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Bizarrer Streit über Garten vor dem Dom

„Wir sind sehr stolz, der Stadt Mailand einen wunderschönen Garten zu schenken.“ So einfach stellte es sich der Europachef der US-Kaffeehauskette Starbucks, Martin Brok, noch im Jänner vor. Doch in der italienischen Metropole hat er sich damit keine Freunde gemacht. Das Problem: Der Garten besteht aus 42 Palmen und einigen Bananenstauden. Seit Tagen tobt ein Streit um die „Begrünung“ des Platzes vor dem Wahrzeichen der Stadt, dem Mailänder Dom.

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Der bekannte italienische Landschaftsarchitekt Paolo Pejrone sagte, in städtischen Gebieten müssten nicht zwangsläufig heimische Pflanzen stehen - „aber sie auf den Domplatz zu pflanzen, erscheint mir wie eine neugotische Verrücktheit“. Starbucks hatte eine Ausschreibung für die Umgestaltung einiger Grünflächen in Mailand gewonnen.

Kulturkampf unter Kaffeeliebhabern

Es sind zwei explosive Themen, die sich hier mischen. Erstens: Starbucks will im kommenden Jahr seine erste Filiale in Italien eröffnen. Nach Angaben der Kaffeehauskette sollen in den kommenden Jahren insgesamt 200 bis 300 Filialen in Italien entstehen. Nicht wenige Italiener haben bereits ihren Boykott der Kette mit ihren Kaffeekreationen angekündigt.

Pflanzen als Politikum

Zweitens sind die Palmen und Bananen zu einem Politikum geworden. Sogar Mailands Bürgermeister Giuseppe Sala äußerte sich zurückhaltend über die Idee, Palmen vor dem berühmtesten Bauwerk seiner Stadt zu pflanzen. „Als Bürger halte ich mich erst mal zurück“, sagte er. Er habe nicht grundsätzlich etwas daran auszusetzen, zudem gebe es einen historischen Bezug.

Palmen vor dem Mailänder Dom

APA/AFP/Giuseppe Cacace

Arbeiten zur Neugestaltung des Mailänder Domplatzes

Eine Palme ist das Symbol für das Stadtzentrum Mailands. Schon im 19. Jahrhundert hätten Palmen den Platz geschmückt, wie Medien bemerkten. „Vor Jahren haben sie am Domplatz eine Eislaufbahn aufgebaut, und niemand hat gegen eine Skandinavisierung gewettert“, kommentierte die linksliberale Zeitung „La Repubblica“.

Fremdenfeindliche Töne

Rechte Parteien nutzten die Debatte für fremdenfeindliche Töne: „Palmen und Bananen auf der Piazza del Duomo - was wir jetzt noch brauchen, sind Kamele und Affen, dann haben wir wirklich Afrika in Italien. Die Illegalen sind schon hier“, sagte der Chef der ausländerfeindlichen Partei Lega Nord, Matteo Salvini. Die konservative Forza Italia protestierte mit aufblasbaren Bananen im Stadtrat. Exotische Pflanzen passen nicht nach Norditalien, so die Meinung.

Palmen sind nicht in Italien beheimatet, gehören aber vielerorts zum Stadtbild. Bei den italienischen Adeligen waren die exotischen Pflanzen im 18. und 19. Jahrhundert in Mode. Und den rechten Parteien scheint auch entgangen zu sein, dass Diktator Benito Mussolini im 20. Jahrhundert Palmen im ganzen Land pflanzen ließ - als Referenz an das einstige italienische Kolonialreich in Afrika.

„Mutige Wahl, an der Grenze zum Kitsch“

Architekt Pejrone schrieb in der Zeitung „La Repubblica“, Palmen hätten „weder etwas mit der Zukunft noch mit der Vergangenheit Norditaliens zu tun“. Und Bananenstauden seien wirklich „eine mutige Wahl, an der Grenze zum Kitsch“. Der Domplatz sei zudem berühmt für seine Leere, er sei von dem Architekten Piero Portaluppi bewusst so gestaltet worden. „Diese Vision muss respektiert werden.“

Doch nicht nur der Kaffeekette Starbucks, auch die Hochkultur hat sich mit einem Baumprojekt in Mailand schon einmal „verbrannt“. 2010 scheiterte ein Plan, den sich Stararchitekt Renzo Piano und der legendäre Dirigent der Mailänder Scala, Claudio Abbado, erträumt hatten. Über die Jahre sollten 90.000 Bäume in der Stadt gepflanzt werden, in der Grünflächen generell nottun. Palmen und Bananen waren damals nicht geplant, aber das Vorhaben scheiterte auch so.

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