Eine Platte als Stimmungsbarometer
Bilderbuch haben ihr neues Album „Magic Life“ vor dem Hintergrund des politischen und gesellschaftlichen Klimas des letzten Jahres eingespielt. Der Grundton der Platte sei der generellen Stimmung geschuldet. Mit ORF.at sprach Sänger Maurice Ernst über seine Zerrissenheit während der Hofburg-Wahl, die ersten zarten Bande nach Hollywood und über die genetischen Ursachen seiner Rolle als Gockel.
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ORF.at: Die neue Platte klingt wesentlich melancholischer als „Schick Schock“. In den neuen Songs steckt mitunter viel Gesellschaftskritik. Woher rührt die neue Betrachtungsweise, woher kommt die neue Grundstimmung?
Maurice Ernst: Wir haben letztes Jahr einfach in uns hineingehört. Wir haben extrem viel darüber nachgedacht, wie wir damit umgehen können, ob wir ein Facebook-Post machen, eine Wahlempfehlung abgeben oder ob wir irgendetwas anderes darüber hinaus machen, das einen karitativen Charakter hat.
Wir hatten keine Ahnung, weil es so viele Möglichkeiten gegeben hätte, sich zu engagieren und aktiv zu werden. Auch viele Freunde haben uns danach gefragt, was wir machen, wie wir damit umgehen. Und ich bin dagesessen und habe gedacht, es kann nicht unsere Aufgabe sein – als Mensch vielleicht, aber nicht als Künstler. Ich habe lange damit gehadert. Nicht nur ich, sondern die ganzen Jungs.
Bis zu dem Moment, in dem wir eigentlich für uns selbst draufgekommen sind, dass wir die Emotionen in den nächsten Prozess des Arbeitens mitnehmen müssen. Wir haben geschaut, dass die Musik irgendwie ein Stempel davon ist, wie man sich fühlt. Ich glaube, daher rührt die neue Grundstimmung.
ORF.at: Der Grundanstoß zu „Magic Life“ ist dem politischen und gesellschaftlichen Klima des letzten Jahres geschuldet?
Ernst: Ja, vor allem war es der öffentliche Diskurs, der bei uns etwas in Bewegung gesetzt hat. Wir waren damals auf der Suche nach Inhalten. Wir sind im Studio gesessen und haben uns darüber unterhalten, wie man jetzt wieder anfangen zu texten kann. Uns ist es komplett stupid vorgekommen, den Ton von „Schick Schock“ weiterzutreiben ohne irgendwelche Veränderungen.

Elizaveta Porodina
Sänger Ernst und Band: „Wir haben uns null Luxus gegönnt“
Wir haben mit „Magic Life“ andere Betrachtungen gefunden. Deshalb klingt es etwas melancholischer. Und es ist weniger etwas faktisch Politisches, das wir da reingenommen haben, sondern die Emotion, die diese Grundstimmung bei uns ausgelöst hat.
ORF.at: Letztlich hat sich die Anspannung sanft entladen.
Ernst: Ja, und genau so ist es ja auch am Album. Es ist ja nicht nur ein trauriges Bild, es herrscht immer noch viel Selbstbewusstsein.
ORF.at: Inwiefern hat sich der Erfolg auf die Arbeitsweise im Zuge von „Magic Life“ niedergeschlagen?
Ernst: Wir haben den Erfolg im Schaffensprozess eigentlich ignoriert. Wir haben uns null Luxus gegönnt. Wir haben nichts geändert, im Gegenteil: Wir sind sogar noch länger in einen nassen Keller proben gegangen, obwohl wir uns dann schon die Frage gestellt haben, ob wir das nächste Mal nicht doch ein bisschen mehr in die Infrastruktur investieren sollen. Aber immerhin bin ich aus meiner Wohngemeinschaft ausgezogen und wohne jetzt einen Stock tiefer allein.
ORF.at: Das Auffälligste am Sound der Platte sind die Gitarren.
Ernst: Die Gitarren waren von Anfang an das Wichtigste. Das war die erste Idee zur Platte. Wir sind bei dieser Platte weniger vom Beat ausgegangen, von der Idee erst muss der Beat kommen und erst dann werden Gitarren und Gesang darüber gemacht. Dieses Mal war es mehr der Sound an sich. Mehr die Gitarre, ein bisserl mehr der Dreck, der Soul, der bereits vom Instrument kommt, bevor der Beat da ist.
Es war auch wichtig, die Gitarre ganz weit vorne im Sound zu platzieren. Insbesondere auch in dem wie sie es tut, nämlich auf Augenhöge mit dem Sänger, teilweise sogar noch ärger. Unsere Frage lautete: Wie kann man der Gitarre ein Denkmal schaffen, das auch nach 2017 klingt? Und nicht nach nostalgischem wir stecken uns einen VoxAC30 an und checken uns ein gutes Mikro und stellen es in einem Raum auf.
Nein, so klingt unsere Generation nicht. Wir haben unsere Gitarren in den Computer eingesteckt und haben irgendwelche Plug-ins reingesteckt und geschaut, was passiert, wenn man da herumdreht und herumsteckt. Die Gitarre mitzunehmen, auf die Reise mitzunehmen, war uns wichtig.
ORF.at: Die Rivers Of Cashflow, der Bungalow, der Skoda kommen nicht nur in einem Song vor, sie wiederholen sich auf der Platte. Warum sind ausgerechnet diese Motive so wichtig?
Ernst: Weil sie zum einen mit dem alten Bild des Statussymbols, das wir auch mit „Schick Schock“ für uns gefunden haben, spielen - das ist diese plakative Hip-Hop-Sprache. Aber zum anderen lassen wir diese Motive gleichzeitig ein bisschen zergehen. Ich hab das Gefühl, wir lassen sie häuslich werden: By The Rivers of Cash Flow, da steckt etwas Religiöses drinnen. Oder: Wir leben ja nur am Cashflow und nicht im Cashflow in einem kleinen Bungalow. Das hat für mich ein bisschen diese Welt kreiert, in der wir stattfinden und in der wir leben. Es ist ein bisschen ein anderer Blick auf das Ding.
ORF.at: Inwiefern entspricht das heile Bungalow-Szenario der eigenen Sozialisierung?
Ernst: Wenn man aus einem kleinen Ort kommt, dann kennt man dieses Gefühl, auch wenn es nicht buchstäblich so war. Im Großen und Ganzen bin ich damit gut vertraut. Und auch dieses im Song beschriebene Gefühl des Vorbeikommens ist mir gut bekannt. Gleichzeitig ist das schon auch ein nostalgischer Blick in unsere Anfangszeit.
ORF.at: Sie haben unlängst in der ARD gesagt, Sie mussten dir die Rolle des Gockels erst hart antrainieren. Wie viel Gockel steckt dennoch in den Genen?
Ernst: Wenn ich mir meinen Vater anschaue, würde ich sagen, vielleicht habe ich doch etwas mehr von all dem angeboren bekommen. Er war Biervertreter und Nachtclubwirt. Ich sehe schon gewisse Zusammenhänge. Genau kann ich es nicht beurteilen, denn es geht hier um mich, und über sich selbst ein Urteil zu fällen, ist immer schwierig - gerade wenn es ins Detail geht. Von daher würde ich sagen: Ich weiß es nicht. Ich gehe rauf auf die Bühne und mache, was ich mache. Und schauen wir mal, was da noch kommt.
ORF.at: Wird der Gockel in Deutschland anders rezipiert als in Österreich?
Ernst: Nicht unbedingt, meine Erfahrung ist aber, dass Österreich als Stempel, dieses AMA-Gütesiegel, diesen Gockel an sich vielleicht noch mehr legitimiert. Es kann schon sein, dass sie mir in Deutschland deshalb mehr erlauben. In der Art: Ja, der darf das, der darf sich schon ein bisserl aufführen der Typ, das ist ja ein Österreicher. Es gibt schon so Tendenzen in diese Richtung. Warum auch immer das so ist. Wir haben einen Bonus, dass wir uns aufführen dürfen.
ORF.at: Wird es im Zuge der neuen Platte über Deutschland hinaus Aktivitäten geben?
Ernst: In zwei Wochen kommt ein Horrorfilm von Gore Verbinski ins Kino, das ist der Regisseur, der „Fluch der Karibik“ und „The Ring“ gemacht hat. Darin ist „Spliff“ von „Schick Schock“ gleich zwei Minuten lang zu hören. Und zwar direkt im Film. In der Szene wirft ein Mädel eine Münze in eine Jukebox ein und es spielt „Spliff“. Und sie tanzen dazu.
Darauf freue ich mich schon sehr. Denn das ist einfach Hollywood. Das sind aber Dinge, die kannst du nicht planen. Die müssen dir passieren, auch wenn das Internet ein bisschen nachhilft. Und im Endeffekt musst du einfach nur Musik machen. Und im Großen und Ganzen an dir, deiner Musik und deiner Idee und daran, wo du hin willst, arbeiten.
Das Gespräch führte Johannes Luxner, für ORF.at
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