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Trump lobt sich für sein Tempo

Der von US-Präsident Donald Trump verfügte Einreisestopp für Muslime hat weltweit für Empörung und Chaos gesorgt. Die Fälle häufen sich, in denen Muslime an der Einreise in die USA gehindert wurden oder gar nicht erst ins Flugzeug steigen konnten - obwohl sie teils seit Jahren völlig legal dort leben und arbeiten. Die US-Regierung verteidigt die Maßnahme indes gegen „lächerliche“ Kritik.

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Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärte etwa ein hochrangiger Vertreter der Regierung von US-Präsident Donald Trump, es gehe ja gar nicht um ein Einreiseverbot für Muslime, sondern um ein Einreiseverbot aus den sieben Hochrisikoländern Irak, Iran, Syrien, Libyen, Sudan, Somalia und Jemen. Ausgenommen davon sind allerdings „religiöse Minderheiten“ der muslimisch dominierten Länder.

Auch drei Iraner in Wien gestrandet

Das entsprechende präsidentielle Dekret wurde jedoch im wahrsten Sinn des Wortes über Nacht in Kraft gesetzt, auch Christen und Juden aus diesen Ländern wurden an der Einreise gehindert. Betroffen waren auch iranische Bürger, für die es ein eigenes US-Einreiseprogramm gibt, das zu einem Gutteil über Wien abgewickelt wird. Zumindest drei Iraner wurden am Samstag in Wien am Weiterflug in die USA gehindert.

Proteste gegen den von Trump angeordneten Einreisestopp am JFK Flughafen in New York

APA/AFP/Bryan R. Smith

Am New Yorker JFK-Flughafen kam es zu spontanen Protesten

In New York saß etwa ein Iraker fest, der zehn Jahre lang der US-Armee gedient hatte und bereits seit Jahren in den USA lebt - mit seiner Familie, deren Mitglieder allesamt US-Staatsbürger sind. Bürgerrechtsgruppen brachten in seinem Namen sofort eine Verfassungsklage gegen Trump und die US-Regierung ein. Aus der Sicht der Trump-Regierung wurde die Maßnahme allerdings „gekonnt“ umgesetzt, alles laufe „genau nach Plan“.

Chaotische Umsetzung als Teil des „Plans“?

Dass auch die US-Behörden vorerst nicht wussten, wie sie agieren sollen, gehört offenbar zum „Plan“. Die Details der Maßnahme vorab zu verlautbaren, wäre aus Sicht der neuen US-Regierung in sicherheitspolitischer Hinsicht „halsbrecherisch“ gewesen. Die Maßnahme sei ohnehin nur eine Übergangslösung für 90 Tage, bis „gründliche und sorgfältige“ Überprüfungsmechanismen für jeden einzelnen Einreisewilligen etabliert seien.

Auf unbestimmte Zeit soll jedoch das Einreiseverbot aus Syrien gelten. Auch darin sieht die US-Regierung kein Problem, da Trump ja an einer „Sicherheitszone“ innerhalb Syriens arbeite und außerdem von der Militärführung in Monatsfrist einen Plan verlangt habe, wie man die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) besiegen könne. Bis dahin würden alle Einreisewilligen per Einzelfallprüfung durchleuchtet, auch jene mit Arbeitsbewilligung.

Google ruft Mitarbeiter zurück

Ausgenommen von der Maßnahme sind nur Diplomaten und Menschen, die im Dienst der UNO unterwegs sind. Allein Google orderte an die 100 derzeit im Ausland tätige Mitarbeiter mit Pässen der betroffenen Länder sofort in die USA zurück, damit nicht auch sie fernab ihrer Jobs im Ausland stranden. Durch das Dekret wird zudem das gesamte Flüchtlingsprogramm der USA für 120 Tage ausgesetzt.

Das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM) erinnerten in einem gemeinsamen Appell in Genf an die bisherige US-Willkommenspolitik, die viele Leben gerettet und gleichzeitig die US-Gesellschaft bereichert habe. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einem „entsetzlichen Schritt“ mit möglicherweise „katastrophalen Konsequenzen“.

Auch „schlecht für Europa“

Deutschland und Frankreich zeigten sich „besorgt“ über die Maßnahmen. Deutschlands neuer Außenminister Sigmar Gabriel sagte in Paris, der Westen werde sich immer messen lassen müssen an den Wertvorstellungen, die er entwickelt habe. „Dazu gehört auch Schutz für Verfolgte, dazu gehört Hilfe für Bedrohte und Bedrängte.“ Sein Kollege Jean-Marc Ayrault sagte, es sei „unsere Pflicht“, Flüchtlinge aus Kriegsgebieten aufzunehmen.

Der Iraker Botan Mahmoud Hassour zeigt Fotos von seiner Arbeit beim US-Militär

Reuters/Ahmed Saad

Auch der Iraker Botan Hassur darf nicht wie geplant in die USA ausreisen. Er zeigt in Erbil Fotos und andere Beweise seiner Arbeit für das US-Militär.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte dem „Tagesspiegel am Sonntag“, die muslimische Welt werde mit Trumps Anordnung „in Gut und Böse eingeteilt“. Die Entscheidung sei auch „schlecht für Europa, weil sie in der muslimischen Welt den Argwohn und den Hass gegenüber dem Westen noch verstärken wird“. Die britische Premierministerin Theresa May, nach dem „Brexit“ um ein Handelsabkommen mit den USA bemüht, sagte nur, die USA seien „selbst für ihre Flüchtlingspolitik verantwortlich“.

Zuspruch nur aus Tschechien

Das iranische Außenministerium kündigte an, ab nun auch US-Bürgern die Einreise zu verbieten. Millionen Iraner sind nach der islamischen Revolution 1979 in die USA ausgewandert. Viele Iraner befürchten nun, dass sie ihre Familienangehörigen in den USA nicht mehr sehen können. Kanadas Premier Justin Trudeau erklärte, Kanada werde immer jeden willkommen heißen, der vor Verfolgung, Terror oder Krieg fliehe, „egal welchen Glaubens“.

Die pakistanische Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai äußerte sich bestürzt. „Es bricht mir das Herz, dass Amerika sich von seiner stolzen Geschichte abwendet, in der Flüchtlinge und Immigranten willkommen geheißen wurden“, erklärte die Aktivistin. Der demokratische Oppositionsführer im US-Senat, Charles Schumer, sagte: „Über die Wangen der Freiheitsstatue rollen Tränen.“ Zuspruch für Trump kam aus dem Büro von Tschechiens Präsident Milos Zeman.

Trump lobt sich: „Alle sprechen darüber“

Trump selbst lobte in seiner ersten wöchentlichen Radioansprache als Präsident sein Arbeitstempo: „Unsere Regierung ist mit voller Fahrt, einer Rekordgeschwindigkeit, eingestiegen, alle sprechen darüber.“ Als Beweis dafür führte er einige seiner 15 bis Samstagmittag erlassenen Dekrete auf, darunter Maßnahmen zur Aufhebung der Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama. In Trumps republikanischer Partei wird auch dabei die Kritik lauter, dass Trump seine Wahlversprechen ohne jeden Plan oder Gedanken an mögliche Konsequenzen per Dekret umsetze.

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