Themenüberblick

Einigung über „Infrastrukturabgabe“

Nach jahrelangem Ringen um die deutsche Pkw-Maut hat am Freitag auch der deutsche Bundesrat das entsprechende Gesetzespaket passieren lassen. Damit fehlt nur noch die Unterschrift des deutschen Bundespräsidenten, um die Gesetze für die Einführung der umstrittenen Maut auf deutschen Autobahnen zu beschließen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Im Vorfeld der Abstimmung hatte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) den Bundesrat in Berlin noch dazu aufgefordert, das Projekt zu stoppen. Die Länderkammer müsse „die Reißleine ziehen und die diskriminierende Ausländermaut zu Fall bringen“. Doch eine mögliche Anrufung des Vermittlungsausschusses fand am Freitag keine Mehrheit. Zuvor war in einem Medienbericht noch über Bedenken des Ministerpräsidenten des Bundeslands Brandenburg berichtet worden.

Damit ist der Weg frei für die Einführung der Pkw-Maut in Deutschland. Mit dem bereits in der Vorwoche im Bundestag beschlossenen Gesetzespaket will die EU-Kommission grünes Licht für die „Infrastrukturabgabe“ geben. Einen ersten Beschluss hatte es bereits 2015 gegeben, damals wurde das Vorhaben jedoch von der EU gestoppt.

Maut praktisch nur für Ausländer

Zentraler Streitpunkt war der Vorwurf einer Benachteiligung von Reisenden aus dem Ausland, da nur Inländer für Mautzahlungen über eine geringere Kfz-Steuer entlastet werden sollen. Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU einigte sich aber im Dezember 2016 mit der EU-Kommission auf Änderungen am Modell, die unter anderem die Höhe der Kurzzeittarife betrifft und Begünstigungen für abgasarme Autos vorsieht.

Diesen Kompromiss kritisierte sein österreichisches Gegenüber am Freitag scharf: Das Vorgehen der EU-Kommission sei laut Leichtfried ein „Skandal“, weil sie eigentlich dafür zuständig wäre zu kontrollieren, dass europäisches Recht eingehalten werde. „Sie hat sich auf einen faulen Kompromiss eingelassen. Der Eindruck entsteht, dass sich die großen Staaten zulasten der kleinen Staaten etwas richten können.“

Österreich klärt Vorgehensweise am Dienstag

„Wir werden gegen die Maut klagen“, kündigte Leichtfried am Freitag vor Journalisten an. Die deutsche „Ausländermaut“ sei eine „Diskriminierung anhand der Staatszugehörigkeit“. Sobald die EU-Kommission das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einstelle, werde Österreich die Klage einbringen. Neben Privatbürgern sieht er auch die heimischen Unternehmen negativ betroffen. „Es ist ein handfester Wettbewerbsnachteil für unsere Transportunternehmen.“

Leichtfried will am Dienstag den Ministerrat über die deutsche Entscheidung zur Pkw-Maut informieren. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) habe bereits mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel telefoniert. Man werde nächsten Dienstag die Vorgehensweise mit dem Koalitionspartner koordinieren und habe bereits „einige Signale“ bekommen, dass die ÖVP die Causa ähnlich sehe.

Die EU-Kommission kündigte an, die Vereinbarkeit mit dem EU-Recht zu prüfen, sobald der Gesetzestext veröffentlicht sei. Österreich habe wie jedes Mitgliedsland das Recht, gegen Entscheidungen anderer EU-Staaten zu klagen. Die Niederlande wollen im Gegensatz zu Österreich mit einer etwaigen Klage erst auf eine Stellungnahme der Kommission warten.

„Falsches Signal“ an Nachbarn

Unterstützung für die angekündigte Klage kam von der SPÖ und den Grünen. Auch bei NEOS stößt das Vorgehen auf Unterstützung, während ein EU-weites Mautsystem gefordert wurde. Der ÖAMTC bekräftigte, dass Österreich „jetzt klagen“ müsse. Team Stronach bezeichnete in einer Aussendung die angekündigte Klage als „notwendig und positiv“ und forderte Entlastungen für heimische Autofahrer. Kritik an dem Vorgehen kam vom Verkehrssprecher der FPÖ, Gerhard Deimek: In einer Aussendung meinte er, dass ein Rechtsstreit „niemandem helfen“ würde. Ein gewonnenes Verfahren würde „binnen kürzester Zeit eine modifizierte Maut“ ergeben.

Auch in Deutschland regt sich durch die Parteien hinweg und in vielen deutschen Bundesländern scharfe Kritik an der deutschen Pkw-Maut. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte im Bundesrat, es sei „kein gutes Zeichen für Europa“, wenn Deutschland eine „Ausländermaut“ einführe. Dadurch entstehe „politisch großer Schaden“. FDP-Chef Christian Lindner sprach von einer „Nutzlos-Maut“. Sie koste mehr als sie bringe und sei „in Zeiten, wo wir uns um mehr europäische Zusammenarbeit wieder bemühen müssen, das genau falsche Signal an unsere Nachbarn“.

Maut soll maximal 130 Euro kosten

Die nun beschlossene Maut soll sich nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Motors richten. Im Schnitt soll sie 67 Euro, maximal 130 Euro kosten. Benzinautos sind günstiger als Dieselfahrzeuge. Für Ausländer soll es neben der genauso berechneten Jahresmaut auch zwei mögliche Kurzzeittarife geben: eine Zehntagesmaut für 2,50 bzw. vier, acht, 14, 20 oder 25 Euro sowie eine Zweimonatsmaut für sieben, elf, 18, 30, 40 oder 50 Euro - ebenfalls je nach Größe und Umweltfreundlichkeit.

Mautpflichtig sind auch Wohnmobile. Motorräder, Elektroautos, Wagen von Behinderten und Krankenwagen sollen mautfrei sein. Wer keine Maut zahlt und erwischt wird, muss eine Geldstrafe zahlen. Genaue Summen sind noch nicht festgelegt. Geldbußen sollen auch im Ausland eingetrieben werden. Eine Einführung ist frühestens für 2019 geplant.

Links: