Themenüberblick

„Denken nicht an weitere Kredite“

Der kroatische Konzern Agrokor ist der größte Lebensmittelproduzent und -händler auf dem Balkan und beschäftigt insgesamt rund 60.000 Mitarbeiter. Die Last von Krediten, mit denen 2013 die Übernahme der slowenischen Handelskette Mercator finanziert wurde, und schlechtere Ergebnisse im Vorjahr heizten zuletzt Spekulationen über eine mögliche Pleite an.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Ein Konkurs hätte nicht nur für das größte kroatische Privatunternehmen dramatische Folgen, sondern auch für Kroatien und die gesamte südosteuropäische Wirtschaftsregion - immerhin entsprachen laut der Nachrichtenwebsite Balkan Insight im Geschäftsjahr 2015 die Einnahmen des Konzerns mit umgerechnet 6,5 Mrd. Euro fast 16 Prozent des kroatischen BIP. Auch heimische Banken gewährten Agrokor in der Vergangenheit Kredite.

Bereits zu Jahresbeginn hatte die Ratingagentur Moody’s Agrokor von „B2“ auf „B3“ mit stabilem Ausblick heruntergestuft. Von 21 Ratingstufen wurde das Unternehmen damit auf die sechstletzte gesetzt. Moody’s argumentierte das mit dem im Vorjahr geringen Geschäft, sodass Agrokor das geforderte Verhältnis von Krediten zu Einnahmen nicht einhalten werde können.

1,3 Milliarden Schulden in Russland

Nervös wurden Investoren schließlich, als der russische Botschafter Anwar Asimow in Kroatien vor wenigen Tagen ankündigte, dass Agrokor seine Kreditwürdigkeit bei russischen Banken erschöpft haben könnte. „Bei mehreren Gelegenheiten haben wir Agrokor Kredite gegeben in dem Glauben, dass es das Unternehmen stabilisiert. Wir glauben nicht an weitere Kredite“, so Asimow laut der kroatischen Nachrichtenagentur HINA.

Mercator Filiale

Reuters/Srdjan Zivulovic

Der Kauf der slowenischen Mercator-Kette, die auch in Kroatien präsent ist, war zur Gänze fremdfinanziert

Laut Moody’s steht Agrokor bei den Banken VTB und Sberbank mit umgerechnet 1,31 Milliarden Euro in der Kreide. Das entspricht rund 33 Prozent der Schulden des Gesamtkonzerns. „Wenn sich Agrokor an die Sberbank für einen neuen Kredit wendet, wird das unter Berücksichtigung der derzeitigen finanziellen Schwierigkeiten geschehen“, so Asimow - und das ausgerechnet auf einer Pressekonferenz, bei der es um die Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern ging.

Konzern beruhigt

Agrokor schweigt seit Wochen weitgehend zu den medialen Berichten und Spekulationen. Eine Sprecherin betonte gegenüber Reuters zuletzt lediglich, dass das Unternehmen in intensiven und ständigen Kontakten mit seinen Investoren, auch den russischen, stehe. Zugleich sagte das Unternehmen, es bediene alle Schuldverpflichtungen und werde das weiterhin tun.

Spar statt Billa

Auf dem umkämpften kroatischen Lebensmittelmarkt löst Spar Billa ab: Die kroatischen Behörden gaben zuletzt grünes Licht für die Übernahme der Billa-Filialen durch Spar. Vom Marktführer Konzum des Konzerns Agrokor trennen Spar mit dann mehr als 100 Standorten aber einige Ränge.

Investoren zeigten sich zuletzt besorgt darüber, ob Agrokor in Zukunft anstehende Rückzahlungen bedienen wird können. Ende September beliefen sich die gesamten Schulden auf rund 45 Milliarden Kuna (mehr als sechs Mrd. Euro) gegenüber 7,5 Prozent Kapital. „Sie könnten relativ bald dazu gezwungen sein, einige ihrer profitablen Bereiche zu verkaufen“, vermutete ein Analyst in London laut Reuters vor etwas mehr als einer Woche.

Kritik an intransparenter Buchhaltung

Dazu kommt, dass Moody’s erst letzte Woche in einem Bericht auf „bestimmte undurchsichtige Bereiche“ und „mangelnde Transparenz“ in der Buchhaltung von Agrokor hinwies. Die Schuldtitel von Agrokor verloren in den letzten Wochen teils stark an Wert.

Die aktuellen Probleme kommen vor allem von der Übernahme des slowenischen Lebensmittelhändlers Mercator im Jahr 2013. Dieses 485 Millionen Euro schwere Geschäft wurde mit „Pay in kind“-Krediten (PIK) finanziert. Dabei werden die jährlich anfallenden Zinsen kapitalisiert - statt die Zinsen zu zahlen, werden sie dem Kapital hinzugefügt. Dadurch steigt die Kapital- und Zinslast aber dramatisch, wenn die Schulden nicht rasch verringert werden oder umgeschuldet wird. Ein Banker bezeichnete Reuters gegenüber den Kredit gar als „Zeitbombe“.

Regierung: Kein Plan B

Bereits Ende Jänner hatte der kroatische Finanzminister Zdravko Maric zu beruhigen versucht. Maric, der vor der Übernahme des Ministeramts vor etwas mehr als einem Jahr bei Agrokor arbeitete, sagte laut der Website Croatia News, es handle sich weiter um ein gutes Unternehmen. Auf die Frage, ob die Politik einen „Plan B“ habe, versicherte Maric, dass Agrokor nicht in Konkurs gehen werde.

Konzum größte Supermarktkette

Agrokor ist das größte in Privatbesitz befindliche Unternehmen Kroatiens und einer der größten Konzerne in Südosteuropa mit Einnahmen von mehr als 54 Milliarden Kuna (7,2 Mrd. Euro). Agrokor-Besitzer Ivica Todoric gilt als der reichste Kroate. Zur Agrokor-Gruppe gehören einige der bekanntesten Marken des Landes, darunter das Mineralwasser Jamnica, die Speiseeismarke Ledo, Zvijezda (Speiseöl, Margarine und Mayonnaise), Kroatiens größter Fleischproduzent PIK Vrbovec und vor allem die größte Supermarktkette Konzum.

Links: