenten gekommen war, wurden rund 100 Personen, darunter acht Abgeordnete, verletzt. Xhaferi war durch die Stimmen der neuen Parlamentsmehrheit um die Sozialdemokraten (SDSM) von Zoran Zaev gewählt worden.

Weg für neue Regierung frei

Ivanov, ein Vertrauter der bisher regierenden, nationalkonservativen Partei VMRO-DPMNE von Ex-Premier Nikola Gruevski, hatte sich seit Anfang Februar geweigert, Zaev das Regierungsmandat zu erteilen. Dabei hatte sich dieser an der Spitze einer Koalition mit drei Parteien der albanischen Volksgruppe eine klare Parlamentsmehrheit von 67 von 120 Mandaten gesichert. Ivanov wandte sich offiziell gegen das akkordierte Regierungsprogramm. Dieses würde die Einheit Mazedoniens gefährden, meinte Ivanov mit Blick auf Pläne, den Gebrauch der albanischen Sprache in den staatlichen Institutionen zu erweitern.

Knapp bevor die gesetzliche Frist für den Regierungsauftrag abgelaufen wäre, lenkte Ivanov am Mittwoch schlussendlich ein. Der Durchbruch war nach massivem Druck der EU und vor allem aus den USA möglich geworden. Laut Medienberichten versicherten Zaev und seine Koalitionspartner Ivanov schriftlich, dass ihr Regierungsprogramm weder die mazedonischen Verfassung noch die Gesetze verletzen würden. Zaev hat nun 20 Tage Zeit, um dem Parlament seine Regierung vorzustellen.

VMRO-DPMNE will Wahl Xhaferis prüfen

Parlamentspräsident Xhaferi hatte vor wenigen Tagen angekündigt, dass die Regierung auch an Ivanov vorbei gebildet werden könnte, sollte er die Frist nicht einhalten. Unterdessen haben sich Anhänger der VMRO-DPMNE an das Verfassungsgericht mit dem Antrag gewandt, die Wahl Xhaferis zum Parlamentspräsidenten zu prüfen. Nach Meinung der Organisation „Für ein gemeinsames Mazedonien“ war seine Wahl nicht im Einklang mit der Verfassung. Die nicht staatliche Organisation hatte wochenlang Proteste in Skopje und anderen mazedonischen Städten gegen die neue Parlamentsmehrheit um den Sozialdemokraten Zaev organisiert.

Zaev beginnt Regierungsgespräche

Nach wochenlanger politischer Blockade schreitet die Regierungsbildung in Mazedonien nun jedoch voran. Der designierte Regierungschef Zaev begann am Freitag mit ersten Gesprächen. Zunächst war am Freitag ein Treffen mit dem Chef der albanischen Demokratischen Integrationsunion (DUI), Ali Ahmeti, geplant, wie mazedonische Medien berichteten.

Die Partei DUI war lange Zeit als Juniorpartner Teil der Regierung des langjährigen Regierungschefs Gruevski. Laut Medienberichten will Zaev am Wochenende auch bereits Gespräche mit den anderen möglichen Regierungspartnern führen: der Bewegung Besa und der Allianz für die Albaner. Nach dem Willen Zaevs soll das neue Kabinett - die erste Regierung ohne Beteiligung der VMRO-DPME seit 2006 - bereits bis Monatsende stehen.

Zaev will Kampf gegen Korruption aufnehmen

Chance auf einen Ministerposten sollen laut Medienberichten nur jene Parteienvertreter haben, gegen die keine Ermittlungen der Sonderstaatsanwaltschaft laufen. Damit wolle Zaev die Voraussetzungen für einen entschlossenen Kampf gegen Korruption und Kriminalität sowie eine Justizreform schaffen, hieß es. Zudem sollen auch Experten in die Regierung aufgenommen werden.

Die Sonderstaatsanwaltschaft war im September 2015 eingesetzt worden, um einige der größten Politskandale wie etwa das gesetzwidrige Abhören von rund 20.000 Personen durch die damals regierende VMRO-DPMNE zu untersuchen. Die Partei Gruevskis versuchte mit allen Mitteln bis zuletzt, das Mandat der Sonderstaatsanwaltschaft nicht zu verlängern, um ihre Funktionäre vor der Strafverfolgung zu schützen.

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