Kritik für Drozda „nicht angemessen“
Weniger Macht der heimischen Gerichte in Sachen Umweltschutz fordern die Landeshauptleute. Anlass für die per Brief vorgebrachte Forderung ist das Nein des Bundesverwaltungsgerichts zum Bau einer dritten Piste auf dem Flughafen Wien-Schwechat. Doch vor allem die SPÖ-Seite der Koalition begegnet dem Vorstoß skeptisch.
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„Nicht angemessen“ nannte SPÖ-Regierungskoordinator Thomas Drozda die Kritik der Landeshauptleute am Bundesverwaltungsgericht und die daraus resultierenden Forderungen. „Ich bin nicht der Meinung, dass man aufgrund von Unzufriedenheit mit Urteilen die Gerichtsbarkeit infrage stellen sollte, und weise diese Deutung zurück“, sagte Drozda im Anschluss an den Ministerrat.
Landeschefs fühlen sich machtlos
Tirols Landeshauptmann und Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, Günther Platter (ÖVP), hatte zuvor im Namen seiner acht Kollegen einen Brief an Bundeskanzler, Vizekanzler und Umweltminister geschickt. Darin monierten die Landeschefs, dass die Entscheidung, ob Umweltinteressen über andere öffentliche Interessen zu stellen seien, nicht mehr allein bei der Politik liege. Konkretes Beispiel: das Nein des Verwaltungsgerichts zum Bau der dritten Piste in Wien-Schwechat.
Ruf nach eingeschränkter Kompetenz der Verwaltungsgerichte
Nach der Ablehnung des Baus einer neuen Piste am Flughafen Wien-Schwechat wollen Landeshauptleute ähnliche Urteile künftig verhindern.
Das Gericht hatte seine Ablehnung des Flughafenausbaus vor allem damit begründet, dass dadurch der CO2-Ausstoß in Österreich steigen würde, sich der Staat aber per Gesetz zu einem Abbau der CO2-Emissionen verpflichtet habe. Die Landeshauptleute sind allerdings der Meinung, dass eine solche Entscheidung gar nicht von Richtern getroffen werden solle, sondern nur von „demokratisch gewählten Organen“, sprich der Politik.
Richterentscheid auf Basis von Gesetzen
Ein Standpunkt, den Drozda am Mittwoch nicht nachvollziehen konnte: Richter würden auf Basis von Gesetzen entscheiden. Wenn es da Probleme gebe, dann müsse man über eine Reform der Gesetze sprechen, so der SPÖ-Minister. Er nannte als Beispiele das Luftfahrtgesetz und das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz. Im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe stehe er für Gespräche zur Verfügung. Aber: „Urteile von Gerichten in dieser Form zu kritisieren, halte ich für falsch.“ Die Bilanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit bezeichnete der für Verfassungsfragen zuständige Minister als „sehr positiv“.
Drehen an Gesetzesschrauben
Für nächste Woche vereinbarte Drozda ein Gespräch mit Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) und Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP). Drozda führte auch einen Vorschlag von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ins Treffen, wonach auch wirtschaftliche Interessen und Standortinteressen als Staatszielbestimmung aufgenommen werden könnten.
Leichtfried konnte die Kritik der Bundesländer an den Verwaltungsgerichten am Mittwoch ebenfalls nicht nachvollziehen. Die Gerichte würden Gesetze ja nur anwenden, gemacht würden diese von Bund und Ländern. Entsprechend will Leichtfried auch von einer Entmachtung nichts wissen. Sehr wohl müsse man aber über eine Gesetzgebung nachdenken, die für Rechtssicherheit und schnellere Verfahren sorgt. Auch Leichtfried nannte das UVP-Gesetz und das Naturschutzgesetz. Dabei müssten zum einen Anrainerschutz und Naturschutz, zum anderen die Rechtssicherheit für Investoren berücksichtigt werden.
Lopatka: Aufschrei gerechtfertigt
Grundsätzliches Verständnis für die Anliegen der Länder zeigte Justizminister Wolfgang Brandstetter. Doch auch er sagte, dass es nicht um eine Entmachtung beziehungsweise die Zuständigkeit und Kompetenzen der Gerichte gehe, sondern darum, dass der Gesetzgeber im UVP-Gesetz klarmache, welche Interessen zu berücksichtigen seien.
ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka fand den „Aufschrei der Landeshauptleute gerechtfertigt“. So etwas wie in Schwechat dürfe sich nicht wiederholen. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder wies indes darauf hin, dass etwa gerade der scheidende niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) jahrelang den Baus des Semmering-Basistunnels verhindert habe. Die Landeshauptleute richteten es sich manchmal eben gerne so, wie sie es brauchten, so Schieder.
Thema kommt auf Tagesordnung
Die Landeshauptleute selbst bekräftigten am Mittwoch ihre Forderungen. Pröll, zu diesem Zeitpunkt gerade noch Landeshauptmann von Niederösterreich, flocht einen Verweis darauf sogar in seine Abschiedsrede im Landtag ein. Er habe großes Verständnis für Umweltrechte, diese dürften aber nicht die Zukunftsentwicklung des Landes verhindern. Die Politik müsse „das Gesetz des Handelns haben und dieses Handeln zum Gesetz machen“, sagte Pröll.
Oberösterreichs Neo-Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) verteidigte gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal den Vorstoß der Landeschefs. Inhaltlich sollten die entscheiden, die auch auf dem „Prüfstand der Wähler“ stünden, so Stelzer, „also wir Politikerinnen und Politiker“ - Audio dazu in oe1.ORF.at. Den Landeshauptleuten ist das Thema jedenfalls so wichtig, dass sie es bei ihrem nächsten Treffen Mitte Mai auf die Tagesordnung setzen werden.
Vom Dachverband der Verwaltungsrichter kam dagegen harsche Kritik. VwGH-Richter Markus Thoma sagte, es sei mit EU-Recht gar nicht vereinbar, einzelne Bereiche aus der Kontrolle der Gerichte herauszunehmen.
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