Vavriks „zweite Chance“, Alms „Projekt“
Gleich zwei Abgänge hat der NEOS-Klub im Nationalrat am Donnerstag verzeichnen müssen: Der wegen homophober Äußerungen bei den NEOS in Ungnade gefallene Abgeordnete Christoph Vavrik legte sein Mandat nicht wie erwartet nieder, sondern wechselte in die ÖVP-Fraktion. Niko Alm verließ die Oppositionsfraktion hingegen in aller Freundschaft und wird durch eine Oberösterreicherin ersetzt.
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„Künftige Zivilisationen werden auf solche gesellschaftlichen Abartigkeiten mit demselben Unverständnis blicken wie wir auf die Sklaverei“ - mit diesem Facebook-Kommentar zur Adoption durch Homosexuelle war Vavrik für NEOS untragbar geworden. Nicht so für die ÖVP: Statt des vereinbarten Mandatsverzichts verlautbarte der Klubobmann Reinhold Lopatka, dass Vavrik künftig für ihn im Parlament sitzen werde. Man wolle Vavrik „eine zweite Chance“ geben.
„Geschäftsführung in einem Medienprojekt“
Nur wenige Stunden nachdem Vavrik von Lokatka als neues Klubmitglied der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, teilte NEOS einen weiteren Abgang bei ihren Mandataren mit - jedoch im Unterschied zu Vavrik einen freundschaftlichen, wie beide Seiten betonten. Der Medienunternehmer Niko Alm wechselt in die Privatwirtschaft und will „in einem neuen Projekt mitarbeiten“.
Laut NEOS-Chef Matthias Strolz handelt es sich um die „Geschäftsführung in einem Medienprojekt“. Der Ruf der Medienwirtschaft habe ihn ereilt, der neue Job ab April sei mit dem Mandat im Nationalrat unvereinbar, kommentierte Alm. Ihm folgt - bereits bei der nächsten Nationalratssitzung - Karin Doppelbauer, bisher Managerin beim US-Computerhersteller Dell, Biobäuerin sowie Vorstandsmitglied und Mitbegründerin von NEOS.

Grafik: ORF.at; Quelle: parlament.gv.at
Während NEOS auf acht Mandate schrumpft und einen ihrer bekannteren Abgeordneten verliert, legt der ÖVP-Klub nach den Zugängen einiger Abgeordneter aus dem Team Stronach (TS) personell weiter zu - der schwarze Klub zählt nur noch einen Mandatar weniger als jener der SPÖ. Vavrik kehre „in die politische Heimat zurück“, wie er betonte - ein Umstand, der in mehrerlei Hinsicht für Ärger bei NEOS sorgte.
„Menschlich und politisch enttäuscht“
NEOS-Generalsekretär Nikola Donig zeigte sich „menschlich und politisch enttäuscht“. Dass die ÖVP sich heute als „politische Heimat“ für homophobe Äußerungen sehe, sage alles über Stil und Einstellung der handelnden Personen aus. Auch die Kurzfristigkeit spielte beim Ärger über den Überläufer eine Rolle: Die letztliche Entscheidung, zur ÖVP zu wechseln, habe er dem NEOS-Klubchef und -Klubdirektor am Donnerstag „in aller Früh per E-Mail“ mitgeteilt, wie Vavrik selbst erklärte.
Scharfe Kritik an Vavrik erfolgte im Nationalrat. So hielt NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn zum Abschluss seiner Rede zur kalten Progression ein Stück Gartenschlauch in die Höhe und befand: „Das ist dein Rückgrat.“ Der Wechsel zur ÖVP statt eines Zurücklegens des Mandats sei unanständig, so Schellhorn. Auch die Praxis des Einkaufens von Abgeordneten kritisierte er. „Euch wählt sowieso bald keiner mehr“, meinte er Richtung Volkspartei. Kritik kam auch von Alm: Vavrik habe „mit seinen homophoben Äußerungen letztes Jahr den Wertekonsens der NEOS verlassen“. Dass er sein Mandat nicht zurücklege, sei verwerflich. „Den einen ereilt der Ruf eines neuen Jobs, der andere findet keinen mehr und geht zur ÖVP“, ätzte er.
Strolz enttäuscht
Strolz zeigte sich schwer enttäuscht über Vavrik. Dass sich dieser „in ein Konstrukt von Lügen und Täuschungen begibt und alle Vereinbarungen bricht“, hätte er dem Gründungsmitglied nicht zugetraut, erklärte Strolz auf Facebook. Aufgrund seiner Verdienste „auf vielen anderen Flanken“ wollte er ihm jedoch einen Abschied „mit aufrechtem Gang“ ermöglichen. Der Abgang sei eine „große menschliche Enttäuschung“ und Vavrik habe Charakterlosigkeit bewiesen: „Das wird ihn stets begleiten“, so Strolz weiter.
NEOS-Abgeordneter Vavrik wechselt zur ÖVP
Der Wechsel des umstrittenen Nationalratsabgeordneten Christoph Vavrik von NEOS zur ÖVP hat für Aufregung gesorgt.
„Weltoffen und international unterwegs“
Vor Journalisten widersprach Vavrik während seiner Vorstellung in der ÖVP der Darstellung, er hätte mit NEOS ein Zurücklegen seines Mandats vereinbart. „Das kam nie von mir“, so Vavrik. Er habe immer nur gesagt, dass er mit Ende März Klub und Partei verlassen werde. Auch eine Entschuldigung nach den Aussagen Vavriks konnte NEOS nicht umstimmen - als mit den Haltungen von NEOS nicht vereinbar wurde die offen homophobe Entgleisung erachtet.
Die ÖVP sah das am Donnerstag anders: Vavrik sei „wie kaum ein zweiter Abgeordneter weltoffen und international unterwegs“ gewesen, meinte hingegen Lopatka. Gewusst hat Vavrik schon seit einigen Tagen, dass er von Pink zu Schwarz wechselt. Ein Brief an Lopatka, in dem er um Aufnahme in die ÖVP-Fraktion bittet, ist mit 26. März datiert. NEOS erfuhr vom Transfer erst Donnerstagfrüh. Keine Zusicherung konnte Lopatka Vavrik geben, was einen guten Listenplatz bei der kommenden Nationalratswahl angeht.
Lopatkas „Taschenspielertricks“
Bei den anderen Parlamentsparteien rief der Wechsel Unmut hervor. Kritik gab es vor allem an Lopatka: Dessen SPÖ-Pendant Andreas Schieder sprach von einem „moralischen Tiefpunkt in der parlamentarischen Arbeit“. Es sei „bedenklich, wenn Abgeordnete wie am Transfermarkt hin- und herwechseln", kritisierte Schieder sowohl Lopatka als auch Vavrik.
Schieder weiter: Es sei „auffällig, dass bei allen diesen Vorgängen Lopatka seine Hände im Spiel hat“, stellte der SPÖ-Klubchef in einer ersten Reaktion auf den Vavrik-Wechsel fest. Dass dieser nach seinen homophoben Äußerungen sein Mandat nicht zur Verfügung stellt, sei ein „unwürdiges Schauspiel“. Lopatkas „Taschenspielertricks“ und der Machtwille, dem offenbar alles andere untergeordnet werde, schadeten der Glaubwürdigkeit der Politik.
„Bei Lopatka wundert mich nichts mehr“
Ähnlich warf auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig Lopatka Machtspiele vor. Sie fragte sich, warum für Vavrik Platz in der ÖVP sei, „obwohl Homosexualität für ihn offenbar etwas Abartiges ist“. Das zeige einmal mehr, „wie rückwärtsgewandt die gesellschaftspolitischen Einstellungen der ÖVP nach wie vor sind“. „Bei Lopatka wundert mich nichts mehr“, so Glawischnig weiter. Niemand werde glauben, dass dieser eine solche Entscheidung im Vorfeld einer Nationalratswahl im Alleingang treffen kann.
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