Noch immer viele Fragen offen
Nach seiner Festnahme hat der mutmaßliche Kindermörder von Herne in Deutschland, Marcel H., im Polizeiverhör zu seinen Taten ausgesagt. „Er hat sich in der Nacht bei der Polizei zur Sache eingelassen“, sagte der Bochumer Oberstaatsanwalt Paul Jansen am Freitag. Für den Nachmittag ist eine Pressekonferenz anberaumt.
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Am Vormittag wurde der Haftbefehl gegen H. verkündet. Er werde nun in eine Justizvollzugsanstalt gebracht, so Jansen. Bei dem Haftbefehl gehe es bisher nur um die Tötung des neunjährigen Jaden. „Der Haftbefehl wird wahrscheinlich noch erweitert“, sagte Jansen, ohne weitere Details zu nennen.
Zur Identität eines zweiten Opfers, das Einsatzkräfte in der Nacht in einer brennenden Wohnung gefunden hatten, äußerten sich die Ermittler zunächst nicht. Der Oberbürgermeister von Herne, Frank Dudda, sagte am Vormittag, es handle sich um einen „männlichen Mitbürger“ Hernes, „der noch relativ jung ist“.
Spurensicherung untersucht Tatort
Experten der Spurensicherung setzten am Freitag ihre Arbeit fort. In weißen Schutzanzügen und mit Mundschutz betraten Kriminaltechniker das Mehrfamilienhaus in der Sedanstraße, in dem nach dem Brand die Leiche gefunden wurde. Unterdessen untersuchten Gerichtsmediziner die Leiche des zweiten Opfers.

APA/AP/Marcel Kusch
Der Täter gab einen Hinweis auf den zweiten Tatort, eine Wohnung in Herne
Die Straße vor dem Haus war durch die Polizei abgesperrt. Mehrere Kamerateams waren postiert. Passanten äußerten sich erleichtert darüber, dass der gesuchte mutmaßliche Kindermörder gefasst wurde. „Es hat uns alle betroffen“, sagte eine 40 Jahre alte Frau. Sie habe selbst zwei Kinder. In den vergangenen Tagen habe sie ihre Schicht umgelegt, um ihre zwölf und 14 Jahre alten Kinder persönlich in die Schule begleiten zu können. Der Anwalt der Familie des getöteten Buben sagte der „Bild“-Zeitung: „Die Familie ist unendlich erleichtert und glücklich, dass der mutmaßliche Mörder des kleinen Jaden lebend gefasst werden konnte und seiner gerechten Bestrafung zugeführt werden kann.“
Erstes Opfer bereits obduziert
H. soll den Neunjährigen in Herne erstochen haben. Das Kind war am Montagabend im Keller des 19-jährigen Nachbarn gefunden worden. Das inzwischen vorliegende Ergebnis der Obduktion des Opfers deckt sich laut Polizei mit den bisherigen Vermutungen zum Tathergang. Der Mann soll bei den Nachbarn gefragt haben, ob der Bub zu ihm kommen und eine Leiter halten könne, sagte der Anwalt der Familie. Die Familie ließ den Buben gehen, obwohl ihnen der Nachbar schon immer seltsam vorgekommen sei. Dieser habe im Garten öfter Schwerter geschwungen und „seltsame Rituale“ durchgeführt. Die Leute hätten ihn für einen „Narren“ und „zurückgezogenen Niemand“ gehalten.
Täter stellte sich selbst
H. hatte sich am Donnerstag selbst gestellt. Ein Polizeisprecher sagte, ein Mann habe am Abend einen Imbiss in Herne betreten. „In dem Imbiss hat die Person gesagt: ‚Ich bin der Gesuchte. Bitte rufen Sie die Polizei!‘“, sagte ein Polizeisprecher. „Diese Person hat sich dann auch festnehmen lassen.“
Der Inhaber des Lokals sagte, er habe den jungen Mann zuerst nicht erkannt. Er sei Marcel, habe der junge Mann in ruhigem Ton gesagt. „Welcher Marcel bist du denn?“, habe der Grieche daraufhin gefragt. „Guck auf dein Tablet, mein Bild steht da.“ Er habe seiner Frau gesagt, sie solle die Polizei alarmieren, H. habe dann mit dem Beamten gesprochen. Nach fünf bis zehn Minuten seien drei oder vier Polizisten gekommen und hätten den Verdächtigen festgenommen. „Er hat nix gemacht.“
Bei seiner Festnahme gab H. den Ermittlern den Hinweis zu dem Feuer in einem nahe gelegenen Haus. In der brennenden Wohnung fanden die Fahnder dann die Leiche eines Mannes. In welchem Zusammenhang der zweite Tote und die Wohnung zu H. stehen, blieb zunächst unklar. Der Verdacht, es könnte noch ein weiteres Opfer geben, bestätigte sich zunächst nicht.
Zahlreiche Hinweise
Die Polizei hatte in den vergangenen Tagen mit großem Druck nach H. gefahndet. Auch Hunde und Hubschrauber waren im Einsatz. Bis Donnerstagabend waren bereits mehr als 1.500 Hinweise eingegangen. Unter anderem wurden eine Schule und ein Krankenhaus in Mönchengladbach durchsucht - beides vergeblich.
Hunderttausende hörten im Internet eine Audiodatei an, die das Geständnis von H. unmittelbar nach der Bluttat wiedergeben soll. Allein ein Clip auf einer privaten Facebook-Seite zur Fahndung verzeichnete am Freitagmittag mehr als eine Million Abrufe. Das Audiofile wurde tausendfach über Facebook geteilt.
„Ich hab hier gerade den Nachbarn umgebracht“
„Ich hab hier gerade den Nachbarn umgebracht. Fühlt sich ehrlich gesagt gar nicht so besonders an, um ehrlich zu sein. Meine Hand blutet jetzt, und das ist das Einzige, was mich daran stört.“ Er gehe davon aus, dass er sich in ein paar Tagen stellen werde. „Vielleicht lock ich noch ‚nen Nachbarn rüber und mach‘ da das Gleiche.“ Auf welchem Wege man an die Datei gekommen war, wurde auf der Website nicht erwähnt.
Auch die Polizei hatte eine Audiodatei erwähnt, die sie am Donnerstag auswertete. „Wir nehmen an, dass sie vom Täter stammt“, hatte ein Polizeisprecher dazu gesagt. Auffallend sei die Gefühlskälte. Ob es sich um die im Netz veröffentlichte Datei handelte, war aber zunächst unklar. Die Ermittler wollten sich am Freitag zunächst zu keinen weiteren Details äußern.
Trauerfeier geplant
Am Mittwoch will die Stadt mit einer Trauerfeier der Opfer gedenken. Einzelheiten wolle das Rathaus Anfang nächster Woche bekanntgeben, wie der Herner Stadtsprecher Christoph Hüsken am Freitag sagte. Nach Angaben des Anwalts der Familie des getöteten Kindes wird der Neunjährige voraussichtlich am Donnerstag beigesetzt.
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