Football in der Nachwuchskrise
Das Milliardengeschäft mit American Football läuft rund um den 51. Super Bowl blendend. Doch an der Basis des amerikanischen Volkssports rumort es. Verletzungen prägten die letzten Saisonen der US-Profiliga National Football League (NFL). Das schadet dem Image und schreckt Kinder beziehungsweise deren besorgte Erziehungsberechtigte ab.
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Vor allem für nervöse Helikoptereltern kommt American Football kaum noch in Frage - trotz entschärfter Varianten, die es für Kinder gibt. Viele schicken den Nachwuchs mittlerweile lieber zum Fußballtraining. Der Dachverband des Amateurfootball, USA Football, sucht nun einen Ausweg aus der Misere. Drastische Änderungen beim Jugendfootball stünden im Raum, berichtete die „New York Times“ letzte Woche.
Welches Alter ist das richtige?
So soll das klassische American-Football-Spiel näher an das kontaktarme Flag Football rücken, bei dem der direkte körperliche Kontakt durch das Herausziehen eines seitlich am Gürtel befestigten Streifens - der Flagge („flag“) - ersetzt wird. Die Spielfelder und auch die Teams sollen verkleinert werden - auf sechs bis neun statt bisher elf Spieler. Um das Spiel zu entschleunigen, soll die klassische Startposition im „Three-point stance“ (Dreipunktestand) der Hocke weichen.

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Bald soll der Football-Nachwuchs nur noch aus der Hocke statt aus dem Dreipunktestand starten dürfen
Viele Eltern fragten sich, in welchem Alter die Kinder nach dem Flag Football mit Tackle Football (tackle: „angreifen, fassen“) beginnen sollen - falls überhaupt, so Mark Murphy von USA Football. Tackle Football bezeichnet jene klassische Spielart, bei der im American Football ein Ballträger durch einen körperlichen Angriff (Tackle) zu Boden gebracht wird. Schulen in mehreren US-Bundesstaaten wie Maine, Missouri und New Jersey schafften ihre Tackle-Football-Programme bereits ab. Doch auch die Zahlen im Flag Football gehen zurück.
Studien belegen irreparable Gehirnschäden
Dass der Lieblingssport vieler Amerikaner Gefahren birgt, ist wissenschaftlich belegt. In der Tat verzeichnet kaum eine Sportart so viele Gehirnverletzungen wie American Football. Das betrifft nicht nur die oberen Spielklassen, sondern auch Amateure und ganz junge Nachwuchsspieler. Gerade in den College- und Highschool-Ligen zählt vor allem Härte. Allein 2015 starben in der US-Highschool-Saison sieben Teenager an den Folgen von Spielverletzungen, berichtete das deutsche Magazin „Zeit“ Ende 2015.
Eine Studie ergab laut „Zeit“ schon 2007, dass körperlich noch nicht komplett austrainierte Highschool-Spieler dreimal so stark gefährdet seien wie Collegespieler, gravierende Schäden beim Football zu erleiden. Dabei geht es eben nicht nur um Prellungen und Knochenbrüche. So sind vor allem Gehirnerschütterungen im Football eine typische Verletzung. Erleidet ein Spieler häufig welche, können irreparable Schäden entstehen.

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Schon die Kleinsten versuchen beim Flag Football den Kontrahenten das Ei abzujagen
Je früher, desto riskanter
Wurde schon vor dem Alter von zwölf Tackle Football gespielt, sei das Risiko späterer kognitiver Störungen gestiegen, schreibt die „NYT“. „Je früher sie zu spielen begonnen haben, desto schlechter erging es ihren Gehirnen später“, wird Robert Stern von der Boston University School of Medicine zitiert.
Verschiedene Studien belegen, dass Football-Spieler ein signifikant höheres Risiko für neurologische Erkrankungen haben: Alzheimer, Parkinson, Amyotrophe Lateralsklerose, Hirntumore und die besonders gefürchtete Erkrankung CTE (Chronisch Traumatische Enzephalopathie, auch Dementia pugilistica genannt), bei der die Nervenstränge des Gehirns vernarben. Das Krankheitsbild wurde 2002 bei der Obduktion des Profispielers Mike Webster festgestellt.
NFL reagierte spät
Die offiziellen Verbände - allen voran die NFL - spielten die medizinischen Erkenntnisse zunächst herunter. Erst nachdem Forschungen an den Gehirnen verstorbener Spieler nachgewiesen hatten, dass sie an neuropsychiatrischen Krankheiten gelitten hatten, änderte die NFL die Spielregeln. So gibt es unter anderem seit 2009 die „Concussion Rule“ („Gehirnerschütterungsregel“): Spieler dürfen nach einer Gehirnerschütterung nicht mehr zurück ins Spiel.
US-Mediziner und -Experten zeigten sich zuletzt angesichts der neuen Pläne zur Entschärfung des Jugendspiels skeptisch: „Wenn es Tackle gibt, ist es egal, ob sieben oder neun Spieler im Team sind“, so Terry O’Neil gegenüber der „NYT“.
Wachsender Zulauf in Österreich
In der österreichischen Football-Szene kennt man die Problematik gar nicht. „Wir machen uns keine Sorgen und achten auf Schutz“, sagte Christoph Seyrl vom American Football Bund Österreich (AFBÖ) im ORF.at-Interview. Seit „sieben bis acht Jahren“ steige die Nachfrage nach American Footbal stetig : „Wir haben mehr Zulauf, als wir aufnehmen können.“ Konträr sind hierzulande auch die Entwicklungen bei allfälligen Reglementänderungen. So werde in Österreich gerade darüber nachgedacht, die Kinderteams von neun auf elf Spieler aufzustocken, so Seyrl. Er kann in der Teamgröße keine Gefahren erkennen, eher schon in der Spiellänge, da mit zunehmender Dauer die Konzentration leide.

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Sogar Barack Obama würde seinen Kindern Football nicht unbedingt erlauben
Hier wie in ganz Europa werde Football mit adaptierten Collegeregeln gespielt, so Seyrl. Kopfstöße seien überhaupt nie erlaubt gewesen und würden, so sie vorkommen, streng geahndet. Man habe eine „andere Technik, wie der Tackle stattfindet“, und achte gerade beim Nachwuchstraining darauf, die besten Trainer einzusetzen. Das sei in den USA, wo eine ganz andere Wettbewerbssituation herrsche, nicht immer so, vermutet Seyrl. Und weiter: „Bei Kindern soll der Spaß im Vordergrund stehen.“ Krankheitsfälle wie in den USA gab es laut Seyrl in den 25 Jahren, in denen in Österreich American Football gespielt wird, nicht.
Für Obama zu hart, für Trump zu „soft“
In den USA ist das Thema unterdessen längst im Weißen Haus angekommen. Der ehemalige Präsident Barack Obama warnte 2013 vor den Gefahren gerade im Jugendfootball: „Wenn ich einen Sohn hätte, würde ich lange und intensiv darüber nachdenken, ob ich ihm die Erlaubnis geben würde, Football zu spielen“, sagte er in einem Interview des Magazins „New Republic“.
Doch nun herrschen andere Töne. Sein Nachfolger Donald Trump hatte schon im Wahlkampf klargemacht, was er sich auf dem Spielfeld erwartet. So mokierte er sich in einer Wahlkampfrede im vergangenen Jahr darüber, dass der amerikanische Paradesport mittlerweile zu „soft“ geworden sei.
Doris Manola, ORF.at
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