Themenüberblick

Kinder als Leistungsturbo

Kinderkarenz, Teilzeitarbeit, Karriereknick. Für viele Frauen, die eine Familie gründen, ist das nach wie vor Realität, denn die Aufstiegschancen sinken, je weniger man im Beruf leisten kann. Eine US-Studie legt nun nahe, dass Unternehmen die Produktivität ihrer Mitarbeiter über längere Zeiträume sehen sollten - denn dann ergibt sich ein ganz neues Bild.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Denn Mitarbeiter, die Kinder haben, sind laut der Studie auf lange Sicht gesehen im Job leistungsfähiger als Kinderlose. Am produktivsten sind der Studie zufolge Mütter von zwei Kindern. Und Väter von zwei und mehr Kindern sind produktiver als Männer, die nur ein oder kein Kind haben. Das sind die Kernergebnisse jener Untersuchung, die 2014 die Studienautoren Matthias Krapf von der Universität Zürich in der Schweiz, Heinrich W. Ursprung von der Universität Konstanz in Deutschland und Christian Zimmermann von der Notenbank in St. Louis in den Vereinigten Staaten durchführten.

Ökonomen im Fokus der Studie

Sie verglichen dazu Daten von 10.000 Wirtschaftswissenschaftlern, die an Universitäten in 14 Ländern tätig sind. Als Richtwert wurde die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen herangezogen. Es handelt sich also um Arbeitskräfte, die sehr gut ausgebildet sind und in einem Berufssegment arbeiten, in dem tendenziell gut verdient wird und in dem Elternkarenzen und Pflegetage angeboten werden - in den USA die Ausnahme.

In einem mehrseitigen Fragebogen wurden die Ökonomen gefragt, wie ihr Familienstand ist, wann sie geheiratet haben, wann das erste Kind geboren wurde und wie viele Kinder sie insgesamt haben. Diese Daten wurden dann gekreuzt mit der Anzahl an Publikationen der einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Aus dem Minus wird ein Plus

Das Ergebnis: Solange die Kinder klein sind, sinkt die Produktivität von Frauen am Arbeitsplatz um 15 bis 17 Prozent im Vergleich zu jenen Frauen, die keine Kinder haben. Umgelegt auf die Forschungsarbeit heißt das, dass Frauen mit zwei Kleinkindern zweieinhalb Jahre verlieren, Frauen mit drei Kleinkindern verlieren gar vier Jahre an Forschungstätigkeit. Und diese Forschungsarbeit ist essenziell, wenn es um beruflichen Aufstieg wie etwa eine fixe Professur geht und damit letztlich um eine Steigerung des Einkommens.

Über einen langen Zeitraum von etwa 30 Jahren gesehen holen die Wissenschaftlerinnen dann aber diese gesunkene Produktivität wieder auf. Sind ihre Kinder nämlich dem Kindesalter entwachsen, steigt die Leistung überproportional. „Während man kleine Kinder hat, hat das eine negative Auswirkung auf die berufliche Leistungsfähigkeit“, sagt Studienautor Zimmermann. „Aber danach, wenn die Kinder größer sind, verlagert sich die Leistungsfähigkeit der Frauen wieder auf den Beruf, und zwar mehr als jemals zuvor.“

Das liege daran, dass die Frauen gelernt hätten, viele verschiedene Tätigkeiten unter einen Hut zu bringen und diese möglichst zeiteffizient zu erledigen. Diese Fähigkeiten, die sie als Mütter erlernt hätten, setzten die Frauen im Beruf besser um als die Väter.

Empfehlung für Unternehmen

Die Empfehlung der Studienautoren an die Unternehmen: Die Produktivität vor allem von Müttern mit jugendlichen Kindern sollte mehr einbezogen werden. Vorgesetzte, die einer 20-jährigen Mitarbeiterin ohne Familie mehr bezahlten, weil sie dächten, sie leiste im Job mehr als eine Mittvierzigerin mit drei bis vier Kindern, seien schlecht beraten.

Am Ende des Tages doch weniger Geld

Die Studie zeigt jedoch auch, dass das Produktivitätsminus von Frauen mit mehreren Kleinkindern größer ist als das der Männer mit gleich vielen Kindern. Während die Leistung der Frauen um 19,1 Prozent sinkt, wenn sie mehrere Kinder neben ihrem Beruf großziehen, beträgt der Leistungsverlust bei Vätern nur 5,4 Prozent. Daraus – so die Studienautoren – könne geschlossen werden, dass sich Mütter von Kleinkindern nach wie vor mehr auf ihre Kinder und deren Erziehung konzentrierten als die Väter.

Die Produktivität von Vätern ist allerdings - ebenso wie die der Mütter - höher als bei kinderlosen Kollegen. Kinderlose Männer haben jedoch ganz am Ende ihrer Karriere offenbar doch noch mehr Energie und übertrumpfen die Väter in der Produktivität ihrer Arbeit klar.

Das hat natürlich Auswirkungen auf die Gehälter. So stellten die Studienautoren fest, dass etwa in den Vereinigten Staaten der Gender Wage Gap – also die Gehaltsdifferenz aufgrund des Geschlechts - geringer wird. Dafür steigt jedoch der Family Wage Gap – also die Gehaltsdifferenz zwischen Arbeitnehmern, die eine Familie zu versorgen haben, und solchen, die das nicht müssen. Frauen mit Kindern werden im Schnitt mit einem Gehaltsminus von zehn bis 15 Prozent bestraft.

Präzise Planung gefragt

Kritiker der Studie der US-Notenbank von St. Louis sagen, es handle sich bei den für die Untersuchung herangezogenen Wirtschaftswissenschaftlern um einen sehr elitären engen Kreis. Die Autoren sind aber trotzdem überzeugt, dass die Ergebnisse durchaus auf andere Branchen umgelegt werden könnten.

Und sie ziehen aus ihrer Untersuchung noch einen wichtigen Schluss: Bei Universitätsangestellten mit hohem Wirtschafts-Know-how handle es sich so gut wie immer um Personen, denen langfristige Planung äußerst wichtig sei. Das gelte auch für deren Karriere- und Familienplanung, die von Zahlen, Daten und Fakten dominiert werde und weniger auf Gefühlen beruhe. Gutes Planungs- und Organisationstalent sei deshalb für Unternehmer ein wesentlicher Richtwert, um produktive und damit besonders wertvolle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu finden.

Links: