„Schießen meist besser als die Männer“
In der norwegischen Armee gibt es die weltweit erste Spezialeinheit nur für Frauen. Seit 2014 bereiten sich die Soldatinnen der Jägertruppe (norwegisch: Jegertroppen) für den Kampfeinsatz im Ausland vor. Das Militär in Norwegen habe die „operative Notwendigkeit“ von hoch qualifizierten Soldatinnen erkannt, so ein Kommandant der Spezialeinheit.
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„Ich wollte etwas Größeres tun, das Härteste, was mir die Armee zu bieten hatte“, sagte Jannike, eine 19-jährige Frau aus dem Norden Norwegens, kürzlich gegenüber der BBC. Sie ist eine jener Frauen, die es in das Ausbildungsprogramm der weiblichen Spezialeinheit geschafft haben. Nach sechs Monaten sei sie - trotz mancher „dunkler Momente“ - überzeugt, dass sie es durch das Programm schaffen werde.

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Die Jägertruppe bereitet sich auf das Schießtraining vor
Frauen spielen im norwegischen Militär bereits lange eine Rolle: Norwegen war nicht nur eines der ersten NATO-Länder, die Frauen den Zugang zum Militär öffneten, es ist auch das einzige Land Europas, in dem die Wehrpflicht auch für Frauen gilt. In einer Zeit, in der andere Länder die Wehrpflicht selbst für Männer aussetzen oder abschaffen, beschloss das norwegische Parlament 2014 mit großer Mehrheit die Einführung der Wehrpflicht auch für den weiblichen Teil der Bevölkerung.
Von Sanitäterinnen zu Soldatinnen
Bereits 1938 durften Frauen freiwillig in der norwegischen Armee arbeiten, allerdings nur in Unterstützungsfunktionen, als Sanitäterinnen etwa und Technikerinnen. Während Frauen in Österreich erst seit Anfang 1998 als Soldatinnen im Bundesheer dienen dürfen, stehen den Norwegerinnen seit 1985 alle Positionen im Militär offen - auch jene in den Kampftruppen.
Dennoch sind von den rund 18.000 norwegischen Soldaten nur knapp elf Prozent Frauen. In den Spezialeinheiten fand sich bis vor Kurzem keine einzige Frau. Die wenigen, die eine Bewerbung einreichten, scheiterten laut dem norwegischen Militär am Zulassungstest. Das hat sich nun geändert.
Für das Ausbildungsprogramm der Jägertruppe bewarben sich im ersten Jahr mehr als 300 Frauen, nach dem Einführungstest und dem einjährigen Trainingslager waren noch 13 Frauen zwischen 19 und 27 Jahren übrig. Viele hätten nicht bestanden, manche freiwillig aufgegeben, so das Militär. Die hohe Durchfallquote entspreche jedoch derjenigen in männlichen Spezialeinheiten.
Soldatinnen sind „operative Notwendigkeit“
Wie wertvoll hoch qualifizierte Soldatinnen bei Auslandseinsätzen sind, hat die norwegische Armee spätestens seit dem Krieg in Afghanistan erkannt. Die norwegischen Soldaten, die dort im Rahmen der NATO-geführten Internationalen Schutztruppe (ISAF) im Einsatz waren, stießen bei der Kommunikation mit der einheimischen weiblichen Bevölkerung an ihre Grenzen.

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13 Frauen haben es durch das Ausbildungsprogramm geschafft
Vor allem in konservativen Gesellschaften brauche es Soldatinnen, die im Häuserkampf auch mit Frauen und Kindern am Einsatzort interagieren können. „Soldatinnen einzubeziehen war also eine operative Notwendigkeit“, sagte Ole Vidar Krogsaeter, ein Hauptmann der norwegischen Spezialtruppen, kürzlich gegenüber dem Politjournal „Foreign Affairs“. Die Soldatinnen sollen bei Bedarf besondere Überwachungs- und Aufklärungsmissionen ausführen.
Von Häuserkampf bis Terrorbekämpfung
Laut der Rekrutierungsseite der norwegischen Armee für die weibliche Spezialeinheit werden aber auch Häuserkampf, der Umgang mit verschiedenen Waffen, Terrorismusbekämpfung, unterschiedliche Kampftechniken und Operationen per Fallschirm trainiert. Um sich überhaupt für das Ausbildungsprogramm bewerben zu können, müssen die Frauen norwegische Staatsbürgerinnen und mindestens 18 Jahre alt sein.
Von den Frauen der Jägertruppe werden dieselben Anforderungen verlangt wie von ihren männlichen Kollegen. Ausschließlich die Rucksäcke wiegen ein paar Kilogramm weniger. "Der härteste Part war bisher die ‚Höllen-Woche‘, sagte Jannike der BBC, eine Übung, die die physische und psychische Stärke der Rekrutinnen testet. Über mehrere Tage müssen die Frauen lange Märsche mit nur kurzen Ruhepausen zurücklegen, es gibt kaum Wasser und wenig Nahrung. „Sie wollen sehen, ob du mit dem Druck zurechtkommst, wenn du am Boden bist.“
Vorbehalte gegen Soldatinnen
In den USA sind Frauen erst seit 2013 als Soldatinnen in den Spezialeinheiten zugelassen. Laut einer Studie des US-amerikanischen Forschungsinstituts Rand Corporation aus dem Jahr 2014 stieß das bei den Kommandanten der US-Spezialeinheiten jedoch auf Widerstand. 85 Prozent der Befragten waren grundsätzlich gegen Frauen in den Kampftruppen, 71 Prozent wollten sie nicht in ihrer Einheit. Die Hauptbegründungen: Durch weibliche Beteiligung würden die hohen Standards sinken und das Teamgefüge geschwächt werden.
Ein norwegischer Soldat der Spezialeinheit, der die Jägertruppe trainiert hat, sieht das anders. Es gebe zwar berechtigte Sorgen, ob Soldatinnen etwa verwundete männliche Kollegen tragen und schnell in Sicherheit bringen können. Aber sie hätten dafür andere Stärken. „Sie werden vielleicht nicht im Nahkampf gewinnen, aber wir verwenden vorwiegend Waffen, und meistens schießen sie besser als die Männer“, sagte er kürzlich der BBC.
„Frauen schauen über den Tellerrand“
Ein weiterer Kommandant der Jägertruppe sagte gegenüber „Foreign Affairs“: „Sie arbeiten extrem systematisch und gewissenhaft, dadurch erledigen sie Dinge oft schneller als männliche Soldaten.“ Außerdem seien die meisten Soldatinnen der Jägertruppe zuvor Leistungssportlerinnen gewesen. „Männer machen nur das, was von ihnen erwartet wird, Frauen schauen über den Tellerrand hinaus“, sagte die 22-jährige Vanderla der BBC. Sie absolvierte vergangenes Jahr das Ausbildungsprogramm der Spezialeinheit. „Womöglich sind wir eher in der Lage, andere Lösungen zu sehen - bessere Lösungen.“
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