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Der schmale Grat der Überzeichnung

Nicht immer ist das Marktschreierische das Effektive. Und nicht selten wird der aggressive Blickfang zum Bumerang. Die Österreicherinnen und Österreicher sind deutlich sensibler geworden, was Werbesujets, sexistische Inszenierung und Gewaltverherrlichung auf Displays anlangt. Diese Erkenntnis erlangte der Österreichische Werberat in den letzten zehn Jahren und will sie nun der Wirtschaft in einem Mitte Februar präsentierten Ethikhandbuch zur Verfügung stellen. Aufschlussreich darin: woran man sich hierzulande bei Werbesujets stößt.

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3.000 Beschwerden, 1.400 Entscheidungen: Diesen Fundus von Erkenntnissen möchte der Werberat nutzen, um vor allem die heimische Wirtschaft zu sensibilisieren, vor allem auch jene Unternehmen, die sich vielleicht gerade frisch und auch mit kleineren Budgets in die Kommunikation mittels Werbung begeben. Ein in Taschenbuchformat herausgegebener Ethikkodex, den man mit einer Reihe von Sponsoren an 60.000 Betriebe verteilen will, soll neben einem erweiterten Onlineauftritt helfen, die Wirtschaft auf eine geänderte Interessenlage einzustellen.

Sexistische Werbung in einer Broschüre

ORF.at/Christian Öser

Die Broschüre fürs richtige Werben soll nicht zuletzt Neueinsteigern helfen. 60.000 Exemplare werden verteilt - bzw. stehen beim Werberat zum Download bereit.

Österreicher zunehmend allergisch bei Klischees

Die Österreicherinnen und Österreicher seien gerade in den letzten Jahren deutlich sensibler geworden in den Bereichen Rollenbilder, Darstellung von Sexualität und Gewalt - und gerade auch bei der Gegenüberstellung von Alt und Jung, was ja meistens zuungunsten der Alten ausgehe, erinnerte der Präsident des Werberats, Michael Straberger, bei der Präsentation des Leitfadens „Dos & Don’ts“ in der Werbung.

„Die Menschen wollen Menschen sehen, wie sie sind“, so Straberger. Vor allem ältere Menschen würden sich immer öfter zu Wort melden, weil sie nicht in einem diskriminierenden Zusammenhang dargestellt werden wollten.

Beschwerden als Aufschluss für die Zukunft

Insgesamt, so Straberger, bewege man sich im Bereich der Werbung auf dem schmalen Grat zwischen gewollter werblicher Überzeichnung und ungewollter oder in Kauf genommener Diskriminierung. Insofern soll der nun herausgegebene Guide, für den zehn Jahre Werberatsgeschichte analysiert wurden, auch Entscheidungshilfen geben, welche Beschwerden vom Werberat angenommen wurden - und was trotz Beschwerde als gangbar bewertet wurde.

Die meisten Beschwerden, die beim Werberat eingingen, beträfen Geschlechterdiskriminierung, Darstellung von Gewalt und allgemeine Fragen von Ethik und Moral. Werberat-Geschäftsführerin Andrea Stoidl verwies auch darauf, dass sich Werbung letztlich mit der heiklen und sich eben wandelnden Frage von Rollenbildern beschäftigen müsse.

Keine Retuschen bei Jugendlichen

Bei der Darstellung von Kindern und Jugendlichen rät der Werberat in seinem Leitfaden zu einer möglichst lebensnahen und wenig idealisierten Herangehensweise. Stark geschönte und retuschierte Darstellungen jugendlicher Körperbilder werden hier als besonders problematisch eingestuft.

ÖWR-Präsident Michael Straberger mit ÖWR-Geschäftsführerin Andrea Stoidl

ÖWR/Katharina Schiffl

Michael Straberger und Andrea Stoidl präsentieren den Ethikguide

Befragt, ob bestimmte Mediengattungen besonders anfällig für Ausreißer ins Negative seien, kommt der Werberat zu einer interessanten Feststellung: Zwar beträfen viele Beschwerden noch sehr klassische Werbeformate - allerdings kenne man gerade auch im Digitalbereich ein Set an Kunden, die immer wieder durch betonte Grenzüberschreitungen auffielen. Insgesamt sei für den Digitalbereich aber noch einiges an Sensibilisierung möglich, sagte der Präsident des Werberates.

Marktschreien als Bumerang

Martin Kargl, Geschäftsführer von Herold und Partner der Aktion, verwies bei der Pressekonferenz auf eine Grundsatzerkenntnis, die er gerade durch den Umgang mit vielen KMU kenne: Marktschreierische Auftritte um jeden Preis können nach hinten losgehen. Der größte Aktivposten, was Rückmeldungen auf Werbungen anlangt, ist in Österreich immer noch die klassische Plakatwerbung, vor allem, so erinnerte man, wenn Plakate in heiklen Zonen in der Nähe von öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten platziert seien.

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