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Wenn Robin Batman verdrischt

Daniel Richter, medientauglicher Ex-Punk, der in Wien an der Akademie der bildenden Künste unterrichtet, erhält erstmals eine große Einzelschau. Das 21er Haus verortet ihn als Punk- und Poppropheten zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit.

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In der Ausstellung läuft ein Video, in dem Richter über seine Kunst philosophiert. Das Atelier sei wie ein Schwamm, der das Draußen aufsauge, als wäre es Wasser. Sprich: Der Maler wringt diesen Schwamm aus, das Ergebnis sind Bilder. Gegenständliche und abstrakte Malerei, Phantasie und verfremdete Abbildungen der Realität fließen ineinander über, nicht selten in ein und demselben Gemälde. Richter ist es wichtig, an die Welt da draußen anzudocken. Die abstrakte Malerei, die lediglich mit Formen spielt, sei schon bald zu Dekorationsobjekten für Reiche verkommen.

Die reine Abbildung der Realität hingegen ist Fotografie - und ihre Imitation durch die Malerei nur mäßig spannend, wie Richter findet. Ihn interessiert es nicht, zu zeigen, was ist und wie es ist, wo keine Fragen mehr offen sind. Lohnenswert wird die Malerei dort, wo er sich nicht sicher ist; im Zweifel ist Richter für den Zweifel. Er ist, ganz egal, ob das seine Intention ist oder nicht, dennoch ein zugänglicher Maler. All die Wildheit und Buntheit, bei Richter führt sie wohin und ist kein reiner kunsttheoretischer Kommentar.

Exponat aus der Ausstellung von Daniel Richter im 21er Haus

ORF.at/Simon Hadler (Reproduktion)

Ohne Titel (2008); Taliban, mit Gitarren bewaffnet

„Alte beschissene Malerei“

Richter war früher ein Punk, er kam erst spät zur Malerei, mit dreißig begann er sein Studium. Anfang der 90er Jahre war es keineswegs selbstverständlich, sich der Malerei zu widmen - und schon gar nicht als Punk. Die bildende Kunst war als stinklangweilig verschrien, wie das Theater galt auch sie als tot, als bürgerlich-verstaubt. Das bedeutete einerseits Freiheit, weil jemand wie Richter praktisch konkurrenzlos im luftleeren Raum agieren konnte. Andererseits konnte er nicht damit rechnen, jemals Erfolg zu haben - wo sich doch niemand mehr für Gemälde zu interessieren schien.

Ein Desinteresse, das Richter nicht zu wundern scheint. In einem seiner Gemälde steht im Vordergrund ein grelloranger Mann, der vorwurfsvoll auf einen Mob zeigt, den er durch ein Bullauge sieht - wobei die Menschen draußen wiederum von dem Mann im Gebäude entsetzt zu sein scheinen. Sie sind gleichförmig, eine blaue Masse mit Pinseln in den Händen. Wie bei Richter oft, ist auch hier der Titel ein entscheidender Kommentar: „Weil ihr alle ausseht wie alte beschissene Malerei, müssen wir alle sterben“.

Ausstellungshinweis

Die Ausstellung „Daniel Richter. Lonely Old Slogans“ läuft im 21er Haus noch bis 5. Juni. Das 21er Haus hat von Donnerstag bis Sonntag von 11.00 bis 18.00 Uhr und am Mittwoch von 11.00 bis 21.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet für Erwachsene 7.00 Euro.

Nostalgischer Blick auf „Fuck the Police“

Das Bullauge, der Blick von drinnen nach draußen, das Relais zwischen Richters Innerlichkeit und den Äußerlichkeiten der Welt, kommt noch in einem anderen Gemälde vor. Schwarz ist es drinnen, hell draußen. Der Punk mit der „Fuck the Police“-Lederjacke stützt sich auf und blickt in die Ferne. Wie im Falle der „beschissenen Malerei“ im anderen Bild ist auch hier etwas zu Ende gegangen, wie sich aus dem Titel ablesen lässt: „Lonely Old Slogan“. Richter ist damit dem Graffiti-Künstler Banksy nicht unähnlich, der mitunter ebenfalls mit ikonenhaft umgesetzten Slogans arbeitet.

Daniel Richter

APA/Herbert Neubauer

Daniel Richter im 21er Haus vor seinem Gemälde „Lonely Old Slogan“ aus dem Jahr 2006

Eine Postpunk-Attitüde mit Pop-Avancen und eine Malerei, die ihre Themen nicht (nur) aus dem Kunstbetrieb schöpft, die nicht in den bürgerlichen Kunstkanon passen will (der die Revoluzzer der Moderne längst aufgesogen hat) und deren thematischer Aufriss auch dem unbedarften Betrachter ermöglicht, sich zum Sujet in Beziehung zu setzen. Denn Richters Gemälde kommunizieren mit dem Betrachter auf sehr unmittelbare Weise. Er ist ein Geschichtenerzähler mit den Mitteln der Kunst.

Taliban mit E-Gitarre

Das zeigen auch seine Afghanistan-Bilder, in denen er talibanartige Figuren zeigt, die durch eine bergig-hügelige Landschaft wandern, allerdings meist mit Gitarren statt Kalaschnikows. Subtiler Humor hinterfragt hier die Wahrnehmungsmuster des Westens. Früher führte der Hippie-Trail mit seinen geblümten VW-Käfern nach Kabul, psychedelische Gitarrenmusik, billiges Heroin und ebensolches Gras lockten Massen von Teens und Twens an. Heute sieht man in Afghanistan nur einen Hort des Terrors, eine Vergangenheit oder gar eine Kultur wird den Afghanen nicht zugesprochen.

TV-Hinweis

Der „kultur.montag“ berichtet am Montag, 22.30 Uhr, ORF2, von der Ausstellung und bringt ein Interview mit Richter inmitten seiner Werkschau - mehr dazu in tv.ORF.at.

Popkulturelle Referenzen wie hier die Gitarren kommen bei Richter immer wieder vor. In einem seiner Bilder etwa verdrischt Robin Batman mit einer Rute. Das Gemälde heißt „Erinnerungen an S.O. 36“ - also an einen legendären Punk- und New-Wave-Club im Berlin zu Kalter-Krieg-Zeiten. Nur scheinbar im Gegensatz dazu stehen seine abstrakteren Werke, die jedoch ebenfalls eine starke körperliche Komponente beinhalten. Jüngste Gemälde widmen sich etwa der Sexualität, wobei sich Körperteile aus einem bunten Szenario herauszulösen scheinen, in einander verkeilt sind und nicht ganz klar scheint, ob hier Krieg geführt oder gevögelt wird.

Richter, West, Hüpfner: den Besuch wert

Das 21er Haus ist momentan jedenfalls den Besuch wert für alle, die weniger auf die feine Klinge theorielastiger Auseinandersetzungen auf Metaebene Wert legen, sondern für die Kunst ordentlich „reinknallen“ darf. Im Erdgeschoß kann man mit Franz Wests farbenfrohen Skulpturen spielen, im Keller lohnt es sich, Kurt Hüpfner zu entdecken, dessen Bilder und Skulpturen sich an der Pop Art orientieren, inhaltlich jedoch Themen wie Politik, Krieg und Literatur aufgreifen. Das passt alles recht gut zu Richter. Pop und Punk liegen ja mitunter weniger weit auseinander, als man denken möchte.

Simon Hadler, ORF.at

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