Musikprojekt mit Hintergedanken
„Action“ heißt die bisher einzige Single der Band Acrush. Sie kam Ende April auf den Markt. Es ist aber keineswegs die musikalische Qualität, die Hunderttausende Fans in Ekstase versetzt, sondern die typische Boygroup-Hysterie. Die Besonderheit dieser Truppe: Sie setzt sich ausschließlich aus jungen Frauen zusammen.
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Der Buchstabe „A“ im Bandnamen soll eine Referenz an Adonis sein, das Sinnbild männlicher Schönheit in der griechischen Mythologie. Hübsch anzusehen sind die Mitglieder von Acrush in der Tat – doch setzt sich die Band ausschließlich aus jungen Frauen zwischen 18 und 24 Jahren zusammen.
„Hübsche Jugendliche“
Verkauft wird Acrush als Popband, die Frauen in ihrer Identität stärken und das klassische Rollenbild in China aufweichen will. Öffentlich über ihre sexuelle Orientierung sprechen dürfen die Bandmitglieder aber nicht, geschweige denn eine Beziehung führen. Ebenfalls verboten ist das Beantworten der zahlreich eintreffenden Liebesbriefe.
Lin Fan, Min Jun Qian, Peng Xi Chen, Lu Ke Ran und An Jun Xi wollen keinem Geschlecht zugeordnet werden, sie nennen sich schlicht „hübsche Jugendliche“. Fans der Band, vorwiegend Mädchen im Schulalter, nennen ihre Idole dagegen „Ehemann“ – ein Begriff, der in China eigentlich männlichen Teeniestars wie Justin Bieber vorbehalten ist. „Einige Menschen verstehen und akzeptieren unseren androgynen Stil nicht, aber von unseren Fans bekommen wir viel Unterstützung“, sagte die Bandleaderin Lu Ke Ran gegenüber dem „Guardian“.

Reuters/Damir Sagolj
Die Band bei ihrer ersten Pressekonferenz am 28. April 2017 in Peking
Spiel mit Geschlechterrollen
In China ist das Geschlechterverständnis nach wie vor konservativ, der Sexismus weit verbreitet, und die Führungsebenen in Politik und Wirtschaft sind stark männerdominiert. Gleichzeitig hat das Spiel mit Identitäten in der chinesischen Geschichte Tradition. In Oper, Theater und Film sind Frauen in Männerrollen und Männer in Frauenrollen nicht ungewöhnlich.
Die chinesische Sexualforscherin Li Yinhe erwähnt in diesem Zusammenhang auch das Jahrhunderte alte Volksgedicht „Hua Mulan", in dem sich ein junges Mädchen als Mann verkleidet, um anstelle ihres Vaters in den Krieg zu ziehen. „Diese Band ist die heutige Version davon“, zitiert CNN die Forscherin. Als direkte Vorreiterin von Acrush ist wohl die androgyne Li Yuchun zu sehen. Sie gewann im Jahr 2005 die Castingshow „Super Girl“ und gehört mittlerweile zu den größten Werbestars in China mit Verträgen etwa bei Coca-Cola und L’Oreal. Ihrer geschlechtsneutralen Optik ist sie über die Jahre treu geblieben.
Fußball als Voraussetzung
Ungewöhnlich mutet auch die Entstehungsgeschichte von Acrush an: Die 2016 vom Internetriesen Tencent gegründete Firma Zhejiang Huati Culture Communication hat es sich zum Ziel gesetzt, mittels landesweiter Castings neue Boy- oder Girlgroups hervorzubringen. Acrush ist eine der vier Formationen, die in nächster Zeit den chinesischen Markt erobern sollen.
Ehe sie aber an die Öffentlichkeit durften, mussten die fünf jungen Frauen Fußball spielen lernen und sich offiziell in FFC Acrush umbenennen. Schließlich sind sie eine der vielen gecasteten Bands, die unter „Fantasy Football Corporation" („FFC“) firmieren. Der Verband versteht sich als Pionier in Sachen Sport-Entertainment und scheint hinter der Kombination aus Fußball und Pop das große Geschäft zu wittern.
Die Pläne der Staatsführung
Das ist ganz im Sinne der chinesischen Führung: Staats- und Parteichef Xi Jinping will bis 2025 rund 50.000 Fußballschulen bauen lassen. Ziele sind die zweite Qualifikation für eine Weltmeisterschaft nach 2002 in Japan und Südkorea (null Tore, null Punkte), die Ausrichtung einer WM im eigenen Land und der Gewinn des WM-Titels.
Derzeit belegt Chinas Nationalteam den 81. Platz der Rangliste des Weltfußballverbands (FIFA). Unter dem bekennenden Fußballfan Xi Jinping soll es bergauf gehen. Chinas Clubs sorgten in den vergangenen Monaten mit teils exorbitanten Ablösesummen für Spieler aus dem Ausland für Aufsehen. Ob das dem Nationalteam weiterhilft, ist eine andere Frage.
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