Ankara sieht Anfang vom Ende Europas
Im Tonfall höflich, in der Sache hart haben am Montag zum Thema Türkei die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der für die EU-Erweiterung zuständige Kommissar Johannes Hahn reagiert. Es gelte, „Eskalation zu vermeiden und Wege zur Beruhigung der Lage zu finden“, hieß es in der gemeinsamen Erklärung. Zugleich wurde der EU-Beitritt der Türkei infrage gestellt.
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Drei Absätze lang betonte das offizielle Statement - nach tagelanger Zurückhaltung im Konflikt um Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder in EU-Staaten - Verständnis für die Lage der Türkei nach dem Putschversuch im Sommer und angesichts terroristischer Bedrohungen. Auch auf die „Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen“ wurde verwiesen und die Souveränität der Türkei betont. Im vierten Absatz folgte das „allerdings“.
Erinnerungen an Pflichten auch als Beitrittsland
„Allerdings“ habe man „ernsthafte Bedenken“ zum geplanten Verfassungsreferendum, heißt es in dem Statement. Dieses könne die „exzessive Konzentration von Macht in einem Amt“ bringen und „Auswirkungen“ auf staatliche Kontrollmechanismen und die Unabhängigkeit der Justiz haben. Zudem werde das Referendum abgehalten, obwohl zugleich weiterhin der Ausnahmezustand verhängt sei.

APA/AFP/Bertrand Guay
Mogherini und Hahn
Sollte das Referendum tatsächlich zugunsten von Präsident Recep Tayyip Erdogan ausfallen und entsprechende Schritte der „praktischen Umsetzung“ erfolgen, werde das „im Licht der Verpflichtungen der Türkei als EU-Beitrittsland und als Mitglied des Europarats bewertet“ werden, unterstreichen Mogherini und Hahn. Entscheidungen im Hinblick auf „Versammlungen und Kundgebungen“ seien wiederum allein Sache der Mitgliedsstaaten.
Indirekt bezieht die EU-Erklärung zum Konflikt um propagandistische Auftritte von türkischen Ministern Stellung, indem „exzessive Aussagen und Handlungen“ abgelehnt werden, die die „Situation nur verkomplizieren“. Probleme könnten nur durch „offene und direkte Kommunikationskanäle“ gelöst werden, heißt es offenbar unter Anspielung auf die diplomatische Eiszeit insbesondere zwischen den Niederlanden und der Türkei.
EU-Erklärung für Türkei „wertlos“
In einer Reaktion von Dienstag bezeichnete die Türkei die Erklärung der EU als „wertlos“. „Die kurzsichtige Erklärung der EU hat für unser Land keinen Wert“, teilte das türkische Außenministerium mit. Bereits unmittelbar nach Veröffentlichung der EU-Erklärung hatte die türkische Nachrichtenagentur Anadolou den türkischen EU-Minister Ömer Celik mit der „Anregung“ zitiert, das EU-Flüchtlingsabkommen zu überdenken: Jener Teil des Abkommens, der sich mit dem Landweg beschäftigt, solle revidiert werden. Derzeit werden Flüchtlinge daran gehindert, über die griechisch-türkische Grenze zu Fuß auf EU-Boden zu kommen.
Zuvor hatte Celik bekräftigt, es werde „sicherlich“ Sanktionen gegen die Niederlande geben, denen er „neofaschistischer Praktiken“ vorwarf. Justizminister Bekir Bozdag kündigte an, man werde alles gegen die Niederlande tun, was das internationale Recht erlaube. Vizeregierungschef Nurettin Canikli sagte, man könne den Anfang vom „Zusammenbruch Europas“ beobachten. Erdogan hatte die Niederlande Nazis, Faschisten und „Bananenrepublik“ genannt.
Stoltenberg sorgt sich um NATO-Zusammenhalt
Innerhalb der NATO sollten alle beteiligten Länder zusammenarbeiten. Jens Stoltenberg, Generalsekretär des Bündnisses, verlieh am Montag seinerseits der Sorge um die Einheit des Bündnisses Ausdruck. „Ich ermutige alle Alliierten, gegenseitig Respekt zu zeigen, ruhig zu bleiben und eine abgewogene Herangehensweise zu wählen“, sagte Stoltenberg. Er forderte beide Seiten auf, „sich auf alles zu konzentrieren, was uns eint“. Dazu gehörten Bedrohungen, denen sich die NATO entgegenstelle.
Stoltenberg verwies dabei auch auf den NATO-Einsatz in der Türkei, zu dem auch die Stationierung von EU-Streitkräften und Flugzeugen auf der türkischen Armeebasis in Incirlik gehören. „Die NATO-Präsenz in der Türkei ist gut für die Türkei, aber auch gut für Europa und den Rest der Allianz“, sagte er. Sie diene dazu, die Türkei vor einem Übergreifen der Gewalt aus Syrien und dem Irak zu schützen und helfe gleichzeitig der internationalen Koalition im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).
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