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Pop, Posen und eine Platte mit Konzept

In den späten 2000er Jahren in Oberösterreich gegründet, haben Bilderbuch mit dem 2015 erschienenen Album „Schick Schock“ den Nerv der Zeit getroffen. Vermeintliche Arroganz und Größenwahn trafen auf eine gewisse Authentizität, was betörenden Pop ergibt, der von Wien bis Hamburg Erfolge feiert. Mit „Magic Life“ erschien unlängst der Nachfolger, der gezeigt hat, wohin die Reise geht: zum Erfolg. Bei den Amadeus Awards wurden Bilderbuch zur Band des Jahres gekürt.

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Die Gitarre ist dominant beim neuen Album, die Texte sind mehr Dada denn je, und wenn auch kein Zweifel daran besteht, dass der Song in jedem Partyzusammenhang seine unmittelbare körperliche Wirkung entfalten wird, klingt mitunter Melancholie mit.

Es herrscht Party mit etwas mehr Tiefgang, auf der die Welt in wenigen Worten präzise zusammengefasst wird: „Komm vorbei in meinen Bungalow, by the Rivers of Cash Flow.“ Ebenso wird deutlich: Viel mehr Lässigkeit wird das Popjahr 2017 kaum bringen. Kein anderes Alphamännchen wird Sänger Maurice Ernst den Platz ernsthaft streitig machen können. Das wurde auch bei der Amadeus-Verleihung klar.

Der politische Diskurs als Anstoß

Die übergroße Popgeste steht nach wie vor im Vordergrund des artifiziellen Treibens von Bilderbuch. Die Posen sitzen. Dennoch steckt in all dem eine gewisse Bodenständigkeit. Überzeichnete Coolness, viel Mut in Sachen Mode, eine obsessive Liebe zu Klischees und generell viel Selbstbewusstsein in alle Richtungen ergeben ein stimmiges Gesamtbild. Die Band will nach wie vor größer als das Leben sein. Mit den 13 neuen Songs soll nicht nur betörender Pop auf Höhe der Zeit die Hörer treffen, sondern auch ein Statement. Denn mit dem besungenen „Magic Life“ ist es so eine Sache. Bilderbuch wollen das Lebensgefühl ihrer Generation in Albumform fassbar machen. Bilderbuch haben ihrem Pop ein Konzept verordnet.

Albumhinweis

„Magic Life“ von Bilderbuch ist bei Maschin Records erschienen.

Das „Magic Life“, der All-inclusive-Club des Lebens, dient als Angelpunkt der Platte. Dass im vergangenen Jahr etwas durch die Gesellschaft gegangen ist, hat auch die Band gespürt. Insbesondere der politische und gesellschaftliche Diskurs rund um die Bundespräsidentschaftswahl habe tiefen Eindruck hinterlassen, sagt Bilderbuch-Sänger Maurice Ernst im Gespräch mit ORF.at. Es habe gegolten, diese Emotion mit der Platte einzufangen, was den Hauch an Melancholie, der sich im Klangbild Bilderbuchs widerspiegelt, erkläre.

Die Band als Medienliebling

Angesichts der Ansage, das Lebensgefühl einer Generation vermessen zu wollen, könnte die mediale Aufregung rund um das neue Bilderbuch-Album jedenfalls nicht größer sein. Ohnehin in ihrem Schaffen stets als State of the art geltend, gibt es jetzt eine politische Message obendrein.

Peter Horazdovsky, Michael Krammer und Maurice Ernst und Philipp Scheibl (alle Bilderbuch)

Elizaveta Porodina

Bassist Peter Horazdovsky, Sänger Maurice Ernst, Schlagzeuger Philipp Scheibl (v. l. n. r.) und darüber Gitarrist Michael Krammer alias Mizzy Blue

Deutsche Musikmagazine haben die Band ebenso auf dem Cover wie heimische Wochenzeitungen. Die ARD war vorab in Wien, um Bilderbuch auf den Zahn zu fühlen. Sie hat dort „Artpop, Dada, Sex und Größenwahn“ gefunden. Ernst erläuterte in der ZDF-Sendung „Aspekt“ das Statement, das in der Platte steckt. Und hat über das Gefühl gesprochen, wenn bewusst wird, dass all der Wohlstand auch vergänglich sein könnte. Die Reflexionen tun der Party jedoch keinen Abbruch. Im Anschluss an den Talk gab es eine Darbietung von „Bungalow“ mit erhabenen Posen und schneidigen Gitarrenriffs. Das Konzept vermiest die Party keinesfalls.

Mühelos zeitgenössisch

Die Dominanz der Gitarre wird nicht nur anhand der Single deutlich. „Wie kann man der Gitarre ein Denkmal setzen, das auch nach 2017 klingt?“, erläutert Ernst im Interview jene Frage, die für den auffälligen Sound der Produktion leitend war. „Magic Life“ nimmt noch mehr Funk-Anleihen als „Schick Schock“ und lässt erahnen, wie wichtig Prince für die musikalische Sozialisierung der Band ist.

Maurice Ernst, Philipp Scheibl, Peter Horazdovsky und Michael Krammer (alle Bilderbuch)

Elizaveta Porodina

Bilderbuch wollten der Gitarre ein musikalisches Denkmal setzen

Ein kurzer Ausflug ins Reggae-Fach ist ebenso dabei wie Referenzen an den österreichischen Popstar schlechthin: Falco und der Hang zum Nasalen regieren auch auf „Magic Life“. Der Auto-Tune, um Ernsts Stimme in klirrende Höhen zu bringen, ist ebenso wieder im Einsatz wie vermeintlicher Nonsens, der durch stete Wiederholung zu großer Bedeutung heranwächst. Von den Hitqualitäten ganz zu schweigen.

Ob die Emotion echt ist oder nicht: Nach den 13 Songs wird in jedem Fall deutlich, dass die Band den eigenen Anspruch, mit der Platte nach dem Jahr 2017 zu klingen, ohne jegliche Anstrengung erfüllt.

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