Konzern und Privatwohnungen durchsucht
Kurz bevor der Audi-Vorstand um Rupert Stadler am Mittwoch den Geschäftsverlauf 2016 und den neuen Kurs nach der Dieselaffäre erläutern wollte, sind bei der VW-Tochter die Ermittler angerückt. Die Staatsanwaltschaft München II durchsuchte die Büroräume in der Zentrale in Ingolstadt und dem Werk Neckarsulm sowie sieben weiteren Standorten. Auch die VW-Zentrale in Wolfsburg wurde durchsucht.
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Seit den Morgenstunden waren etwa 100 Staatsanwälte und Polizeibeamte im Einsatz, die elektronische Daten und Unterlagen mitnahmen. Der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“) zufolge wurden auch Privatwohnungen durchsucht. Dabei sei Stadlers Wohnung nicht betroffen gewesen: „Ich habe noch keinen Besuch gesehen“, sagte der Audi-Chef.
„Verdacht der Manipulation“
Die Staatsanwaltschaft München II begründete ihre Razzien mit einem Betrugsverdacht im Dieselskandal begründet. Derzeit gebe es aber noch keine konkreten Beschuldigten, es werde gegen unbekannt ermittelt. Außerdem werde geprüft, ob Audi in Zusammenhang mit dem Verkauf von rund 80.000 Autos, die mit von Audi entwickelten V6-3,0-Liter-Dieselmotoren ausgestattet sind, in den USA zwischen 2009 und 2015 „strafbare Werbung“ betrieben habe.

APA/dpa/Armin Weigel
Ermittler vor der Audi-Zentrale in Ingolstadt
„Es besteht der Verdacht, dass in diese Kraftfahrzeuge technische Vorrichtungen zur Manipulation von Abgaswerten eingebaut wurden, um die US-amerikanischen Abgasgrenzwerte einzuhalten, und die Käufer diesbezüglich nicht informiert wurden“, hieß es.
„Wir kooperieren vollumfänglich“
Absatzgeschäfte auf dem europäischen Markt seien nicht Gegenstand der Ermittlungen, da laut den bisher vorliegenden Auskünften des Kraftfahrt-Bundesamtes insoweit eine unzulässige Beeinflussung von Abgaswerten nicht festgestellt werden könne. Mit den Durchsuchungen solle insbesondere geklärt werden, wer „an der Verwendung der maßgeblichen Technik“ und gegebenenfalls „an unrichtigen Angaben gegenüber Dritten beteiligt“ gewesen sei, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit.
„Wir kooperieren vollumfänglich mit den Behörden, da wir selbst großes Interesse an der Aufklärung des Sachverhalts haben“, sagte ein Audi-Sprecher. Audi-Chef Rupert Stadler sagte auf der Jahrespressekonferenz: „Der Weg des Aufarbeitens ist noch lange nicht abgeschlossen.“ Er versicherte: „Wir bleiben dran.“ Das ganze Unternehmen leide darunter, „wie uns das Thema Diesel in Misskredit gebracht hat“. Stadler unterstrich, er selbst habe „größtes Interesse an der Aufklärung des Sachverhalts“.
Razzien während Bilanzpressekonferenz
Den Zeitpunkt der Razzien - direkt vor Beginn der wichtigsten Pressekonferenz des Jahres, zu der Journalisten aus aller Welt anreisten - kommentierte Stadler nicht. Die „SZ“ berichtete unter Berufung auf Informationen aus Justizkreisen, die Ermittler hätten erst Anfang der Woche von dem Termin der Jahrespressekonferenz erfahren. Zu diesem Zeitpunkt seien die Vorbereitungen für die Durchsuchungen an neun Orten in drei Bundesländern aber schon abgeschlossen gewesen. Eine Verlegung der Aktionen sei nicht mehr möglich gewesen.

APA/AP/Matthias Schrader
Audi-Chef Rupert Stadler wollte lieber über Zahlen sprechen als über Razzien
„Trotz der Tagesaktualität würde ich mir wünschen, dass wir uns auf das abgeschlossene Geschäftsjahr konzentrieren“, sagte Stadler. Auch auf Fragen nach personellen Konsequenzen bei Audi aus dem Dieselskandal wollte er nicht näher eingehen. Stadler verwies darauf, dass zwei Entwicklungschefs gehen mussten sowie Mitarbeiter auf unteren Ebenen. Zu seiner Person habe der Aufsichtsrat „eine klare Aussage“ gemacht. Das Kontrollgremium hatte Stadler Ende Februar öffentlich den Rücken gestärkt, nachdem der langjährige Audi-Chef seit Bekanntwerden der Dieselaffäre immer stärker unter Druck geraten war.
Gewinn eingebrochen
Im vergangenen Jahr musste Audi erneut viel Geld zurücklegen: Gut 1,6 Mrd. Euro waren es allein für die Folgen des Dieselskandals, hinzu kamen weitere 162 Mio. Euro in Zusammenhang mit womöglich fehlerhaften Airbags des japanischen Herstellers Takata. Das operative Ergebnis sackte 2016 in der Folge um 37 Prozent auf rund drei Mrd. Euro ab.
Unterm Strich brach der Gewinn um mehr als die Hälfte ein auf knapp 2,1 Mrd. Euro. Der Umsatz legte dank eines Absatzrekords von 1,87 Millionen verkauften Autos um 1,5 Prozent auf 59,3 Mrd. Euro zu. Die operative Rendite fiel auf 5,1 (Vorjahr: 8,3) Prozent und lag damit weit unter den Werten der Konkurrenten Mercedes und BMW.
Weniger Autos verkauft
Weiter zu schaffen macht Audi der Streit mit Autohändlern in China - allerdings nicht mehr so stark wie im Jänner. Jeder dritte Audi geht nach China. Im Februar verkaufte die VW-Tochter auf dem wichtigsten Markt um 5,8 Prozent weniger als vor einem Jahr. Weltweit sanken die Auslieferungen deshalb um 1,1 Prozent auf 125.100 Fahrzeuge.
Für das Gesamtjahr stellte Audi-Finanzvorstand Axel Strobek aber einen neuen Bestwert bei den Auslieferungen in Aussicht. Dazu soll auch die Markteinführung des neuen Flaggschiffs A8 beitragen. Der Umsatz soll leicht steigen, die Umsatzrendite über acht Prozent bleiben. Der Dieselskandal werde die Bilanz allerdings weiterhin belasten.
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