„Überall in Europa passiert es“
US-Präsident Donald Trump hat den Medien unterstellt, in der Berichterstattung über Terrorismus bewusst Vorfälle zu verschweigen. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) begehe weltweit „Völkermord“, sagte Trump am Montag in einer Rede vor Vertretern des US-Militärs in Tampa im US-Bundesstaat Florida. „Überall in Europa passiert es“, sagte der Präsident.
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„Es ist bis zu einem Punkt gekommen, an dem nicht einmal mehr darüber berichtet wird“, sagte Trump. „Und in vielen Fällen will die sehr, sehr verlogene Presse (‚the very dishonest press‘) nicht darüber berichten. Sie hat ihre Gründe dafür und ihr versteht das“, so Trump zu den Soldaten. Welche Anschläge das sein sollen und was die Gründe für das vermeintliche Verschweigen sein sollen, sagte Trump nicht. Er erwähnte in seiner Rede Anschläge in Paris und Nizza - über die freilich weltweit ausführlich berichtet wurde.
Weltweit beachtete Anschläge
Später veröffentlichte das US-Präsidialamt eine Liste mit 78 Anschlägen weltweit zwischen September 2014 und Dezember 2016. Ein Mitarbeiter des Präsidialamts warf den Medien vor, nicht mehr so intensiv über islamistische Gewalt zu berichten wie früher. „Es kann nicht erlaubt werden, dass das eine neue Normalität wird“, sagte er.
Das Papier des Weißen Hauses, auf dem weltweit beachtete Anschläge in Orlando, Brüssel und Istanbul stehen, scheint hastig erstellt worden zu sein, in der Originalfassung finden sich laut Nachrichtenagentur AP zahlreiche Tippfehler.
Kriminalfälle als Terror gelistet
Einer Überprüfung, ob über jene Vorfälle tatsächlich nicht ausreichend berichtet wurde, hielt die Liste nicht stand. Auf ihr fehlen allerdings große Anschläge ohne westliche Opfer, wie etwa ein Selbstmordattentat mit 70 Toten im November in Bagdad oder der Amoklauf mit neun Toten in einer von Afroamerikanern besuchten Kirche im US-Staat South Carolina im Juni 2015.
Bei einigen der aufgelisteten Taten hatten die Behörden keinen terroristischen Hintergrund gesehen - etwa bei einer Messerattacke in einem Hostel im Nordosten Australiens, bei der zwei Menschen starben. Die Mutter der getöteten Mia Ayliffe-Chung ging mit Trump hart ins Gericht und meinte, der Tod ihrer Tochter dürfe nicht dazu instrumentalisiert werden, unschuldige Menschen zu verfolgen.
Vorwürfe für Experten „haarsträubend“
Medien und Medienwissenschaftler wiesen Trumps Anschuldigungen umgehend zurück. „Anzudeuten, Journalisten hätten ihre Gründe, nicht über IS-Angriffe zu berichten, ist haarsträubend“, sagte etwa Al Tompkins vom Poynter Institute, einer Journalistenschule aus Florida. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) sprach von einer „infamen Unterstellung“. Für Trumps Hasstiraden gegen Medien und Journalisten gebe es keine überprüfbare Faktengrundlage, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. „Trump bleibt den Beweis schuldig, dass wir Anschläge verschwiegen haben, weil es ihn nicht gibt.“
Mit seinen ständigen Ausfällen gegen die Medien vergifte der amerikanische Präsident das gesellschaftliche und politische Klima, kritisierte Überall. „Trump gibt den kommunikativen Geisterfahrer, für den Totalschäden zum Spiel gehören.“ Mit Trumps Verbalattacken registrieren die großen US-Medien erstmals seit Jahren aber wieder einen Aufwärtstrend bei den Leser-, Hörer- und Zuschauerzahlen. Dan Schaub von der Mediengruppe McClatchy erklärte das mit einem „starken Bedürfnis nach Fakten und Wahrheit“.
Trump-Beraterin Conway erfindet Massaker
Trump hatte bereits mehrfach US-Medien attackiert. „Die Medien sind eine Schande“, sagte er. Ein Großteil der Medien sei durch „Unehrlichkeit“ sowie „totalen Betrug und Täuschung“ geprägt. Zuletzt warf er der Zeitung „New York Times“ vor, Berichte über ihn frei zu erfinden: „Die gescheiterte ‚New York Times‘ schreibt in Bezug auf mich totale Fiktion.“ Schon bei seinem Amtsantritt beschuldigte Trump mehrere Medien, die bei Trumps Vereidigung anwesende Zuschauermenge absichtlich heruntergespielt zu haben.
Ebenso haltlos war zuletzt der Vorwurf von Trump-Beraterin Kellyanne Conway über ein angebliches Massaker in der Stadt Bowling Green im Bundesstaat Kentucky und ein daraufhin von Ex-Präsident Barack Obama verhängtes Einreiseverbot. Conway wollte damit Trumps Einreisestopp für Bürger aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern verteidigen, tatsächlich hatte es das Bowling-Green-Massaker aber nie gegeben. In den Sozialen Netzwerken war daraufhin eine Welle der Kritik losgebrochen. Conway nahm ihre Äußerung zurück.

APA/AFP/Mandel Ngan
Donald Trump mit der Erfinderin „alternativer Fakten“, Kellyanne Conway
Am Samstag warf Conway den Medien vor, mit einer „respektlosen“ Berichterstattung zur Gewalt aufzustacheln. „Wenn Sie dem Präsidenten und den wichtigsten Sprechern keinen Respekt zollen, dann zeigen Sie keinen Respekt vor dem Amt und Sie stacheln zu einer Mobmentalität, wenn nicht gar zu Massenausschreitungen auf“, sagte Conway.
Keine Angaben über Anti-IS-Strategie
In seiner Rede in Tampa versprach der US-Präsident, dass die USA und ihre Verbündeten den IS „besiegen“ würden. Auskunft über seine Strategie für den Kampf gegen den IS blieb er aber schuldig. „Wir werden den radikalen islamischen Terrorismus besiegen. Und wir werden nicht zulassen, dass er in unserem Land Wurzeln schlägt“, sagte Trump lediglich. Das Kommandozentrum in Tampa, vor dem Trump seine Rede hielt, überwacht die Militäreinsätze im Nahen Osten und in Zentralasien, wozu auch der Kampf gegen den IS in Syrien und im Irak zählt.
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