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Ein Land in Angst

Der Südsudan in Ostafrika befindet sich derzeit in der gefährlichsten Lage seit seiner Gründung im Jahr 2011. Die aus extremer Dürre und dem seit 2013 andauernden Bürgerkrieg bestehende Doppelkrise ist mehr, als das Land ertragen kann. In Teilen herrscht nun Hungersnot - Millionen Menschenleben sind bedroht.

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100.000 Menschen stehen unmittelbar vor dem Hungertod, fünf Millionen haben keinen ausreichenden Zugang zu Nahrung. Zahllose weitere leiden unter der Gewalt des Bürgerkrieges. Es herrsche ein „unvorstellbarer Überlebenskampf, der schwer zu ertragen sei“, schildert Caritas-Helferin und Koordinatorin des Südsudan-Programms, Helene Unterguggenberger im Gespräch mit ORF.at die Lage an Ort und Stelle. Sie besuchte kürzlich unter anderem ein Flüchtlingslager in der Nähe von Yambio.

6.000 in Lager rund um Kirche

Bei Angriffen rund um den Ort im Bundesstaat Western Equatoria wurden im Jänner ganze Orte niedergebrannt, es wurde geplündert, vergewaltigt und getötet. Auf der Flucht vor den Bewaffneten suchten Tausende Menschen Schutz bei der kleinen Pfarre Rimenze. In deren Nähe befindet sich eine Lehrfarm, auf welcher der Bevölkerung bis zum Ausbruch der Dürre effizientere Methoden der Landwirtschaft beigebracht wurden.

Menschen im Südsudan

Caritas

Hitze, Hunger und Krankheit setzen vor allem Älteren und Kindern zu

Seit Jänner hat sich dort ein von der Caritas unterstütztes Flüchtlingslager gebildet, in dem mittlerweile in Strohhütten und unter Plastikplanen etwa 6.000 Menschen leben. Obwohl die UNO die Ernährungssituation in der Region noch als „mäßig“ einstuft, sei die Lage in dem Lager fatal. Wenig besser sieht es laut Unterguggenberger in einem weiteren von der Caritas unterstützten Camp in der Hauptstadt Juba aus, in dem sich weitere 18.000 Menschen befinden. Solche Lager gibt es überall im Südsudan - sie zeugen von der tiefen Not, die im Land herrscht.

„Angst beherrscht dieses Land“

Ostafrika leidet derzeit unter der schlimmsten Dürre seit 50 Jahren, in Teilen des Südsudan wurde die Hungersnot ausgerufen. Laut der UNO ist mit 5,5 Millionen Menschen, mindestens die Hälfte der Gesamtbevölkerung auf internationale Hilfe angewiesen.

Gleichzeitig tobt seit 2013 ein Bürgerkrieg, in dem der unter Korruptionsverdacht stehende Präsident Salva Kiir und dessen Ex-Stellvertreter Riek Machar um Macht und Ressourcen kämpfen. Der blutige Krieg hat die Lebensmittelversorgung zerstört, Millionen vertrieben und Chancen auf Wohlstand und den Aufbau von Infrastruktur im jüngsten Land der Welt im Vorhinein verhindert. Der Konflikt hat zunehmend ethnische Hintergründe. „Angst beherrscht dieses Land“, sagt Unterguggenberger.

Karte Südsudan mit Hungergebieten, Bevölkerung von Hunger betroffen

Grafik: ORF.at; Quelle: APA

Dabei ist der Südsudan grundsätzlich sehr fruchtbar. Insgesamt sind 90 Prozent der Böden für den Anbau geeignet, normalerweise ist auch der Niederschlag ausreichend. Nicht so heuer: Der Regen, der eigentlich bereits ab Anfang März fallen hätte sollen, blieb aus. Noch nie hätten die von der Landwirtschaft abhängigen Menschen erlebt, dass es so lange nicht regnet, so Unterguggenberger.

Mangos und Seerosen gegen Hungertod

Derzeit gebe es „Gott sei Dank“ Mangos - gemeinsam mit einer kleinen Schüssel Maniokbrei seien sie die einzige Mahlzeit des Tages. In anderen Regionen, in denen sich die Bevölkerung in den Sümpfen des Weißen Nils vor der Gewalt versteckt, sind Seerosen die letzte Rettung vor dem Hungertod.

Überall seien aufgeblähte Bäuche und von Mangelerscheinungen rot gefärbtes Haar zu sehen. Teils gebe es schwere Hautausschläge, die durch eine dramatische Hygienesituation hervorgerufen würden. In Rimenze müssen sich 6.000 Menschen einen Brunnen teilen - ein Grund für die weite Verbreitung von Durchfallerkrankungen und Einfallstor für Seuchen wie Cholera.

Apathische Menschen, stille Kinder

In den Lagern herrsche Apathie, so Unterguggenberger. Obwohl es kaum Hoffnung gebe, kehrten viele Menschen immer wieder zu ihren vor Trockenheit aufgerissenen Feldern mit den welken Pflanzen zurück. Mit Glück könnten sie dort Maniokwurzeln ausgraben und im Lager trocknen.

Auch ein kleiner Markt, auf dem mit Mangos gehandelt werde, habe sich gebildet. Derzeit versuche man, eine kleine Schule aufzubauen und für Routine im Leben der geflüchteten Kinder zu sorgen. Diese seien ungewöhnlich still. In die Lager schaffen es laut Helfern ohnehin nur die kräftigsten der Flüchtlinge - viele Menschen die eigentlich Hilfe brauchten, werden gar nicht erreicht.

Spendenmöglichkeit

  • Caritas: IBAN: AT92 6000 0000 0770 0004 und online
  • Ärzte ohne Grenzen: IBAN: AT43 2011 1289 2684 7600 und online,
  • Diakonie Katastrophenhilfe: IBAN: AT85 2011 1287 1196 6333 und online
  • Rotes Kreuz: IBAN: AT57 2011 1400 1440 0144 und online
  • World Vision: IBAN: AT22 2011 1800 8008 1800 und online

Vorbereitung auf den Regen

Die Caritas hilft im Südsudan momentan nicht nur mit Notpaketen und Grundnahrungsmitteln, sondern auch mit landwirtschaftlichem Gerät und Saatgut. Derzeit sei entscheidend, die Menschen auf den Moment vorzubereiten, in dem tatsächlich wieder Regen fällt und das Land bestellt werden kann, so Unterguggenberger. Langfristig gebe es aber nur Chancen für das Land, wenn Gewalt und Bürgerkrieg beendet würden und in Bildung und Infrastruktur investiert werde.

Bis das der Fall sein wird, dürfte aber noch viel Zeit verrinnen. Die internationale Gemeinschaft und die Konfliktparteien zeigen derzeit wenig Bereitschaft, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Eines der Probleme des überforderten Landes sind seine reichen Ölvorkommen an der Grenze zum Sudan. In dem immer noch umkämpften Gebiet streiten der Sudan und der Südsudan mit Gewalt darum, wer die Rechte an der Förderung hat. Auch multinationale Konzerne sind dort. Der Machtkampf ums Öl gehört wohl zu den Gründen, warum mehrere entscheidende Akteure kein Interesse an einem Ende des Bürgerkriegs haben.

Bewaffnete Männer

APA/AFP/Albert Gonzalez Farran

Erst kürzlich kam es laut der UNO-Mission im Südsudan in der Nähe des Ortes Wau wieder zu Kämpfen mit toten Zivilisten

Helfen bleibt schwierig

Die Hilfsorganisationen können in der Zwischenzeit nur immer wieder dramatische Appelle an die Weltgemeinschaft richten. Der jüngste: Es brauche einen massiven Hilfseinsatz der internationalen Gemeinschaft, sonst drohe sich die Hungersnot „auf weite Teile des Landes auszuweiten“, so die Welthungerhilfe. Etwa 1,6 Millionen Südsudanesen sind bereits ins Ausland geflüchtet, die Hälfte davon in das vollkommen überlastete Nachbarland Uganda. Zwei weitere Millionen sind Binnenflüchtlinge, deren Existenz in vielen Fällen zerstört wurde.

Gleichzeitig berichtet das UNO-Nothilfebüro OCHA von einem alarmierend geringen Spendenaufkommen. Die Arbeit der NGOs wird indes durch die Unsicherheit, an der auch die Regierung beteiligt ist, immens erschwert. Dass die Regierung angesichts der extremen Not von ausländischen Helfern erst 10.000, und nun immer noch 5.000 Dollar für eine Aufenthaltsgenehmigung fordert, wirkt perfide. Zudem werden immer wieder Hilfslieferungen von bewaffneten Akteuren überfallen. Seit dem Beginn des Bürgerkriegs wurden im Südsudan mindestens 79 humanitäre Helfer ermordet.

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