Themenüberblick

Dem finnischen Mann gewidmet

„Was Männer sonst nicht zeigen“ lädt in die Sauna ein und lässt Männer einfach reden. Der Dokumentarfilm gesteht Männern jene Gefühle zu, die ihnen gesellschaftlich und kulturell landläufig abgesprochen werden. Schwitzend wird über prägende Erlebnisse und damit verbundene Emotionen gesprochen. Das Menschliche wird offensiv nach außen getragen. Die Sauna als Ort der Reinigung für Körper und Geist.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Finnland und die Sauna verbindet eine jahrtausendealte Tradition, was allein damit beginnt, dass das Wort dem Finnischen entstammt. Im Dokumentarfilm des finnischen Regieduos Joonas Berghall und Mika Hotakainen wird die Selbstverständlichkeit des Saunagangs nur allzu deutlich. Finnland ist eine stolze Nation der Saunierer, die ihre Saunen falls nötig auch in Telefonzellen, Mähdreschern, Autos und ausrangierten Wohnwagen einbauen. Sauna ist Alltag.

Szene aus dem Film "Was Männer sonst nicht zeigen"

Polyfilm

Auch so mancher finnische Bär hat Erfahrungen mit der Sauna

All das wird in „Was Männer sonst nicht zeigen“ zwar deutlich sichtbar, doch eigentlich hat der Film ein etwas anderes Ansinnen als eine kultur- und gesellschaftshistorische Aufarbeitung der Sauniergepflogenheiten des Nordens zu bieten.

Auch Männer haben Gefühle

Die Sauna dient als Rahmen, um Männer so sprechen zu lassen, wie sie sonst selten sprechen. Der Film kehrt die emotionale Seite von Männern nach außen. Was lange vermutet wurde, wird hier evident: Auch Männer haben Gefühle.

Hier wird darüber geredet, um was es im Leben letzten Endes womöglich gehen könnte und was am Ende des Tages vielleicht zählt. Hier wird das Elementare verhandelt. Familie ist eines der zentralen Themen des Films. Es geht um Einsamkeit, Partnerschaft und natürlich um die Liebe und die Manneskraft. Und sehr bald wird deutlich: Die Sauna reinigt nicht nur den Körper, sondern holt das Gift auch aus der Seele.

Exotische Empathie

Ein junger Mann erzählt seiner Saunarunde von der Geburt seines Sohnes und wie es sich angefühlt hat, die Nabelschnur durchtrennt zu haben. Seine Augen leuchten. Er ist ergriffen, als wäre sein Kind vor wenigen Augenblicken zur Welt gekommen. Die anderen Männer stimmen schweigend zu. Ihre Blicke drücken Mitgefühl aus. Die Männer zeigen kollektive Rührung. Empathische Männer auf der Leinwand bergen durchaus eine gewisse Exotik.

Szene aus dem Film "Was Männer sonst nicht zeigen"

Polyfilm

Landschaftsaufnahmen Finnlands bilden die Gegenschnitte zu den etwas anderen Männergesprächen

Ein alter Mann erzählt vom Tod seiner Frau, und wie es für ihn war, als ihm die Polizei die schreckliche Nachricht mitgeteilt hat. Es fließen Tränen. Viele Männer werden es ihm im Film noch gleichtun. Ein ehemaliger Krimineller berichtet von seiner Läuterung und dem Erweckungserlebnis, das ihn ein anderer Mensch werden ließ - und wie es war, die große Liebe zu finden. Um ihn herum spielen seine drei kleinen Kinder. Sie sind sein größtes Glück.

Die Seele ist ein weites Land

„Was Männer sonst nicht zeigen“ rückt Männer in den Mittelpunkt, die erlebt haben, was das Schicksal auslösen kann – im Guten wie im Schlechten. Als Gegenschnitte zu den emotionalen Männergesprächen dienen Aufnahmen der weiten finnischen Landschaft, die zur elegischen Filmmusik monumentale Größe entfaltet. Auch die Seele ist bekanntlich ein weites Land. Davor, dazwischen und danach wird Holz gespalten, Holz gehackt und Holz verfeuert. Es folgt Aufguss auf Aufguss. Besonders dann, wenn sich die Erzählungen der Männer zuspitzen.

Szene aus dem Film "Was Männer sonst nicht zeigen"

Polyfilm

Reden macht durstig: Ein Bier nach der Sauna hat in Finnland Tradition

Doch es wäre kein finnischer Film, hätte „Was Männer sonst nicht zeigen“ nicht auch seine skurrilen und amüsanten Seiten. Einem schrulligen alten Finnen folgt selbst sein gezähmter Braunbär mit in die Sauna, der vor der Kamera zur sichtlichen Erheiterung seines Besitzers einen Gartentisch zerlegen darf. Auf analogem Film gedreht besitzt die Optik der Dokumentation einen ganz eigenwilligen Reiz.

„Männer müssen still und stark sein“

„Männer müssen still sein, stark sein und wenn, dann besaufen sie sich“, heißt es in einem der Saunagespräche beiläufig. Der Film weiß zugewiesene Geschlechterrollen kunstvoll zu durchbrechen und nimmt sich dabei selbst nicht immer ganz so ernst. Das macht den Film, den die Regisseure offiziell dem finnischen Mann gewidmet haben, umso authentischer.

Empfohlen sei die Originalfassung mit Untertitel. Die synchronisierte Fassung verliert ungemein an Wirkung. Und für den Film, der als Doku-Dramödie beworben wird, gilt, was für einen Saunagang gilt: Man sollte sich dafür Zeit nehmen und sich in aller Ruhe darauf einlassen.

Johannes Luxner, für ORF.at

Links:

  • Trailer (Originalfassung mit Untertiteln, YouTube)
  • Trailer (Deutsche Synchronfassung, YouTube)