Themenüberblick

Es ist nicht leicht, Migrant zu spielen

Die Nöte einsamer Bergbauern in Südtirol oder von Möchtegern-Migranten in Wien, von Jugendlichen in der niederösterreichichen Provinz oder auch die eines kleinen Buben in Salzburg, dessen Bezugspersonen alle an der Nadel hängen - die thematische Bandbreite der Spielfilmpremieren der „Diagonale“ ist auch 2017 vielfältig.

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Bei Adrian zu Hause in der Salzburger Erdgeschoßwohnung sind die Fenster in der Regel mit bunten Tüchern abgehängt. Der Siebenjährige muss miterleben, wenn Mutter Helga sich wieder einmal einen Schuss setzt und ihre Freunde auf Sofas und Matratzen rundum, ebenso high wie sie, dabei von Freiheit und Glück schwadronieren. Adrian schaut mit großen Augen auf seine heroinabhängige Mutter und deren Drogenbekanntschaften, darunter „der Grieche“, der gern über den Balkon in die Wohnung klettert und nichts Gutes bringt - außer neuen Stoff.

Die Drogensucht der Mutter als Spielfilm

Inszeniert hat „Die beste aller Welten“ Adrian Goiginger, ebenjener Adrian, der die jahrelange Drogensucht seiner Mutter als Kind mit angesehen hat. Goiginger studiert mittlerweile an der Filmakademie Baden-Württemberg und hat mit „Die beste aller Welten“ eine atmosphärisch dichte Geschichte über seine eigene Kindheit geschrieben und gedreht. Jeremy Miliker spielt Adrian in einer hinreißenden Mischung aus Liebe für die eigene Mutter (Verena Altenberger), Befremdung vor der drogenverseuchten Welt der Erwachsenen und Komplizenschaft für seine Umgebung. Denn immer wenn der Sozialarbeiter kommt, muss auch Adrian gute Miene machen.

Angesiedelt im Wiener Bobo-Milieu ist Arman T. Riahis „Anti-Integrationskomödie“ (Riahi) „Die Migrantigen“. Marko und Benny (Faris Rahoma, Aleksandar Petrovic) sind darin zwei abgebrannte, voll integrierte Bobos mit Migrationshintergrund, die eines schönen Tages von einer TV-Reporterin (auf den Punkt gespielt von Doris Schretzmayer) aufgefordert werden, doch mal zu beschreiben, wie arg es nun wirklich ist in ihrem Grätzel namens Rudolfsgrund.

Filmhinweis:

„Die beste aller Welten“ läuft auf der Diagonale am 30. März um 18.30 Uhr im KIZ Royal und am 1. April um 14.00 Uhr im UCI Annenhof

„Die Migrantigen“ läuft am 31. März um 21.00 Uhr im KIZ Royal und am 2. April um 11.30 Uhr im UCI Annenhof

„Siebzehn“ läuft auf der Diagonale am 29. März um 20.00 Uhr im UCI Annenhof und am 1. April um 16.00 Uhr im KIZ Royal

„Die Einsiedler“ läuft auf der Diagonale am 29. März um 21.00 Uhr im KIZ Royal

Wie benimmt sich ein echter Migrant?

Die beiden wittern viel Geld, wenn sie jetzt so tun, als seien sie mindestens Zuhälter, Wettprofis und jedenfalls Kleingangster - bloß wissen sie gar nicht, wie man sich da authentisch verhält. Daher soll nun Juwel, ein vermeintlich echt harter Typ mit Migrationshintergrund, ihnen den nötigen Slang beibringen. Und nicht nur das: Leben in der sozialen Hängematte und dabei auch noch BMW fahren! Wie geht denn das? Street-Credibility ist gefragt, das schließlich will die Frau vom TV, die es möglichst tough haben will, damit es aufwärts geht mit der Quote - und der Karriere.

„Die Migrantigen“ ist ein über weite Strecken sehr gelungenes Stück Kino, mit allerhand Situationskomik, immerhin einer guten Prise politischer Inkorrektheit und sehenswerten Gastauftritten von Josef Hader und Dirk Stermann.

„Siebzehn“: Lieben und Leben in Lanzenkirchen

Monja Art hat kürzlich für ihren Film „Siebzehn“ in Saarbrücken den Hauptpreis beim Max-Ophüls-Preis bekommen, ihre Hauptdarstellerin Elisabeth Wabitsch bekam den Preis als beste Nachwuchsdarstellerin. „Siebzehn“ schildert Jugendjahre in der niederösterreichischen Provinz, Lieben und Leben zwischen Wiener Neustadt und Lanzenkirchen. Von dort kommt Monja Art selber her und weiß, wovon sie erzählt in ihrem Spielfilmdebüt: „Ich habe ein großes Faible für schwierige Liebeskonstellationen“, so die Regisseurin, „für unerfüllte und auch unmögliche Liebe und ganz besonders für Sehnsucht. Ich mag diese verpassten Möglichkeiten, diese Beinahelieben. Ich mag den Herzschmerz womöglich lieber als das reine Glück.“

Bergbauer sucht Frau

„Die Einsiedler“ ist eine italienisch-deutsch-österreichische Koproduktion, die es vielleicht aufgrund der Vielzahl der Fördergeber nur zu einer plakativen Konfrontation zwischen der einsamen Südtiroler Bergwelt und der Stadt im Tal gebracht hat. Albert (Andreas Lust, der sich in der Rolle des Bergbauernsohns nicht so ganz wohlzufühlen scheint) ist einsam. Seine Mutter ist hart und wortkarg, der Vater kürzlich gestorben. Albert möchte den Hof behalten, doch eine Frau so wie die ungarische Kantinenangestellte, die unten in der Stadt arbeitet, möchte er schon haben.

Der Bozener Regisseur Ronny Trocker versucht, grandiose Naturaufnahmen, abweisende Bergwelten, Psychologie und Vorurteile in seinen Film unterzubringen - streckenweise ein allzu ambitioniertes Unterfangen.

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