Kein Verständnis bei Opposition
Die Forderung der Landeshauptleute, Gerichte in Umweltfragen Kompetenzen zu nehmen, hat gemischte Reaktionen hervorgerufen. Während die Wirtschaft Beifall zollte, kam von Umweltschützerseite scharfe Kritik. Auch Grüne und NEOS zeigten sich alles andere als erfreut.
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Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl begrüßte den Vorstoß der Landeshauptleute für eine Neuordnung des Umweltrechts. Wie die Causa der dritten Piste für den Airport Wien-Schwechat zeige, sei sauber zu trennen, was die Gerichte entscheiden können und was die Politik, so Leitl.
Eine faire und transparente Abwägung von Interessen und Werten in einem vom Gesetzgeber klar vorgezeichneten Rahmen müsse immer gewährleistet sein - sonst entstehe dem Wirtschaftsstandort ein schwerer Schaden, der womöglich schwer wiedergutzumachen sei, so der WKÖ-Chef am Mittwoch in einer Aussendung.
Interessenausgleich für IV nicht bei Gerichten
Positiv reagierte auch die Industriellenvereinigung (IV). Nötig sei „eine vernünftige Balance zwischen ökologischer Nachhaltigkeit und wettbewerbsfähigem Wirtschaften“, so IV-Vizegeneralsekretär Peter Koren. Die Verantwortung für den Interessenausgleich liege bei der Gesellschaft - und damit der Politik -, nicht bei Gerichten.
Es sei richtig und wichtig, dass die Politik auf Länder- und Bundesebene die Problematik und Tragweite des negativen Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts zur dritten Piste für Wien-Schwechat erkannt habe, so Koren am Mittwoch in einer Aussendung.
Grüne: Rechtsschutz über Bord
Der grüne Verfassungssprecher Albert Steinhauser sah hingegen keinen Grund, Entscheidungsbefugnisse der Verwaltungsgerichte zu beschneiden. Die Änderungsvorschläge der Landeshauptleute zur Verwaltungsgerichtsbarkeit führten zu längerer Verfahrensdauer und würden alle Überlegungen zu einem effizienten Rechtsschutz über Bord werfen.
Wenn ein Gericht nicht so entscheide, wie es die Politik will, solle es also entmachtet werden, reagierte Steinhauser in einer Aussendung ablehnend auf den Vorstoß der Landeshauptleute. Auch die grünen Umweltlandesräte in Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Kärnten und Wien konnten mit dem Ländervorstoß nichts anfangen. Die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz sei ja nicht aus Jux und Tollerei eingeführt worden, sagte etwa der Vorarlberger Landesrat für Umweltschutz und Vizelandeshauptmann Johannes Rauch gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal - Audio dazu in oe1.ORF.at.
Ärger bei NEOS
„Überaus verärgert“ reagierte in einer Aussendung NEOS-Vizeklubobmann und Verfassungssprecher Nikolaus Scherak auf den Vorstoß der Landeshauptleute. Die Einführung der Verwaltungsgerichte sei ein Meilenstein für die österreichische Rechtsstaatlichkeit gewesen. „Dass nun die Fürsten der Finsternis allein aufgrund ihrer Unzufriedenheit mit einer Entscheidung nicht nur die Unabhängigkeit der Gerichte, sondern auch deren Weiterbestehen infrage stellen, ist unerhört und eines Rechtsstaats unwürdig“, so Scherak.
Die Dachorganisation der Umweltorganisationen, das Ökobüro, lehnte den Länderwunsch ebenfalls ab. Als Reaktion auf ein unerwünschtes Urteil Gerichte entmachten zu wollen, sei ein Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit. Das sei absolut inakzeptabel, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung.
Kritik der Verwaltungsrichter
Auch der Dachverband der Verwaltungsrichter lehnte den Vorstoß ab. „Wegen einer einzelnen Entscheidung wird eine ganze Reform infrage gestellt“, kritisierte Dachverbandssprecher Markus Thoma. Der Dachverbrand spricht sich laut Thoma „gegen anlassfallbezogene Änderungen“ aus. Er strich auch hervor, dass „die Entscheidungsbefugnisse der Verwaltungsgerichte Ergebnis einer umfassenden Reform im Jahr 2012“ waren. Diese sei von den Ländern und allen Parteien im Nationalrat auch mitgetragen worden, erinnerte Thoma.
Teil der EU-Grundrechte
Dass man nun, wie es die Landeshauptleute gerne hätten, einzelne Bereiche wie eine Neuordnung des Umweltrechts im Umweltverträglichkeitsgesetz aus der Kontrolle der Gerichte herausnehme, sei „unionsrechtlich nicht möglich“, so der Verwaltungsgerichtshof-Richter.
Die Grundrechtecharta der EU sehe eine Kontrolle der Verwaltung durch effektiven Rechtsschutz vor. Auch für einzelne Änderungen müssten Punkte in der Bundesverfassung geändert werden. Mit dem Reformkompromiss habe „Österreich zum europäischen Standard aufgeschlossen. Es ging um die Effektivität im Rechtsschutz.“
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