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Stichwahl erstmals ohne Volksparteien

Was in Frankreich seit Monaten möglich schien - von den einen befürchtet, von den anderen herbeigesehnt -, ist tatsächlich eingetreten: Erstmals in der Geschichte der Fünften Republik wird bei einer Präsidentschaftswahl keiner der beiden Kandidaten der sogenannten großen Volksparteien, der Sozialisten und Konservativen, in der entscheidenden Stichwahl vertreten sein.

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Der Kandidat der konservativen Republikaner, Francois Fillon, überlebte die Scheinbeschäftigungsaffären um Frau und Kinder nicht und schied trotz 20 Prozent der Stimmen aus. Benoit Hamon von den regierenden Sozialisten wurde schlicht und einfach erniedrigt. Mit ihm ist die Partei von Francois Mitterrand bei sechs Prozent der Stimmen angekommen.

Konservative und Sozialisten vor Zerreißprobe

Frankreichs gesamte Linke, mit den zwei Trotzkisten und Jean Luc Melenchon, dem Kandidaten, der es tatsächlich auf 19 Prozent brachte, holte insgesamt gerade noch 27 Prozent der Stimmen. Die Chancen sind groß, dass die Sozialistische Partei und die Republikaner schon in den nächsten Monaten auseinanderbrechen. Besonders bei den Konservativen zeichnete sich der große Streit bereits am Wahlabend bei den Diskussionsrunden in den Fernsehstudios ab – zwischen der harten, reaktionären und der liberalen Rechten.

Frankreich nach dem ersten Wahlgang

In die Stichwahl um die französische Präsidentschaft kommen der Unabhängige Emanuel Macron und die Rechtsextreme Marine Le Pen. Die meisten anderen Kandidaten wollen Macron unterstützen.

Und Frankreichs Sozialisten dürften für zwei Jahrzehnte weg sein vom Fenster - Ex-Premierminister Manuel Valls wird wahrscheinlich versuchen, eine sozialdemokratische Bewegung auf die Beine zu stellen. Man kann auch sagen: Melenchon hat geschafft, was er seit zehn Jahren versucht - die Sozialistische Partei zu zerstören.

Macron macht auf Amerikanisch

Emmanuel Macron übertrieb kaum, als er am Abend seines Siegs sagte, diese Wahl habe eine neue Seite im politischen Leben Frankreichs aufgeschlagen. Er selbst inszenierte sich vor rund 3.000 Anhängern bereits wie der künftige Staatspräsident, machte auf Amerikanisch, bestieg mit seiner Frau Hand in Hand die Bühne und sagte ansonsten das Übliche - Worte, die sich gut anhören, im Grunde aber wenig Konkretes aussagen.

Emmanuel Macron zeigt mit dem Daumen nach oben

AP/Christophe Ena

Emmanuel Macron feiert seinen Wahltriumph

Es war erneut eine Hymne auf den Optimismus, die große Hoffnung und auf Europa, die der 39-Jährige anstimmte, der Mann, der in Frankreichs Politik vor fünf Jahren noch ein völlig unbeschriebenes Blatt war und erst vor drei Jahren als Wirtschaftsminister wirklich in Erscheinung trat.

Unterstützung von allen Seiten

Macron erhielt bereits in den zwei Stunden nach seinem Sieg die Unterstützung zahlreicher Persönlichkeiten von links und rechts, zuletzt verkündete auch Präsident Francois Hollande offiziell, er werde in der Stichwahl am 7. Mai für Macron stimmen. Den Reigen eröffnet hatten der gedemütigte Hamon und auch - schweren Herzens - Fillon. Dabei spendeten dessen Anhänger, als er das verkündete und dazu aufrief, der rechtsextremen Kandidatin Marine Le Pen den Weg zu verstellen, so gut wie keinen Beifall – ein erstes Anzeichen dafür, dass ein Teil von Fillons Wählern zu Le Pen wandern dürfte.

Le Pen verpasst erhofften Durchbruch

Für Le Pen war ihr Ergebnis nicht der erhoffte große Durchbruch. 7,7 Millionen Stimmen sind gewiss das historisch beste Ergebnis des Front National seit seinem Bestehen, 800.000 Stimmen mehr als bei den Regionalwahlen im Dezember 2015. Will Le Pen aber in der Stichwahl gewinnen, braucht sie mindestens 14 Millionen Stimmen. Das scheint außerhalb ihrer Reichweite, die nicht über 35 bis 40 Prozent in der Stichwahl am 7. Mai hinausgehen dürfte.

Marine Le Pen umringt von Kameraleuten

AP/Michel Euler

Marine Le Pen zeigt sich am Tag nach der Wahl gut gelaunt in Paris

Symbole eines gespaltenen Landes

Le Pen und Macron sind zwei Kontrahenten um das höchste Amt im französischen Staat, die gemeinsam ein in mehrerer Hinsicht zutiefst gespaltenes Frankreich verkörpern – geografisch und soziologisch. Le Pen, das ist der ökonomisch schwer angeschlagene Norden Frankreichs, das sind ländliche Gebiete und darbende Kleinstädte, wo in den letzten Jahren auch die letzten noch verbliebenen Unternehmen geschlossen haben und die Menschen sich vom Staat und von allen verlassen fühlen.

Grafik zu den Mehrheiten nach Departements

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Macron, das sind die Metropolen, angefangen mit Paris, wo er rund 35 Prozent erzielte und seine Gegnerin nicht einmal fünf Prozent, das sind dynamische Städte und ihre Umgebung, wie Nantes, Rennes, Bordeaux , Strassburg und viele andere, wo man noch Arbeit finden und an eine Zukunft glauben kann.

Le Pen holt das Gros ihrer Stimmen inzwischen bei den Unterprivilegierten, den Arbeitslosen und Verarmten und auch bei den Jungwählern zwischen 18 und 25 Jahren, zusehends auch bei den Bauern. Macron dagegen ist der Kandidat der Franzosen mit Studienabschluss, der besser verdienenden Generation der 25- bis 40-Jährigen, der leitenden Angestellten und Freiberufler, vorwiegend in urbanen Zonen und, was ein wenig überrascht, der 39-Jährige ist auch der bevorzugte Kandidat der Senioren.

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