Abendfüllende Dokus bilden einen publikumswirksamen Schwerpunkt der Diagonale. Uraufgeführt wird etwa Filip Antoni Malinowskis „Guardians of the Earth“, ein spannender Blick hinter die Kulissen eines Klimagipfels. Ehrenvoll aufklärerisch ist Gerald Igor Hauzenbergers Aufarbeitung des Hypo-Skandals: „Hypotopia - Die Suche nach Verantwortung“. Und es berührt der Abschied von Michael Glawogger.
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Mit „Untitled“ stimmen sich die Diagonale-Besucher auf die kommenden Tage hochkarätiger Spiel- und Dokumentarfilme ein. Michael Glawogger kann die Ehre, das Festival zu eröffnen, nicht mehr erleben. Er starb während der Dreharbeiten für „Untitled“, einen filmischen Reiseessay, im westafrikanischen Liberia an Malaria. Seine Cutterin hat das, was Glawogger mit seinem kleinen Team bereits gedreht hatte, zu „Untitled“ montiert. Herausgekommen ist eine düstere, eindrucksvolle Bilderfolge über den menschlichen - und tierischen - Existenzkampf, wo immer ihn Glawogger auch angetroffen hat: in Sierra Leone ebenso wie in Albanien, in Marokko oder in Serbien.
Glawogger und sein Kameramann Attila Boa finden überwältigende Bilder und Zugänge zu den Menschen, die sie auf ihrer Reise treffen. Ob Cutterin Monika Willi mit ihrer Montage den Ton Glawoggers gefunden hat, ist unklar. Dennoch gebührt ihr die Ehre, das Material für die große Leinwand zu einem eigenständigen Werk aufgearbeitet zu haben. So rückt der viel zu früh verstorbene Michael Glawogger, in Graz gebürtig, noch einmal in den Mittelpunkt des Festivals, auch wenn „Untitled“ bereits bei der Berlinale uraufgeführt wurde.
Nach dem Klimagipfel ist vor dem Klimagipfel
Viel Aufmerksamkeit verdient auch die deutsch-österreichische Koproduktion „Guardians of the Earth“. Filip Antoni Malinowski (auf der Diagonale 2013 war sein stimmungsvoller Erstling über seine polnischen Großeltern, „Maria muss packen“, zu sehen), wirft in seinem neuen Film einen Blick hinter die Kulissen des Klimagipfels in Paris.
Filmhinweise
„Untitled“ läuft auf der Diagonale am 28. März um 21.00 Uhr im UCI Annenhof und am 1. April um 13.30 Uhr im KIZ Royal
„Free Lunch Society - Komm Komm Grundeinkommen“ läuft auf der Diagonale am 31. März um 15.00 Uhr im UCI Annenhof und am 2. April um 11.15 Uhr im Schubertkino
Was ein trockenes filmisches Konferenzprotokoll hätte werden können, verwandelt Malinowski in einen spannenden Wettlauf gegen die Zeit. Die Zeit nämlich, innerhalb der sich alle 195 UNO-Mitgliedsstaaten auf einen hart zu erringenden Kompromiss geeinigt haben müssen, um die Klimaerwärmung zu begrenzen. Malinowski hängt seinen Film an der Person des UNO-Repräsentanten aus Bangladesch auf, für den der Pariser Klimagipfel bereits der 21. ist. Entsprechend desillusioniert tritt der Mann seinen Kampf auch noch als Vertreter der „Least developed countries“ an.
Die Tränen der Verantwortlichen
Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, und weil Christiana Figueres, die Generalsekretärin der UNO-Klimakonvention, sich als eine persönlich betroffene und engagierte Klimaschützerin erweist, könnte der „COP 21“, der 21. Klimagipfel in Paris, unter Umständen wirklich einen Durchbruch bringen. Malinowski, der in Polen geborene, seit Langem in Wien lebende Filmemacher, hat mit „Guardians of the Earth“ bewiesen, dass auch eine Konferenz Stoff für eine Doku sein kann. Und sei es nur, weil er es geschafft hat, Figueres in einem Interview ein paar Tränen abzuringen.
Die Chefs empfehlen
Die beiden Diagonale-Leiter Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger geben persönliche Empfehlungen für Diagonale-Filme ab, die demnächst in die Kinos kommen.
Eher glatt in der Machart kommt hingegen „Free Lunch Society - Komm Komm Grundeinkommen“ daher. Filmemacher und Volkswirt Christian Tod entwirft darin ein Plädoyer für eine Idee, die in der Geschichte immer wieder Aufwind bekam: das bedingungslose Grundeinkommen, für Tod durchaus finanzierbar und wünschenswert. In einer ausufernden Reise und mit Anleihen aus Science-Fiction-Filmen geht Tod sein Thema (das auch schon das seiner Dissertation war) an, doch gelingt es ihm nicht, zu einer eigenständigen filmischen Handschrift zu kommen.
19 Milliarden Euro zur Bankenrettung
Der oberösterreichische Dokumentarist Gerald Igor Hauzenberger, der bereits verdienstvoll den Wiener Neustädter Tierschützerprozess filmisch begleitet hatte („Der Prozess“) und dafür unter anderem mit dem Österreichischen Filmpreis 2013 ausgezeichnet wurde, ist heuer mit „Hypotopia - Die Suche nach Verantwortung“ im Programm. 19 Milliarden Euro hat die Rettung der Kärntner Bank Hypo Alpe-Adria den Steuerzahler gekostet. Wie ist es zu diesem größten österreichischen Finanzskandal der Nachkriegsgeschichte gekommen?
Hauzenberger zeichnet in diesem vom ORF koproduzierten Film die Arbeit des zwanzig Monate dauernden Untersuchungsausschusses nach - und fragt, welche Akteure aus Politik und Wirtschaft überhaupt bereit sind, Verantwortung für diesen Skandal zu übernehmen. Und welche Geisteshaltung dahintersteckt, dass es überhaupt so weit kommen konnte. Ein mehr als lohnendes Unterfangen.
Die Diagonale kann es natürlich auch besser gelaunt. So sind etwa viele vergessene und verlorene Filmschätze aus den ORF- und Filmarchiven, kuratiert von Paul Poet und Robert Rotifer zum Pop-Schwerpunkt des Festivals, zu sehen. Hansi Lang, Rainhard Fendrich und Chuzpe sind die Protagonisten der Schau - mehr dazu in fm4.ORF.at.