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Streit geht in die nächste Runde

Der Kampf für die dritte Start- und Landebahn auf dem Flughafen Wien-Schwechat scheint mit allen möglichen juristischen Mitteln geführt zu werden: Am Donnerstag brachten der Flughafen Wien als betroffenes Unternehmen und das Land Niederösterreich eine außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 2. Februar ein.

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Der Einspruch des Flughafens erfolgte wegen „inhaltlicher Rechtswidrigkeit“ sowie schwerwiegender Verfahrensmängel, erläuterte der Vorstand am Donnerstag. Auch die Entscheidungsgründe seien widersprüchlich. Verfassungsbeschwerde wurde ebenfalls eingelegt, wegen der Verletzung verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte.

Zahlreiche Vorwürfe

„Schwerwiegende rechtliche Bedenken haben die Behörde veranlasst, den Verwaltungsgerichtshof mit dem Antrag anzurufen, die außerordentliche Revision zuzulassen und das erwähnte Erkenntnis zu beheben“, schreibt Josef Muttenthaler, Leiter der Abteilung für Umwelt- und Energierecht beim Amt der NÖ Landesregierung, in einer Aussendung.

Karte von der geplanten dritten Piste am Flughafen Schwechat

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

In ihren Höchstgerichtsbeschwerden gegen den Spruch des Bundesverwaltungsgerichts erheben die Juristen des Airports zahlreiche Vorwürfe, darunter Auslegungsfehler, Verletzung von Verfahrensvorschriften, Widersprüche. Befangenheitsfragen werde man nicht ansprechen, hieß es. Die Stadt Wien will selbst keine Rechtsmittel, jedoch Stellungnahmen einbringen. Die Wiener Grünen betonten, sich nicht daran zu beteiligen - mehr dazu in wien.ORF.at.

„Kämpfen nicht gegen Richter“

Dass zwei der drei zuständigen Richter nach einer Meldung von „Whistleblowern“ sogar mit dem Vorwurf der Befangenheit und des Amtsmissbrauchs angezeigt wurden, wollten die Airport-Chefs indes nicht gern kommentieren. Dem Flughafen sei diese Debatte überhaupt nicht recht.

„Wir haben genügend Argumente gegen das Erkenntnis“, sodass es keiner weiteren Unterstützung bedürfe, sagte Flughafen-Vorstand Günther Ofner. „Wir bekämpfen die gerichtliche Entscheidung, wir bekämpfen nicht die Richter.“

Empörung über Gesetzeslange

Besonders empört sind die Flughafen-Manager, dass das Gericht Klimaschutz oder Bodenverbrauch höher bewertet hat als den Standort und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Ganz überraschend ist das allerdings nicht - schließlich fand schon vor geraumer Zeit der „umfassende Umweltschutz“ Raum in der Verfassung.

Schon vergangene Woche forderte der ÖAAB eine Gesetzesänderung. Die Schaffung von Arbeitsplätzen muss bei der Beurteilung eines Projekts ein höheres Gewicht haben als der Klimaschutz, forderte der Obmann des ÖAAB, August Wöginger - mehr dazu in noe.ORF.at.

Mitterlehner mit Verfassungsvorstoß

Zuletzt forderte auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) gesetzliche Maßnahmen, um solche Entscheidungen in Zukunft zu verhindern. Er will in der Verfassung nun ein „öffentliches Interesse“ als vorrangig festschreiben und dabei auch insgesamt Großprojekte beschleunigen. Dazu soll es eine „Staatszielbestimmung“ geben. Die dritte Piste sei der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebrachte habe, begründete er im Ö1-Mittagsjournal, warum der Vorschlag jetzt komme.

Es müsse „eine vernünftige Balance“ zwischen Umweltschutz und Standortinteressen geben. „Niemand hat etwas davon, wenn wir ein Vorzeigeumweltstandort sind, aber keine Arbeitsplätze haben.“ Etwa acht Großprojekte in Österreich würden ständig mit neuen Einwänden im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung verschoben, kritisierte der Vizekanzler.

Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) will über den Vorschlag sprechen, forderte aber vor allem schnellere Rechtssicherheit bei Verfahren von Großprojekten. Der grüne Verfassungssprecher Albert Steinhauser sagte, der Vorschlag Mitterlehners sei „nicht durchdacht“. Denn öffentliches Interesse sei schon die Abwägung von Vor- und Nachteilen, es mache also keinen Sinn, das öffentliche Interesse an sich in die Verfassung zu schreiben. Es sei das Wesen des Rechtsstaats, diese Abwägung vorzunehmen. Wenn es im Einzelfall Zielkonflikte gebe, müsse man diese ausdiskutieren. Wenn man nun das Interesse an Jobs gegen das Interesse an der Umwelt stelle, dann „wirft uns das in die 1980er Jahre zurück“, so Steinhauser.

Verfassungsabsicherung sinnvoll?

Eine Absicherung des Wirtschaftsstandortes in der Verfassung würde für sich genommen wenig ändern, meint Ökobüro-Geschäftsführer Thomas Alge. Er sieht vor allem eine „symbolische Maßnahme“. „An sich ist es der Standard in allen Umweltverfahren, dass immer das öffentliche Interesse am Wirtschaftsstandort mitberücksichtigt wird“, sagt der Jurist.

Der Chef des Verfassungsdienstes im Kanzleramt, Gerhard Hesse, geht sehr wohl davon aus, dass eine Staatszielbestimmung zur Verankerung des Wirtschaftsstandortes in der Verfassung einen Unterschied machen würde. „Wenn das Verfassungsgesetz eine Wertung vorgibt, ist diese Wertung maßgeblich“, betont Hesse. Die genaue Wirkung würde aber natürlich von der konkreten Formulierung abhängen. Er betont, dass für den Fall der dritten Start- und Landebahn am Flughafen Wien eine Änderung des UVP- und des Luftfahrtgesetzes bedeutender sind.

Umweltgruppen verteidigen BVwG

Umweltgruppen verteidigen vehement die Entscheidung des BVwG. Eine eigene „Protestaktion gegen die außerordentliche Revision des Flughafens“ schreibt unter dem Motto „System Change, not Climate Change“ unter anderem, „das öffentliche Interesse am Schutz vor den Folgen des Klimawandels muss ernst genommen und weiterhin höher gewertet werden als kurzsichtige Profitinteressen“. Die Umweltgruppe Virus meint: „Fortgesetzte Panikmache unter Zuhilfenahme von Worthülsen wie ‚Wirtschaftsstandort, Arbeitsplätze und Wachstum‘ als Totschlagargument“ seien nicht hilfreich.

Lange Verzögerung

Läuft es nach den Höchstgerichtsbeschwerden und im Instanzenzug im Sinn des Flughafens und das Urteil zum Baustopp wird aufgehoben, wird sich der Pistenbau trotzdem jahrelang verzögern. Die Rede ist derzeit von mindestens vier bis fünf Jahren. Für eine Inbetriebnahme würde es dann „mindestens“ 2030.

Und auch Gesetzes- oder gar Verfassungsänderungen dürften im konkreten Fall für nicht wirklich für eine Beschleunigung des Bauvorhabens sorgen.

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