Notbremse bei zentralem Wahlversprechen
Die US-Republikaner haben eine für Freitag angesetzte Abstimmung über den von US-Präsident Donald Trump unterstützten Gesetzesentwurf für eine neue Gesundheitsversorgung mangels Erfolgsaussichten wieder abgeblasen. Das gab die Parteiführung in Washington bekannt.
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Trump soll den Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses, Paul Ryan, zuvor um den Schritt gebeten haben. Die Republikaner hatten bis kurz vor Beginn der für 15.30 Uhr (Ortszeit; 20.30 MEZ) angesetzten Abstimmung nicht annähernd die erforderlichen 215 Stimmen beisammen. Wie Trump später bekanntgab, wurde die Mehrheit um zehn bis 15 Stimmen verfehlt.
Vorausgegangen war ein tagelanger Politkrimi, bei dem Trump persönlich versucht hatte, ausreichend viele parteiinterne Kritiker umzustimmen. Nach Angaben seines Sprechers Sean Spicer hatte er rund 120 Einzelgespräche mit Parlamentariern geführt. Eine Alternative für die bei Republikanern verhasste und als „Obamacare“ bekannte Gesundheitsversorgung von Trumps Amtsvorgänger Barack Obama war eines der zentralen Wahlversprechen des neuen Präsidenten.
Niederlage „enttäuscht“
Der gescheiterte Versuch einer Umsetzung ist für Trump nun eine große Niederlage - handelte es sich Beobachtern zufolge doch um die erste große Bewährungsprobe für die Frage, ob Trump in der Lage ist, schwierige politische Projekte im Parlament durchzusetzen. Während der ersten beiden Monate seiner Regierungszeit hatte er vor allem Dekrete erlassen, die keine parlamentarische Debatte erforderten.
„Drohungen völlig ins Leere gegangen“
Aus Sicht von ORF-Korrespondent Ernst Kernmayer sind Trumps Drohungen „völlig ins Leere gegangen“. Der aus der Wirtschaft kommende „Dealmaker“ Trump sei nun wohl in der politischen Welt angekommen.
Trump reagierte „enttäuscht“ auf die Pleite bei der Gesundheitsreform. Er setze nun darauf, dass das als „Obamacare“ bezeichnete System seines Vorgängers „explodiert“ und am Ende doch noch ein neues Modell eingeführt werden könne. Zugleich machte der Präsident deutlich, dass die Neustrukturierung des Gesundheitswesens für ihn nicht mehr oberste Priorität habe. Er werde sich nun „wahrscheinlich“ der Reform des Steuersystems zuwenden.
„Obamacare“ bleibt „auf absehbare Zeit“ in Kraft
Ein schnelle Aus für das von Trump immer wieder als „totales Desaster“ bezeichnete „Obamacare“ wird es nun jedenfalls nicht geben. Vielmehr müsse man auf absehbare Zeit damit leben, wie Ryan nach dem Rückzieher bei der Gesundheitsreform mitteilte. „Wir waren kurz davor, aber wir haben es nicht ganz geschafft“, so Ryan, der gleichzeitig von einem „enttäuschenden Tag“ sprach.

AP/Cliff Owen
Ryan sagte offenbar auf Bitte von Trump die Abstimmung wieder ab
Die Oppositionschefin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, bezeichnete den Freitag dagegen als „großen Tag für das amerikanische Volk“. Die Demokraten lehnten eine Abschaffung von „Obamacare“ geschlossen ab. „Der Krieg“ gegen die Angriffe der Republikaner auf Amerikas Gesundheitssystem sei aber noch nicht beendet, wie Pelosi via Twitter mitteilte.
Auch Ultimatum blieb ungehört
Der von Trump maßgeblich initiierte und von Ryan eingebrachte Gesetzesentwurf sah im Kontrast zur bisherigen „Obamacare“ vor allem den Verzicht auf eine allgemeine Versicherungspflicht und tendenziell weniger Geld für die US-Bundesstaaten bei der Bezahlung von Medicaid vor, einer Art Grundsicherung für Bedürftige. Direkte Zuwendungen des Staates sollten durch indirekte Steuererleichterungen ersetzt werden. Experten errechneten, innerhalb von zehn Jahren könnten 24 Millionen Amerikaner ihre Krankenversicherung verlieren.
Das in US-Medien bereits als „Trumpcare“ bezeichnete Vorhaben ging erzkonservativen Republikanern allerdings nicht weit genug. Diese wollten vor allem die Versicherungsleistungen noch stärker kürzen, um die Kosten zu drücken. Moderaten Republikanern hingegen ging der Plan dann wieder zu weit, da bei Umsetzung Millionen von US-Bürgern den Verlust ihrer Krankenversicherung gedroht hätte.
Angesichts des anhaltenden Widerstands in den eigenen Reihen wollte Trump am Donnerstag noch mit einem Alles-oder-nichts-Ultimatum die Zustimmung erzwingen. Sollte sein Gesetzesvorhaben demnach nicht am Freitag das US-Abgeordnetenhaus passieren, sei dieses - wie nun auch der Fall - bis auf Weiteres vom Tisch. Wann es einen neuen Anlauf geben wird, ist derzeit ebenso offen wie die Folgen dieses Rückschlags für Trump und die - an sich in beiden Häusern des US-Kongresses über eine Mehrheit verfügenden - Republikaner.
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