Welttournee trotz Bühnenangst
Hans Zimmer ist als Filmmusikkomponist ebenso produktiv wie erfolgreich und galt dabei stets als hart arbeitender Mann im Hintergrund. Ein Image, das nun eine Korrektur erfährt, die fast nach einer Hollywood-Geschichte klingt: Der in Interviews offen zu seiner Bühnenangst stehende Studiotüftler geht auf große Welttournee und gibt den Showman, der mitunter zum Banjo greift.
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In den Monaten vor seinem 60. Geburtstag, den Zimmer im September feiert, herrscht beim gebürtigen Deutschen, der seit den 1980er Jahren in den USA lebt, verkehrte Welt. Im vergangenen Jahr als Testballon mit Konzerten in Europa gestartet, hat der einflussreiche Filmmusikkomponist nun einen Narren an seinem Liveprojekt gefressen, mit dem er 2016 auch in Wien gastierte - die akustische Opulenz Hollywoods als abendfüllendes Bühnenereignis.
The-Smiths-Gitarrist leistete Überzeugungsarbeit
Der Perfektionist setzt dabei auf großes Orchester und viele der Originalmusiker, die Zimmers Filmmusik im Studio eingespielt haben. Für einige Konzerte der vergangenen Tour engagierte Zimmer Ex-The-Smiths-Gitarristen Johnny Marr. Mitte Februar erzählte Zimmer dem „Billboard“-Magazin, dass die britische Gitarrenlegende eine der treibenden Kräfte war, die ihn letztlich dazu bewogen haben, das Bühnenprojekt tatsächlich umzusetzen.
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Posted by Hans Zimmer on Montag, 28. November 2016
Er leide an schrecklicher Bühnenangst, hat Zimmer bereits vor den allerersten Konzerten medienwirksam wissen lassen. Die Konzerttournee bedeute für ihn einen großen Schritt raus aus der Komfortzone, so Zimmer im „Billboard“-Magazin weiter. Fix ist: Es wird keine Filmausschnitte zu sehen geben. Die Musik soll für sich stehen.
Unvermutete Zusammenhänge
Ab April geht Zimmers erste große Welttournee über die Bühne, die ihn als Multiinstrumentalisten, der durch den Abend führt, erstmals auf US-amerikanische Konzertbühnen, aber auch nach Australien und Neuseeland bringt. 76 Musiker werden auf der Bühne stehen, und Zimmer wird mitunter zum Banjo greifen. Mark Brickman, einst für das Lichtdesign von Pink Floyd verantwortlich, sorgt für die visuelle Inszenierung – und die Tournee stellt Zusammenhänge her, die so niemand prophezeien hätte können.
Albumhinweis
„The Classics“ von Hans Zimmer ist bei Sony Music erschienen.
Im April spielt Zimmer an zwei Wochenenden hintereinander am kalifornischen Coachella-Festival und findet sich dort in einem Line-up, das New Order ebenso umfasst wie Kendrick Lamar, Devendra Banhart, Justice und Future Islands - der Großmeister der opulenten Filmmusik inmitten von Helden der Popgeschichte, aktuellen Sound-Erneuerern und Stars des Alternative Mainstream.
Auf die Frage des „Billboard“-Magazins, ob er dafür das musikalische Programm adaptieren würde, ließ Zimmer lediglich wissen, dass er vorhat, am Coachella-Festival den Schwerpunkt zu 90 Prozent auf jene Musik zu legen, die er für die Filme von Christopher Nolan („The Dark Knight“, „Inception“, „Interstellar“) gemacht hat. Am 6. Juni wird Zimmer in der Wiener Stadthalle gastieren.
Filmmusik für Solisten
Hans Zimmers Aktivitäten laufen 2017 auf Hochtouren. Mit „The Classics“ ist ein Album erschienen, das Kooperationen mit Weltstars ihres Faches, wie dem chinesischen Starpianisten Lang Lang, aber auch Till Brönner, Leona Lewis und Amy Dickson bringt. Die Musik aus Filmen wie „Gladiator“, „Fluch der Karibik“ und „Der König der Löwen“ wurde eigens für Solisten arrangiert, um eine Zugänglichkeit abseits des Filmkontextes zu erzeugen.
Der Komponist als Social-Media-Star
Besonders sichtbar wird Zimmers Umtriebigkeit in den Sozialen Netzwerken. Zwei Millionen Anhänger auf Facebook machen Zimmer zum Social-Media-Schwergewicht und lassen so manchen alteingesessenen Hollywood-Star alt aussehen. Für ein Video, in dem er für zwei Minuten Einblicke in sein Arbeiten gibt, erntet er fast elf Millionen Aufrufe. Likes im fünftstelligen Bereich sind die Regel.
Ein Video zeigt ihn als Teilnehmer einer Gesprächsrunde, in der er mit Moby, Jean-Michel Jarre und Gary Numan über elektronische Musik diskutiert. Zimmer gibt dabei bevorzugt das joviale Arbeitstier, das vor der Kamera aufblüht, wenn es über seine Arbeit erzählt. Er berichtet vom massiven Einfluss, den elektronisch arbeitende deutsche Bands wie Tangerine Dream, Can und Kraftwerk auf ihn in den 1970ern ausgeübt haben.
Und der Meister hat besonderen Spaß daran, wenn er einen seiner Kniffe verraten kann: Akustische Instrumente elektronisch generierte Sounds imitieren zu lassen, habe sich sehr bewährt, um zu besonderen Klängen zu gelangen, erzählt Zimmer. In seinen Anfangstagen in Hollywood ist er genau den umgekehrten Weg gegangen. Zimmer demonstrierte damals eindrücklich, wie orchestral der Synthesizer klingen kann und wie effizient es sich damit arbeiten lässt.
Johannes Luxner, für ORF.at
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