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Arbeiten mit der Stararchitektin

Die Architektin Maren Klasing arbeitet im Studio Zaha Hadid Architects als Lead-Designerin. Sie hat bei Zaha Hadid studiert und wurde von dieser in das Londoner Headquarter geholt.

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ORF.at: Zaha Hadid – wie war sie?

Maren Klasing: Charmant, witzig, sehr intelligent und - charismatisch.

ORF.at: Worin bestand ihre persönliche Ausstrahlung?

Klasing: Darin, allem, egal wie banal eine auch Sache war, allem auf ihre Weise Bedeutung zu verleihen, und darin, Leute von einer Idee zu begeistern, sodass man sich als Teil einer wichtigen Sache fühlte. Sie hatte auch sehr viel Humor, lachte über verbockte Dinge, ohne zu verletzen, da sie uns als Mitstreiter ja schätzte, die wir gemeinsam für eine Idee kämpften. Wenn sie gesehen hat, dass alles so nicht funktioniert, wir alle irgendwie nicht weiterkommen und frustriert sind, hat sie mit Humor die Situation gelockert, und wir konnten voller Konzentration weitermachen. Es machte Spaß, mit ihr zu arbeiten.

ORF.at: Wann haben Sie Zaha Hadid das erste Mal gesehen?

Klasing: In Wien, zur Aufnahmeprüfung an der Universität für Angewandte Kunst. Für diese musste man ein Portfolio vorstellen. Überraschend war für mich, wie sie, die berühmte Frau, geduldig zugehört hat, eine halbe Stunde lang, was sich eine 22-Jährige so überlegt hatte, zustimmend reagierte, mich ermutigte. Ich war sofort fasziniert.

ORF.at: Und wurden Sie zum Studium zugelassen?

Klasing: Ja, aber es war mehr als nur Universität, die Klasse Zaha Hadid wurde meine Familie. Tag und Nacht haben wir wie eine WG im Atelierraum verbracht. Zaha nannte es „vertical studio“, wo alle Jahrgänge gemeinsam an einem Projekt arbeiteten, in einem Team mit mindestens drei Personen. Man hat sich gegenseitig geholfen, beeinflusst, so entstand Interessantes, und man kreierte unerwartete Ideen.

ORF.at: Wie kam es zu Ihrem Entschluss, nach London zu gehen, um für Zaha Hadid zu arbeiten?

Klasing: Meine Diplomarbeit hat Zaha sehr gut gefallen, und sie fragte mich, ob ich in ihr Studio kommen will. Ich habe Ja gesagt und wurde Teil einer großen Gemeinschaft.

ORF.at: Sie wurden Lead Designer bei Zaha Hadid Architects - ist das eine Art Chefstrategin?

Klasing: Ja, Zaha war zwar nicht vom ersten Tag an involviert, aber doch ganz früh, zu einem Zeitpunkt, wo erste Vorschläge sich konkretisierten, schematische Entwurfsansätze, Skizzen, Diagramme existierten. Ihr musste das Grundprinzip gefallen, ehe man irgendwas ausformulierte.

ORF.at: Ein wichtiger Teil Ihrer Arbeit waren vor allem Konzepte für Wettbewerbe.

Klasing: Ja, etliche. Etwa für das King Abdullah Petroleum Studies & Research Center in Riad. Das war einer meiner ersten Entwürfe, auf den ich stolz bin, für den ich Autorenschaft beanspruchen kann.

ORF.at: Hadids Schaffen inkludierte auch den Entwurf von Gebrauchsgegenständen. Wie beeinflussen Architektur und Design einander?

Klasing: Architektinnen gehen an so eine Aufgabe, wo optisches Erscheinungsbild und Benutzbarkeit zusammenspielen müssen, anders heran als jemand, der nur die Formgebung eines Produkts macht.

ORF.at: Legendär ist das Moon-System-Sofa.

Klasing: Es wurde kürzlich bei B&B Italia neu auf den Markt gebracht. Bei Established & Sons in London gibt es den Aqua Table, die Nekton-Stühle, die Objekte der Seamless Collection. In Summe machten wir etliches, allerlei Consumer-Products, sogar Sachen wie Homewear. Ich finde die Gestaltung von Konsumgütern reizvoll, es findet alles in einem anderen Maßstab statt, anders als in der Architektur. Dennoch, Möbel sind das Interessanteste, auch sie strukturieren den Raum.

ORF.at: Sie haben auch Schuhe entworfen.

Klasing: Ja, die Nova Shoes für Rem D. Koolhaas, Beteiligter der Schuhfirma United Nude und Neffe des Architekten vom Büro Office for Metropolitan Architecture (OMA). Es sind Modelle auf Basis von A.R.T. Wedge, auf denen man irgendwie dahinstaffelt.

ORF.at: Hatte Zaha Hadid Spaß, sich speziell zu kleiden?

Klasing: Sie liebte Mode und sie wusste, ich kann nähen, dass ich für mich immer wieder Sachen mache, zu Hause an meiner Nähmaschine. Deswegen übernahm ich für Zaha ab und an Änderungsarbeiten, habe für sie irgendwelche Sachen um- und angenäht. Da sie aber nun mal Designerin war, gab es immer auch Details, wo sie meinte: „Ja, das könnte man so und so noch besser machen“.

ORF.at: Zaha Hadid hat Ihnen auch eine sehr private Innenarchitektur-Aufgabe übertragen.

Klasing: Sie wollte ihre kleine Küche umsiedeln, in einen größeren Raum, der tauglich war, mehrere Gäste zu bekochen. Bloß, die einzige Wand, die man nutzen konnte, hatte ein Fenster. Und dessen Position entsprach nicht der typischen Küchenhöhe. Ich suchte eine Lösung, schlug vor, eine raumhohe Küche zu bauen und skizzierte alles in nur wenigen Tagen. Es sah richtig gut aus, man nahm nicht mehr wahr, dass nunmehr dieses Fenster hinter der Küche sitzt. Zaha war angetan – und für mich war es ein Moment des Stolzes: Ich, ich habe die Küche in Zaha Hadids Wohnung geplant.

ORF.at: Und dann der plötzliche Tod ...

Klasing: Das war ein absoluter Schock. Ich habe mit ihr 13 Jahre verbracht, respektive für sie. In diesem Moment wusste ich, das ist jetzt vorbei. Wie auch immer, sie definierte mein Leben, ganz klar und bestimmt. Ich konnte zunächst mit dieser Situation nicht umgehen, es war mir nicht möglich, weiterzumachen wie gehabt. Ich musste das erst mal verdauen, mir eine Auszeit, einen längeren Urlaub nehmen. Ich habe Monate gebraucht.

ORF.at: Was fehlt Ihnen nach Zaha Hadids Tod?

Klasing: Mir fehlt, dass sie dem, was ich tue, nicht ihr Einverständnis geben kann. So wie früher, da wurde alles mit ihr abgesprochen. Zumal ich ja nach wie vor offiziell in ihrem Namen arbeite. Das macht die Sache für mich unkomfortabel. Es ist nicht so, dass ich ihre Bestätigung, ihren Segen grundsätzlich brauche. Ich kann meine eigenen Entscheidungen sehr wohl treffen. Dennoch frage ich mich immer wieder, ob sie mit dem, was ich tue, auch einverstanden wäre. Das würde ich sie oft gerne fragen. Aus Respekt, sie hätte es verdient.