Wenn Mode von der Kunst borgt
Mit dem Frühling wollen Modedesigner wieder mehr Leichtigkeit in die Kleidung bringen. Neben einem 80er-Revival, jeder Menge Tüll und Rüschen, scheint heuer vieles auch „dem Zufall überlassen“. Zum 40. Todestag des Architekten und Designers Josef Frank findet sich sein Prinzip der geplanten Unordnung, bei der alles zusammenpasst, was gefällt, in der Mode wieder. Bei Gucci heißt das: Prostituierte trifft auf Asien und Pop.
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Der bisher am häufigsten in der Mode zitierte österreichische Künstler ist Gustav Klimt. Wenn aber „happy accident clothing“ kein Zufall ist, dann ist der österreichisch-schwedische Architekt Frank die gegenwärtige Muse der Modewelt.
Das dachte sich jedenfalls „Guardian“-Autorin Morwenna Ferrier und erklärte den Akzidentismus in einigen Frühjahrskollektionen für wiederbelebt. Das Konzept dieses „glücklichen Zufalls“, also des Einsatzes mutiger Farben, kitschiger Designs und eines verspielten Optimismus seien Attribute, die die Modewelt jetzt nötig habe, so die Autorin.
Fröhliches Durcheinander als neuer Eklektizismus
Mode hat schon immer von der Kunst geborgt. Während Yves Saint Laurent 1965 das Mondrian-Kleid entwarf, J. W. Anderson für das kommende Frühjahr seine Männerkollektion dem „Kleinen Prinzen“ widmete und Balenciaga und Gucci sich ihre Rüschen bei den Stahlwölbungen Serras abschauten, stehe die Frühlingsmode heuer im Sinne des „happy accidents“.
Tatsächlich ist die Zusammensetzung der Looks in manch einer Kollektion von einem positiven Durcheinander angehaucht oder sogar davon dominiert. Sie wirken teilweise so, als hätte die schrille Modeikone Iris Apfel im Kämmerchen einiger Modeschöpfer mitgewerkelt. „Das Tragen von Kleidung im Stile des glücklichen Zufalls wurde sehr lange dafür benutzt, Einzigartigkeit zu vermitteln“, erklärt Modekuratorin und Stylistin NJ Stevenson im Interview mit Ferrier. Die Mode verwende dafür den Begriff „eklektisch“, der sich laut Stevenson perfekt auf den Akzidentismus von Frank übertragen lässt.
Gestaltung mit Zufallsprinzip
Mit dem Ausdruck Akzidentismus widersprach der österreichisch-schwedische Architekt und Stoffdesigner den gängigen architektonischen Grundsätzen in Schweden, in das er 1933 emigrierte. Man solle seine Umgebung so gestalten, als wäre sie durch Zufall entstanden, schrieb er in seinem „Akzidentismus“-Artikel 1958. Heuer ist ihm im Londoner Mode- und Textilmuseum noch bis Anfang Mai eine Ausstellung gewidmet. Wie die „geplanten Zufälle“ in seinen Designs aussahen, präsentierte das Wiener MAK bereits 2015 - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Leicht und frei kombinierbar
„Man kann alles verwenden, was man verwenden kann“, heißt es in einem Text Franks in Bezug auf die Gestaltung der Inneneinrichtung. Sein Unternehmen Haus und Garten, das er 1925 zusammen mit Architektenkollegen Oskar Wlach gründete, war bekannt für seine leichten und frei kombinierbaren Gegenstände. Die schwedische Formgebung in den Bereichen Textil, Teppiche und Möbel ist nicht zuletzt Frank zu verdanken, der ab 1934 eng mit dem schwedischen Designunternehmen Svenskt Tenn zusammenarbeitete. Berühmt wurde Frank als treibende Kraft hinter der Wiener Werkbundsiedlung.
Frei kombinierbar scheint auch die Frühlingskollektion von Gucci, bei der Alessandro Michele zusammensetzte, was ihm gefiel, und dabei – selbst wenn es danach aussieht - nichts dem Zufall überließ. „Ich nahm einige Teile von einer Prostituierten aus Venedig um 1500 und vermischte sie mit Los Angeles, Popkultur und Asien“, lautet Micheles Erklärung unter dem passenden Instagram-Posting. Auch der der Rest der Kollektion zeichnet sich durch kollidierende Farben und Stile, asymmetrische Designs und durchmischte Stoffe aus.
An der Grenze des Kitsches
Ähnlich durcheinander und scheinbar wahllos zusammengewürfelt wirken auch die Kollektionen von Anna Sui, Balenciaga, Diana von Furstenberg oder Dolce & Gabbana. Letztere erklären ihre Looks jedoch als solche, die von „tatkräftigen, trendgetriebenen Millennials, die immer in Bewegung sind“ getragen werden sollen. Wohlüberlegte Farb- und Stilanordnungen, die sich aber doch irgendwie - wenn auch ungewollt - an Franks Entwürfen orientieren.
Designexpertin und Buchautorin Henrietta Thompson bringt seine Philosophie im „Telegraph“ auf den Punkt: „Wenn du etwas liebst, wird es mit etwas anderem zusammenpassen, das du auch liebst.“ Das scheinen im Frühjahr besonders florale Muster zu sein. Die englische Innenarchitektur des 19. Jahrhunderts war es, die auch Frank inspirierte und seinen einprägsamen Stil maßgeblich beeinflusste. Ein Blick auf Guccis Cruise-Kollektion und es hallen einem Franks Worte entgegen: „Jedes Kunstwerk muss an der Grenze des Kitsches stehen.“
Wenn es im Frühling also nach Frank gehen soll, der Design stets in den Dienst der Behaglichkeit stellte, dann kombiniere man, was einem gefällt. Wenn man sich darin wohlfühlt, dann würde es schon harmonieren. Ein trendiges Frühlingsoutfit ist somit heuer frei wählbar, Hauptsache etwas Blumig-Verspieltes. Die Mode wird damit fast schon ein bisschen bescheiden.
Links:
Yasmin Szaraniec, für ORF.at