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Gefährlicher Raubbau am Grundwasser

Mexiko-Stadt versinkt immer tiefer. Viele Gebäude sind verzogen und schief, oft müssen sie mit Gerüsten gestützt werden. Der Grund dafür liegt in der dysfunktionalen Wasserversorgung und der Ausbeutung der Reserven unter der Stadt. Die Metropole laboriert seit Jahrzehnten an ihrem Wassersystem, das aufgrund des Klimawandels zur echten Bedrohung werden könnte.

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Obwohl die Metropolregion viele Regentage hat, gibt es bis dato weder ein ausreichendes Regenwassermanagement noch ein System für die Reinigung und Wiederverwertung von Abwässern. Die Stadt muss deswegen rund 40 Prozent ihres Wasserbedarfs unter erheblichem Energieaufwand von entlegenen Quellen und tief aus der Erde zubringen, wie etwa die „New York Times“ („NYT“) berichtet.

Wasser nicht für jedermann

Dort fehlt es schließlich wieder anderen, etwa im Fall der Cutzamala-Systems. Es ist eines der größten Trinkwassersysteme der Welt und versorgt mehrere Bezirke und Gemeinden in Mexiko mit rund 485 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Allerdings befindet es sich im Land der Mazahua, einer der indigenen Gruppen in Mexiko. Diese fühlt sich vertrieben - und klagt ihrerseits über Wassermangel, so der britische „Guardian“.

Schiefes Haus in Mexiko Stadt

AP/Rebecca Blackwell

Eines der zahlreichen schiefen Gebäude in Mexiko-Stadt

In der Stadt können trotz des Aufwands und der Nebenwirkungen rund zwanzig Prozent der Bewohner nicht jeden Tag sicher sein, Wasser aus der Leitung zu bekommen. Wenn es fließt, ist es oft von schlechter, teils krankmachender Qualität, ständig drohen ausgesickerte Abwässer die ebenfalls löchrigen Trinkwasserleitungen zu verschmutzen.

Immer mehr und tiefere Brunnen

Um den Problemen Herr zu werden, werden auch in der Stadt immer mehr und immer tiefere Brunnen gebaut. Der Raubbau an der Reserve führt zur Grundwasserabsenkung: Unterirdische Reservoirs werden geleert, wodurch sie allmählich austrocknen und der Boden absackt. Weil Mexiko-Stadt auf einer Mischung aus Ton und vulkanischem Boden ruht, passiert das ungleichmäßig.

Risse und Schäden an Gebäuden und Infrastruktur sind die gefährliche Folge. Die Stabilität der Bauwerke in einer ohnehin erdbebengefährdeten Region sinkt dadurch zunehmend. Von 1897 bis 1998 senkten sich einige Gebiete der Innenstadt um bis zu 9,10 Meter. Viele historische Gebäude müssen durch Gerüste gestützt werden. Gleichzeitig steigt die Gefahr von Überflutungen.

41,4 Prozent des Wassers versickern im Boden

Ironischerweise geht fast die Hälfte des zugeführten kühlen Nass wegen kaputter, teils jahrzehntealter Leitungen wieder verloren. Laut der Mexikanischen Wasserversorgung versickern 41,4 Prozent des Wassers, also rund 12.000 Liter pro Sekunde. Viele Bewohner müssen sich Wasser mit Tanklastern liefern lassen - zu Preisen, die zu den höchsten der Welt gehören.

Taucher in der Kanalisation von Mexiko Stadt

Reuters/Daniel Aguilar

Wartungsarbeiten in der Kanalisation von Mexiko-Stadt

Mehr als 19 Millionen Menschen leben im Großraum Mexiko, und unter ihnen manifestiert sich die Kluft zwischen Arm und Reich auch darin, wie viel Zugang zu Wasser man hat. Das Problem ist alles andere als neu, die Lage wird aber zunehmend prekärer. Die Megacity wird immer wasserhungriger - die Urbanisierung schreitet wie überall auf der Welt rasend voran. In den vergangenen fünfzig Jahren hat sich die Bevölkerung Mexiko-Stadts verdoppelt.

Bedrohung Klimawandel

Der Klimawandel droht das Fass zum Überlaufen zu bringen. Temperaturanstiege, Dürren und Überschwemmungen stellen eine reale Bedrohung für das Gebiet dar. Bis 2080 soll die Durchschnittstemperatur signifikant steigen, der Niederschlag aber um rund 20 Prozent sinken - die Wasserversorgung unter diesen Verhältnissen aufrechtzuerhalten, dürfte zu einer entscheidenden Herausforderung werden.

Einer von der „NYT“ zitierten Studie zufolge könnten der Klimawandel und die damit drohenden Temperaturanstiege, Dürren und Überflutungen dazu führen, dass zehn Prozent der Mexikaner im Alter von 15 bis 65 Jahren weiter nach Norden wandern. Eine weitere Studie der Universität Columbia warnt davor, dass ausbleibender Regen das Risiko verdoppelt, dass sich ein verhältnismäßig leicht zu lösender Konflikt zu einem Bürgerkrieg auswächst.

Der Leiter von Mexikos Wasserversorgung, Ramon Aguirre Diaz, beschwichtigt angesichts der Berichte, wie die mexikanische Zeitung „El Sol del Tulancingo“ schreibt. Die Speicher seien für die nächste Dürre ausreichend gefüllt. Diaz leugnet aber nicht, dass es erheblichen Raubbau am Wasser gibt. Konkret habe man das Maß um 800.000 Kubikmeter überstrapaziert. Zudem sei es durchaus möglich, dass sich die Versorgungsprobleme in der Zukunft noch verschärfen könnten.

Regierung will Privatisierung

Ein nachhaltiges Wassersystem würde laut Kalkulationen des Wasserversorgers und der Stadtregierung mindestens 200 Milliarden Pesos (9,5 Mrd. Euro) kosten - Geld, das die Stadt nicht hat. Die derzeitige Regierung glaubt, dass die Lösung des Problems in der Privatisierung liegt, was wiederum für strikten Widerstand bei Aktivisten und Teilen der Opposition sorgt.

Der Wasserversorger ruft die Bürger immer wieder zu einem sparsameren Umgang mit Wasser auf und will höhere Preise für das kühle Nass. Kritiker hingegen fordern, dass der in der Vergangenheit an schlechter Regierungsarbeit gescheiterte Aufbau eines nachhaltigen Wassersystems endlich durchgeführt wird. Diaz rechnet im Gespräch mit dem „Guardian“ damit, dass die Wasserquellen unter der Stadt in 40 bis 50 Jahren versiegt seien könnten.

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