Neues Umweltrecht gefordert
Die Bundesländer lobbyieren bei der Regierung für weniger Macht der heimischen Gerichte in Sachen Umweltschutz. Die Forderung der Landeshauptleute: Die Frage, ob und wann Umwelt- über öffentlichen Interessen stünden, sollten nicht länger Richter entscheiden.
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Derlei wichtige Entscheidungen müssten von „demokratisch legitimierten Organen“ getroffen werden. So steht es in einem Schreiben, aus dem am Mittwoch „Salzburger Nachrichten“ („SN“) und das Ö1-Morgenjournal zitierten - Audio dazu in oe1.ORF.at. Geschrieben hat den Brief der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, der Tiroler Günther Platter (ÖVP) - und zwar an Bundeskanzler, Vizekanzler und Umweltminister.
Ärger über Entscheid zu dritter Piste
Dass die Landeshauptleute gerade jetzt ihren Unmut äußern, kommt nicht von ungefähr. Gleich zu Beginn des Briefes kommt Platter auf jenen Entscheid zu sprechen, der ganz offensichtlich Auslöser des landespolitischen Ärgers war: das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zur dritten Piste des Flughafens Wien-Schwechat. Das Gericht hatte seine Ablehnung des Flughafenausbaus damit begründet, dass dadurch der CO2-Ausstoß in Österreich steigen würde. Österreich habe sich aber zu einem Abbau der CO2-Emissionen verpflichtet.

ORF.at/Christian Öser
Die Ablehnung der dritten Piste in Schwechat zog den Ärger der Landeshauptleute auf sich
Außerdem kritisierte das Gericht den Bodenverbrauch durch den Bau. Schließlich beriefen sich die Richter auf das Luftfahrtgesetz, wonach Flugplatzbewilligungen nur zu erteilen seien, wenn „sonstige öffentliche Interessen nicht entgegenstehen“. Das sei aber hier nicht der Fall, argumentierte das Verwaltungsgericht. Der Gerichtsentscheid sei bereits bei einem Bund-Länder-Treffen im Februar emotional diskutiert worden, heißt es dazu in dem Brief. Auch nach eingehender Analyse hielten die Landeschefs an ihrer Kritik fest.
Politik in Macht beschnitten
Konkret postulieren die Landespolitiker und die -politikerin einen Konflikt zwischen öffentlichen und Umweltinteressen. Entscheidungen darüber, welche höher zu beurteilen seien, „stellen eine Wertentscheidung dar“, schreibt Platter. Diese müsse in der Hand „der demokratisch gewählten Organe liegen“. Mit anderen Worten: Die „weitere Entwicklung von Bund und Ländern zu bestimmen“ sei allein Aufgabe der Politik.
Allerdings, so die Argumentation der Landeshauptleute: Mit der Einführung der neuen Verwaltungsgerichte erster Instanz vor drei Jahren habe die Politik ihre Entscheidungshoheit verloren. Im Zuge der Verwaltungsreform 2014 wurden anstelle der bisherigen Verwaltungssenate neun Landesverwaltungsgerichte und das nun kritisierte Bundesverwaltungsgericht eingerichtet.
„Legistischer Handlungsbedarf“
Die neuen Gerichten bekamen deutlich mehr Befugnisse als die Senate: So dürfen sie nicht nur Bescheide aufgrund von Verfahrensmängeln aufheben, sondern auch in der Sache selbst entscheiden - wie im Fall der dritten Piste. „Auch zentrale Entwicklungsentscheidungen werden dadurch der Disposition der obersten Verwaltungsorgane entzogen. Hier besteht legistischer Handlungsbedarf“, schreibt Platter.

APA/Georg Hochmuth
Platter und seine Kollegen wollen ein neues Umweltrecht
Was das genau bedeutet? Die Länderchefs fordern eine „Neuordnung des Umweltrechts im Umweltverträglichkeitsgesetz“, also ein neues Umweltrecht. Die Politik soll wieder mehr entscheiden können und die Gerichte eingeschränkt werden. Laut dem Schreiben soll diese Neuordnung unter anderem eine „faire Interessenabwägung und Wertentscheidung“ sowie eine „Beschleunigung der Genehmigungsverfahren“ mit sich bringen.
Verfassungsrechtler sieht falschen Ansatz
Für den Verfassungsrechtler Heinz Mayer ist das allerdings „der falsche Ansatz“ und „ein Versuch, der scheitern wird und scheitern muss“. Das Europarecht verlange, dass in allen wichtigen Entscheidungen in letzter Instanz Gerichte zum Zug kommen und nicht unabhängige Verwaltungsorgane, sagte Mayer im Ö1-Morgenjournal - Audio dazu in oe1.ORF.at.
Wenn an einer Entscheidung ein politisches Interesse bestehe, laufe man immer Gefahr, dass die politisch abhängige Verwaltung eher den Interessen als dem Gesetz folge, sagte Mayer. Ohnedies habe die Politik Vorrang, „und zwar, indem sie die Gesetze dementsprechend formuliert“. Ein unabhängiges Gericht habe dann sicherzustellen, dass die Gesetze auch angewendet werden. So sei es im Modell eines demokratischen Rechtsstaates vorgesehen.
Umweltschutz „mit Augenzwinkern“
In diesem Zusammenhang hält der Verfassungsrechtler die Causa der dritten Piste für „besonders lehrreich“. In einem Bundesverfassungsgesetz aus 2013 bekenne sich die Republik Österreich zum nachhaltigen Umweltschutz. Auch in der Landesverfassung Niederösterreichs komme Klima- und Umweltschutz besondere Bedeutung zu. „Also: Man hat ein Gesetz gemacht, wo man den Umweltschutz ganz besonders betont hat, und wundert sich dann, dass die Gerichte dieses Gesetz beachten. Also das ist die Politik mit Augenzwinkern“, so Mayer.
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