„Schonzeit“ zu Ende
Das Glockenspiel „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“, das in Limburg im deutschen Bundesland Hessen nach der Beschwerde einer Veganerin verstummt ist, soll bald wieder am Rathaus der Stadt erklingen. Der Streit über das Kinderlied hatte in den vergangenen Wochen über Deutschland hinaus für viel Wirbel gesorgt.
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„Nach der in jeglicher Hinsicht entbehrungsreichen Fastenzeit ist doch der Dienstag nach Ostern der beste Zeitpunkt, den Hausmeistern anheimzustellen, den Fuchs wieder zurück ins Glockenspiel zu holen“, sagte Limburgs Bürgermeister Marius Hahn (SPD) am Mittwoch.

Martin Kraft unter cc-by-sa
Das Rathaus in Limburg
Veganerin störte Liedzeile
Im Februar hatte sich eine vegan lebende Limburgerin an die Stadt gewandt und gebeten, das Kinderlied aus dem Programm des Glockenspiels am Rathaus zu nehmen. Sie arbeite in Hörweite des Glockenspiels in einem Büro, es störe sie. An dem Klassiker aus dem 19. Jahrhundert soll die Frau besonders die Stelle „Gib sie wieder her/Sonst wird dich der Jäger holen, mit dem Schießgewehr“ gestört haben.
Die Stadtverwaltung tat der Veganerin zumindest vorübergehend den Gefallen und verbannte das Lied fürs Erste vom Rathaus - „aus Nettigkeit, als Geste“, wie es hieß. „Wir geben der Gans eine Schonzeit“, sagte Stadtsprecher Johannes Laubach. Das aus sieben Stücken bestehende Glockenspielrepertoire sei daraufhin komplett ausgetauscht worden, so Laubach.
Für die Wahl der Lieder seien „unsere Hausmeister verantwortlich“. Sie würden „aus dem Bauch heraus“ entscheiden, sagte Laubach. Gespielt würden derzeit folgende Stücke: „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“, „Freut euch des Lebens“, „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“, „Horch was kommt von draußen rein“, „O wie wohl ist mir am Abend“, „Die Forelle“ und „Tiritomba“.
Beschimpfungen und Morddrohungen
Mit der Absetzung des Fuchs-Liedes war der Shitstorm programmiert, ein Sturm der Entrüstung fegte über die Kommune herein. Fleischesser empörten sich über die Eingabe der Veganerin, die Stadtverwaltung wurde scharf kritisiert. Laubach berichtete von Beschimpfungen, Beleidigungen und sogar von Rücktrittsforderungen gegen Bürgermeister Hahn.
Es gab aber auch moderate Töne: Die Vegane Gesellschaft Deutschland etwa sprach von einer „empathischen Geste“. Mit der Bitte der Limburgerin werde sich allerdings nicht jeder Veganer identifizieren können. Die Tierrechtsorganisation PETA äußerte Verständnis und bat, das Lied dauerhaft aus dem Programm zu nehmen. „Altertümliche Lieder wie dieses oder auch Märchen wie ‚Rotkäppchen und der böse Wolf‘ sind leider noch immer weit verbreitet und senden vor allem an Kinder ein falsches Zeichen, indem sie ein schlechtes Licht auf bestimmte Tiere werfen.“
Später behauptete die Veganerin in einem Blog, dass ihre Forderung an die Stadtverwaltung als Scherz gemeint gewesen sei. Sie sei schlichtweg von der Melodie des Liedes genervt gewesen und habe sich daher an Hahn gewandt, mit dem sie auf Facebook befreundet sei. Als über die Geschichte auch international berichtet wurde, habe sie sogar Morddrohungen erhalten. Angeblich sollen einige Jäger es auf sie abgesehen haben. Wahlweise wolle man sie „totschießen“ oder bestenfalls in eine Psychiatrie stecken.
Bürgermeister: „Wollte keinen Glaubenskrieg“
In einer Stellungnahme gegenüber ORF.at stellte Bürgermeister Hahn klar, dass die Anfrage der Frau „keineswegs scherzhafter Natur“ gewesen sei, sondern „eine klar formulierte und dringende Bitte, die in dem elektronisch geführten Dialog sogar konkretisiert worden ist“. Zugleich wies Hahn darauf hin, dass die Frau „eine unter über 1.500 Facebook-Freunden“ und nicht persönlich mit dem Bürgermeister bekannt sei. Also könne es sich nicht um einen „Scherz unter Bekannten“ gehandelt haben, so Hahn.
Er steht nach wie vor hinter der Entscheidung. Es sei ein Gefallen gewesen und nichts Ideologisches: „Ich wollte keinen Glaubenskrieg anzetteln.“ Die ganze Aufregung habe aber auch etwas Gutes für die Stadt gehabt: „Jetzt wissen alle, dass nicht nur München ein schönes Rathaus mit einem tollen Glockenspiel hat, sondern auch Limburg“, sagte Hahn.
Skandal um „Protz-Bischof“
In die Schlagzeilen war Limburg vor wenigen Jahren wegen des Skandals um seinen als Protz-Bischof verspotteten Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst geraten. Dieser wurden wegen der Kostenexplosion beim Bau seines neuen Bischofssitzes und seiner von manchen als autoritär empfundenen Amtsführung kritisiert. 2013 wurde er deshalb von seinen Pflichten entbunden, im März 2014 nahm Papst Franziskus seinen Amtsverzicht an. Tebartz-van Elst hat mittlerweile einen Posten im Vatikan.
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