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„Überwältigender Moment“

Der frühere EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ist mit einem Traumergebnis zum neuen Vorsitzenden der Sozialdemokraten in Deutschland gewählt worden: Die Delegierten auf dem SPD-Sonderparteitag in Berlin kürten Schulz am Sonntag einstimmig zum Parteichef.

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Bei den 605 von 605 möglichen und damit 100 Prozent der Stimmen handelt es sich um das beste Ergebnis der Nachkriegszeit. Schulz, der anschließend per Akklamation auch offiziell zum SPD-Kanzlerkandidaten gekürt wurde, sprach im Anschluss von einem „überwältigenden Moment für mich und für uns alle“. Er glaube zudem, „dass dieses Ergebnis der Auftakt zur Eroberung des Kanzleramtes ist, und deshalb nehme ich die Wahl an“.

Redner Martin Schulz am SPD-Partteitag

APA/AP/Markus Schreiber

Schulz wandte sich vor seiner Kür zum neuen Parteichef in einer kämpferischen Rede an die Delegierten

Der 61-jährige Schulz, der seinen Wechsel in die deutsche Innenpolitik im November ankündigte, wurde im Jänner vom SPD-Vorstand zum Kanzlerkandidaten nominiert, nachdem der bisherige Parteichef Sigmar Gabriel verzichtet hatte. Seitdem haben sich die Umfragewerte der Partei deutlich verbessert. Vielfach sehen die Meinungsforscher die lange abgeschlagenen Sozialdemokraten mittlerweile wieder auf Augenhöhe mit der Union auf über 30 Prozent.

Schlagworte Gerechtigkeit und Respekt

Ihr Programm für die am 24. September anstehende Bundestagswahl will die SPD zwar erst im Juli beschließen - mit Gerechtigkeit, Respekt und Würde stehen aber bereits jetzt die Leitmotive fest, mit denen Schulz das Berliner Kanzleramt erobern will. In seiner kämpferischen Bewerbungsrede versprach er am Sonntag etwa mehr Lohngerechtigkeit, gebührenfreie Bildung, aber auch ein hartes Vorgehen gegen Alltagskriminalität. Er bitte um Vertrauen: „Nicht nur heute, sondern ab heute, solange ich dieses Amt ausübe“, sagte Schulz.

Für die SPD stellte Schulz schließlich auch den Anspruch, als stärkste Kraft aus der anstehenden Bundestagswahl hervorzugehen. Das Thema Koalitionsoptionen wurde von Schulz dabei ausgespart, die politischen Gegner rief er aber zu einer fairen Auseinandersetzung auf: „Mit mir wird es keine Herabwürdigung des politischen Wettbewerbs geben. Wenn andere einen anderen Weg wählen, wird es am Ende die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler sein, darüber ein Urteil zu fällen.“

„Die SPD ist wieder da“

Unter der Führung von Martin Schulz will die SPD die Ära von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beenden. Schulz unterstrich beim SPD-Sonderparteitag dieses Vorhaben und zeigte sich überzeugt: „Die SPD ist wieder da.“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erwähnte Schulz in seiner Rede rund 75-minütigen Rede nicht ein einziges Mal. Als „alten Wahlkampfschlager“ und „Wahlgeschenkprogramm der CDU/CSU“ kanzelte er unter anderem aber die von der Union in Aussicht gestellten Steuersenkungen ab.

AfD als „Schande für die Bundesrepublik“

Mit scharfen Worten wandte sich Schulz dann gegen Rechtspopulisten. Die AfD bezeichnete er dabei als „Schande für die Bundesrepublik“. Auch US-Präsident Donald Trump warf er vor, das „Rad der Freiheit“ zurückzudrehen. Den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan warnte er davor, mit Nazi-Vergleichen Menschen in Deutschland gegeneinander aufzuhetzen. Zudem versprach Schulz, dass es mit ihm „kein Schlechtreden Europas geben“ werde.

Gabriel gegen Fortsetzung von Großer Koalition

Gabriel verabschiedete sich von den Delegierten unterdessen mit Wehmut, aber auch mit Zuversicht. „Es dürfte der fröhlichste und optimistischste Übergang zu einem neuen Parteivorsitz sein, den unsere Partei so in den letzten Jahrzehnten erlebt hat“, sagte der 57-Jährige. Er sprach sich klar gegen eine Fortsetzung der Großen Koalition nach der Bundestagswahl aus. „Jetzt wollen die Menschen einen neuen Aufbruch.“

Gabriel zufolge ist dieser Aufbruch nur mit Schulz an der Parteispitze möglich. Schulz lobte indes Gabriels Entscheidung, ihm Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur zu überlassen, als „große menschliche Leistung“ und kündigte gleichzeitig an, dass Gabriel etwa im anlaufenden Wahlkampf weiterhin eine wichtige Rolle für die Partei spielen werde.

Merkel: „Wettbewerb belebt das Geschäft“

Merkel zeigte sich bisher betont gelassen angesichts der unter Schulz im Aufwind befindlichen SPD. „Wettbewerb belebt das Geschäft“, sie sei nicht nervös, sagte die CDU-Chefin zuletzt etwa gegenüber der "Saarbrücker Zeitung“. Für sie sei zudem immer klar gewesen, dass die SPD bei ihren „sehr mäßigen“ Umfragewerten noch Luft nach oben habe.

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