Viele Erdogan-Stammwähler in Österreich
Eigentlich fallen sie als Wählergruppe nicht ins Gewicht. Nur ein Zwanzigstel der türkischen Wahlberechtigten lebt im Ausland, und ihre Teilnahmebereitschaft ist unterdurchschnittlich. Beim umstrittenen Verfassungsreferendum am 16. April könnten sie allerdings das Zünglein an der Waage sein.
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Auslandstürken sind überwiegend besonders treue Anhänger von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der für den geplanten Umbau des Staates hin zu einem Präsidentialstaat die absolute Mehrheit bei der Abstimmung braucht. Gerade die Mobilisierung jener in der EU lebenden Bürger mit türkischem Pass, die etwa nicht an Wahlen teilnehmen, könnte Erdogan beim Überspringen der Mehrheit helfen.
Auslandsstimmen gaben AKP Auftrieb
Drei Viertel der 2,9 Millionen wahlberechtigten Auslandstürken lebt in fünf europäischen Ländern: Deutschland, Frankreich, Niederlande, Belgien und Österreich. Bei der Parlamentswahl im November 2015 schnitt die Erdogan-Partei AKP in diesen fünf Ländern deutlich besser ab als in der Türkei selbst. Die besten Ergebnisse wurden in den Niederlanden (69,7 Prozent), Belgien (69,4 Prozent) und Österreich (69 Prozent) verbucht.
Auch in Deutschland kam die AKP immer noch auf 59,7 Prozent, in Frankreich auf 58,4 Prozent. Im Durchschnitt 55,8 Prozent der 1,16 Millionen Auslandsstimmen entfielen auf die AKP. Das starke Ergebnis in den „Gastarbeiterländern“ ist dafür verantwortlich, dass die Erdogan-Partei bei den Auslandstürken auch insgesamt deutlich besser abschnitt als im Mutterland. Insgesamt lag die AKP bei der Wahl bei 49,5 Prozent.
Wählermobilisierung durch Eskalation?
Beim Verfassungsreferendum sind die Auslandsstimmen von besonderer Bedeutung. Selbst innerhalb der AKP ist der von Erdogan betriebene Umbau des Regierungssystems in ein Präsidialregime umstritten. Sie kontrolliert zwar seit dem Jahr 2003 das politische Leben in der Türkei, blieb bei Wahlen aber fast immer unter der 50-Prozent-Marke. Erdogan selbst schaffte bei der Präsidentenwahl im Jahr 2014 nur eine knappe absolute Mehrheit.
Weil Experten einen knappen Ausgang des Verfassungsreferendums erwarten, ist die Mobilisierung der Auslandstürken für die konservative Regierung in Ankara besonders wichtig. Diesbezüglich sieht Ankara noch Potenzial. Nach Meinung zumindest mancher Beobachter nützen Ankara dabei Auftrittsverbote für türkische Politiker mehr als deren Reden, da sie zu einer Wählermobilisierung aus Motiven abseits von Sypathien für die AKP führen könnten.
Nicht alle Auslandstürken lieben Erdogan
Stimmverhalten und Wählerbeteiligung von Auslandstürken unterscheiden sich dabei je nach Land zum Teil deutlich. In Deutschland nahmen an der letzten Parlamentswahl nur knapp 41 Prozent der 1,4 Millionen Wahlberechtigten teil, in Österreich waren es 40,6 Prozent von 107.880, in Belgien 42,1 Prozent von 133.315. Etwas höher war die Beteiligung in den Niederlanden (46,7 Prozent von 245.523 Wahlberechtigten) und Frankreich (45 Prozent von 317.997 Wahlberechtigten).
Freilich sind nicht alle Länder mit einer großen türkischen Community AKP-Hochburgen. In Großbritannien und der Schweiz, wo 93.259 bzw. 86.855 Menschen im türkischen Wahlregister stehen, schnitt bei der jüngsten Parlamentswahl die prokurdische HDP am besten ab. In den USA (93.329 Wahlberechtigte) war es die kemalistische Mitte-links-Partei CHP. Die Erdogan-Partei kam in keinem dieser Länder über 30 Prozent hinaus. Am schlechtesten schnitt die AKP in Thailand ab. Dort erhielt sie bei der jüngsten Wahl nur 18 Stimmen oder 6,7 Prozent. Das beste Ergebnis wurde im Libanon mit 87,7 Prozent (808 Stimmen) verbucht.
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