Themenüberblick

Opposition will „ernsthafte Vorschläge“

Die Koalitionsklubobleute Andreas Schieder (SPÖ) und Reinhold Lopatka (ÖVP) haben am Mittwoch ihren gemeinsamen Vorschlag für die Wahlrechtsreform verraten: Sie wollen einen Vorwahltag, aber die Briefwahl beibehalten - und schon am Sonntag auszählen. Die Kompetenzen des Bundespräsidenten sollen „entrümpelt“ und Bürgern Mitwirkung im Parlament ermöglicht werden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Nicht enthalten im Wahlrechtspaket sind Frauenquote, Mehrheitswahlrecht und E-Voting. Denn bei dem von SPÖ und ÖVP befürworteten mehrheitsfördernden Wahlrecht zeichnet sich (mit dem Nein von FPÖ, Grünen und NEOS) nicht die nötige Zweidrittelmehrheit ab - und dem von Lopatka geforderten E-Voting für Auslandsösterreicher steht Schieder skeptisch gegenüber. Aber in einer Enquete soll darüber ausführlich beraten werden, kündigte Schieder in der gemeinsamen Pressekonferenz an.

Briefwahl soll beibehalten werden

Bei der Wahlrechtsreform hat man sich die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) bei der Aufhebung der Bundespräsidentenstichwahl zu Herzen genommen. Ziel sei, so Schieder, ein „sicheres, bürgerfreundliches und gut praktikables“ Wahlrecht, das einer „hohen Wahlbeteiligung verpflichtet“ ist.

Deshalb soll zwar die Briefwahl unverändert beibehalten, aber nach dem Vorbild einiger Länder auch für Bundeswahlen ein vorgezogener Wahltag eingeführt werden. Am zehnten Tag vor der Wahl soll in jeder Gemeinde ein Wahllokal zumindest zwei Stunden am Nachmittag oder Abend offen haben, erläuterte Lopatka - und erinnerte daran, dass bei der Graz-Wahl mehr Bürger die Vorwahl als die Briefwahl nutzten.

Auszählung am Sonntag

Das Warten auf das endgültige Wahlergebnis bis Montagabend wird beendet: Die Briefwahl soll schon am Sonntag ausgezählt werden. Details gab es dazu noch keine, „hier wird mit dem Innenministerium ein machbarer Weg gefunden“, so Schieder.

Im Gesetz „geklärt“ werden soll, dass die Frage, wer ins Wahllokal darf, nicht ganz eng zu sehen ist - dass also auch Fotografen hinein dürfen, um die Kandidaten beim Wählen abzulichten, und auch Alleinerziehende ihre Kinder mitnehmen dürfen. Der VfGH hatte bei der Aufhebung der Hofburg-Stichwahl streng auf die Bestimmung gepocht, dass nur Wahlbehördenmitglieder und Wähler eingelassen werden dürfen.

Neutrales Überkuvert für Wahlkarten

Noch einmal verändert werden die Wahlkarten - nachdem man nach der Kleberpanne (wegen der die Hofburg-Stichwahl verschoben wurde) wieder auf die alten Modelle zurückgriff. Bei diesen stehen auf dem Überkuvert die Wählerdaten. Das soll aus Datenschutzgründen nicht mehr der Fall sein: Daten und Unterschrift kommen auf einer eigenen Karten neben dem Wahlkuvert ins neutrale Überkuvert.

Erleichtert werden soll die Stimmabgabe für Menschen mit Behinderung - mit einer barrierefreien Wahlzelle pro Wahllokal, für Sehbehinderte geeigneten Stimmzetteln und barrierefreien Ministeriumsinfos im Internet.

„Überholte“ Hofburg-Kompetenzen streichen

Von den Kompetenzen des Bundespräsidenten wollen Schieder und Lopatka jene streichen, die „überholt“ seien bzw. wenig angewendet würden. Das sind die Aufgaben rund um Nationalrat bzw. Landtage (Auflösung, Beendigung der jährlichen Nationalratstagung, Einberufung von Sondersitzungen im Sommer), die Strafrechtskompetenzen (Begnadigung, Milderung, Umwandlung, Niederschlagung) und die Ehelicherklärung von Kindern. Überprüft wird, ob das Recht auf Ernennung von Beamten (inklusive Richtern und Offizieren) nicht zumindest deutlich eingeschränkt werden kann - zumal heute viele Funktionsträger schon Vertragsbedienstete seien.

Nicht formal einschränken, aber inhaltlich klarstellen sollte man, so Lopatka, was genau die Rechte des Bundespräsidenten als Oberbefehlshaber des Bundesheeres, bei der Exekution von VfGH-Erkenntnissen und bei der Beurkundung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen sind - wobei Lopatka und Schieder einig sind, dass die Beurkundung nur das Zustandekommen, aber nicht den Inhalt betrifft.

NEOS: Einigermaßen skurril

NEOS-Vizeklubobmann Nikolaus Scherak reagierte in einer Aussendung „mit grenzenloser Verwunderung“. Es sei „einigermaßen skurril“, dass SPÖ und ÖVP „eine Einigung zur Wahlrechtsreform und den Kompetenzen des Bundespräsidenten verkünden wollten, ohne dass die zuständige Arbeitsgruppe ein einziges Mal getagt hätte“, so Scherak. Präsentiert worden sei eine Aufzählung „von ein paar willkürlich herausgesuchten Punkten“. Er sprach der Koalition ab, ein „ernsthaftes Interesse“ daran zu haben, „sinnvolle Reformen zum Wahlrecht anzugehen.“

Bereits im Vorfeld hatte Scherak Kritik an der Nichteinbindung der Opposition geübt. Er warf SPÖ und ÖVP vor, die Oppositionsparteien mit ihrem Vorgehen „außen vor zu halten“. „Diese Art von ‚Friss oder stirb‘-Entwürfen können wir nicht akzeptieren“, sagte er am Dienstag. Er ortete einen „Schlag ins Gesicht für das Parlament, dessen ureigenste Aufgabe ja auch das Wahlrecht ist“, so Scherak, der den Koalitionsparteien schlechten Stil vorwirft.

„Lose Aufzählung von Zielen“

Auch von den Grünen kam scharfe Kritik: Die Vorschläge von SPÖ und ÖVP seien eine „lose Aufzählung von Zielen mit wenig konkreten Umsetzungsvorschlägen“, so der grüne Verfassungssprecher Albert Steinhauser per Aussendung. Allerdings sieht er „eine Chance“, Verhandlungen mit SPÖ und ÖVP zu starten: „Wir wollen keine weiteren Enqueten, sondern konkrete, offene Verhandlungen, um zu Lösungen zu kommen.“ Vorschlägen für ein Mehrheitswahlrecht und E-Voting erteilte der Grüne eine Absage.

FPÖ: „Zum Teil als Showeinlage zu werten“

Kritik auch von der FPÖ: Es sei bedauerlich, dass allein die Inszenierung im Vordergrund stehe. „Was SPÖ und ÖVP als großen Wurf präsentiert haben, wird diesem Anspruch nicht gerecht und ist zum Teil als Showeinlage zu werten“, so FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan in einer Aussendung. Von einer „ernsthaften, fundierten Befassung“ mit dem Thema könne keine Rede sein, vieles gehe über Überschriften und über bereits Akkordiertes nicht hinaus, so Stefan.

„Typische Oppositionsreaktion“

Schieder sagte, dass man die Vorschläge mit den anderen vier Parteien erörtern werde. Es sei „ganz normal“, dass man gemeinsam als Regierungsparteien überlege, wofür man in den Verhandlungen mit den anderen Parteien eintritt, so Schieder. Die Kritik, dass man noch nicht eingebunden worden sei, qualifizierte Schieder als „typische Oppositionsreaktion“ ab.

„Wir lassen niemanden außen vor“, sagte Lopatka. Es gebe noch genügend Zeit, mit der Opposition zu diskutieren. Für die Reform brauchen die Regierungsparteien eine Zweidrittelmehrheit und damit die Zustimmung von Grünen oder Freiheitlichen. Lopatka hofft, dass am Ende beide mit an Bord sind.

Links: