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Sorgfältig orchestrierte Aktion

Den Entlassungsbrief für FBI-Chef James Comey hat US-Präsident Donald Trump persönlich überbringen lassen. Sein früherer Leibwächter, der nunmehrige Oval-Office-Stabschef Keith Schiller, deponierte das Schreiben am Dienstag im FBI-Hauptquartier. Comey war währenddessen gerade mit dem Wissen der US-Regierung auf dem Weg nach Los Angeles zu einem Treffen mit Mitarbeitern des dortigen FBI-Büros.

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Wenig später flimmerte die Nachricht über Comeys Entlassung schon über Smartphones und TV-Schirme, auch im FBI-Büro in Los Angeles, als Comey gerade eine Ansprache hielt. Unter Berufung auf Insider berichtete die Nachrichtenagentur AP, Comey habe in dem Moment nur kurz innegehalten, still gelacht und ohne weiteren Kommentar seine Ansprache beendet. Danach habe er sich rasch mit engsten Mitarbeitern in ein Büro zurückgezogen und es bis zu einer eiligen Abreise nach Washington nicht mehr verlassen.

Auftrag zum Sammeln von Belastungsmaterial

So überraschend die Abberufung zumindest für die Öffentlichkeit war, so sorgfältig geplant war sie offenbar im Hintergrund. Schon vor geraumer Zeit soll Trump dem Justizministerium den Auftrag gegeben haben, gegen Comey „einen Fall aufzubauen“. Möglicherweise war schon Trumps Bestellung von Rod Rosenstein zum Vizejustizminister Vorarbeit dafür: Der Justizveteran genießt auch bei den Demokraten hohes Ansehen, seine Abneigung gegen Comeys Amtsführung war allerdings bekannt.

Trumps Schreiben an Comey

APA/AFP/Mandel Ngan

Der Entlassungsbrief für Comey

Trump berief sich bei der Entlassung auf Rosensteins Urteil, dass Comeys Rolle bei den Ermittlungen gegen Trumps vormalige Konkurrentin Hillary Clinton ein „Bilderbuchbeispiel“ für Versagen im Amt sei. Auch in Trumps eigener republikanischer Partei wird indes gemutmaßt, Comey sei wegen seiner Ermittlungen zu russischen Beeinflussung der Präsidentschaftswahl abgesägt worden. Auch darauf zeigte sich Trumps Team vorbereitet.

Trump: "Comey hat keinen guten Job gemacht"

In seiner ersten persönlichen Stellungnahme außerhalb des Kurznachrichtendienstes Twitter begründete Trump die Entlassung. Gefragt, warum er Comey am Vortag fristlos entlassen habe, sagte Trump am Mittwoch: "Weil er keinen guten Job gemacht hat. Ganz einfach. Er hat keinen guten Job gemacht." Trump äußerte sich im Oval Office des Weißen Hauses während eines überraschenden Treffens mit Henry Alfred Kissinger, dem langjährigen Außenminister der USA.

Entlassung schon seit der Wahl erwogen

Nach Angaben seiner Sprecherin hatte Trump bereits seit Monaten kein Vertrauen mehr in Comey. Er habe außerdem schon seit dem ersten Tag nach seiner Wahl erwogen, Comey zu feuern, sagte Sarah Sanders am Mittwoch im Weißen Haus. Das ist eine weitere Wendung in der Interpretation der Umstände von Comeys Entlassung am Dienstag. Noch am 22. Jänner, also zwei Tage nach seinem Amtsantritt, hatte Trump Comey auf das Wärmste begrüßt und ihm sogar einen Kuss zugehaucht. Vor einer Woche noch hatte Sprecher Sean Spicer gesagt, Trump habe volles Vertrauen in Comey.

Pence: Kein Zusammenhang mit Russland-Ermittlung

Zuvor hatte Vizepräsident Mike Pence den Vorwurf zurückgewiesen, Comey sei aufgrund der Russland-Ermittlungen gefeuert worden. Comeys Entlassung habe nichts mit den Ermittlungen zu tun, sagte Pence am Mittwoch vor Reportern im US-Kongress in Washington. Er verteidigte die Entscheidung: „Präsident Trump hat die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit getroffen.“ Trump habe „entschiedene Führungsstärke“ gezeigt. Es gehe darum, das Vertrauen in das FBI wiederherzustellen. „Es war Zeit für einen Neuanfang.“

Trumps Beraterin Kellyanne Conway wird interviewt

AP/Carolyn Kaster

Conway am Dienstagabend vor dem Weißen Haus

Conway sieht Beleg für Trumps Führungsqualität

Zuvor wurde Trumps Beraterin Kellyanne Conway ausgeschickt, um Comeys Entlassung fast gleichlautend zu rechtfertigen. Im Nachrichtensender CNN sagte Conway, diese sei „kein Vertuschungsversuch“ und „hat nichts mit Russland zu tun“. Vielmehr sei es für das FBI Zeit für eine „frische Führung“ gewesen, und Trump habe damit nur seine Führungsqualitäten bewiesen: „Das ist, was Anführer eben tun: Sie ergreifen Handlungen.“

Trumps Team wich unangenehmen Fragen so gut aus wie nur möglich. Die „Washington Post“ berichtete von chaotischen Szenen vor dem Weißen Haus. Statt eines organisierten Pressestatements stand Trumps Sprecher Sean Spicer auf dem grünen Rasen und verkündete die Nachricht von Comeys Entlassung durch lautes Schreien. Zur zehnminütigen Beantwortung von Fragen entschied er sich angeblich erst, nachdem alle Kameralichter abgedreht waren - und auch das nur, nachdem er sich eine Zeit lang hinter Büschen versteckt hatte.

FBI überrumpelt

Im FBI wusste offenbar niemand von Trumps bevorstehendem Schlag. „Auch die Spitzen hat das auf dem falschen Fuß erwischt“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters interne Quellen. Namen für Comeys Nachfolge kursieren bereits. Genannt werden etwa New Yorks Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani und New Jerseys Gouverneur Chris Christie, beide schon im Wahlkampf Trumps Unterstützer. Es gibt aber auch Alternativen zu politisch derart punzierten Freunden Trumps.

Der Neue soll Trump überdauern

Gute Chancen auf das Amt des neuen FBI-Chefs hat etwa der republikanische Abgeordnete Trey Gowdy. An seiner Gesinnung herrscht kein Zweifel. Er tat sich besonders bei der Untersuchung von Clintons Rolle beim Anschlag auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi im Jahr 2012 hervor. Noch bessere Chancen werden Dana Boente eingeräumt, er ist derzeit nach Rosenstein die Nummer drei im US-Justizministerium.

Boente war bereits Trumps Wahl als Chef der Untersuchungen zu russischen Beeinflussungsversuchen der Präsidentschaftswahl, nachdem der ursprünglich geplante Justizminister Jeff Sessions wegen zuvor verschwiegener Kontakte zum Kreml ausscheiden musste. Beobachter gehen davon aus, dass Trumps Team seinen Kandidaten mit Bedacht wählen wird: Ohne Rücktritt oder Abberufung dauert die Amtsperiode vom FBI-Chefs zehn Jahre - und damit länger als Trumps Amtszeit, auch im Fall einer Wiederwahl.

Trump ortet „so ein falsches Spiel!“

Via Twitter verteidigte Trump Comeys Rauswurf in gewohnter Weise: „Comey hat das Vertrauen von fast jedem in Washington verloren, sowohl von Republikanern wie von Demokraten“, twitterte Trump am Mittwoch. „Wenn sich die Dinge beruhigt haben, werden sie mir noch dankbar sein!“ In einem zweiten Tweet schrieb Trump, Comey werde durch jemanden ersetzt werden, der dem FBI dessen Prestige und dessen Geist zurückbringen werde. Die Kritik vor allem der Demokraten sei „so ein falsches Spiel!“.

Der Kreml erklärte Comeys Entlassung zur „souveränen Entscheidung des US-Präsidenten, die absolut nichts mit der russischen Föderation zu tun hat oder zu tun haben sollte“. Einen Tipp im Hinblick auf die Wahl von Comeys Nachfolger gab es von Präsidentensprecher Dimitri Peskow trotzdem: Man habe die Hoffnung, dass sich die Beziehungen der beiden Staaten nach dem Abgang des bisherigen FBI-Chefs nicht verschlechtern.

Mehr Geld für Russland-Untersuchungen beantragt?

Die „New York Times“ berichtete am Mittwoch, Comey habe nur Tage vor seiner Entlassung beim stellvertretenden Justizminister Rosenstein mehr Geld und weiteres Personal für die Untersuchungen über eine mögliche Einflussnahme Russlands beantragt. Darüber habe er anschließend auch Abgeordnete informiert.

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