Zusammenhalt im Land beschworen
Alexander Van der Bellen ist Donnerstagvormittag vor der Bundesversammlung als neunter Bundespräsident der Zweiten Republik angelobt worden. Mit den Worten „Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde“ leistete der frühere Grünen-Chef den Amtseid.
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In seiner Antrittsrede plädierte er für Zuversicht in einer Zeit der Veränderung. Er beschwor den Zusammenhalt im Lande, verwies auf das gemeinsame Wertefundament und verlangte der Politik „Ergebnisse“ ab. Er wolle - „eh klar“ - „ein Bundespräsident für alle in Österreich lebenden Menschen“ sein, sagte er in der für ihn üblichen launigen Art. Überhaupt lockerte der Präsident seine Rede mit einigen Bonmots auf, stellte aber vor allem das Verbindende in den Vordergrund.

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Van der Bellen und die Bundesregierung
„Mutig in neue Zeiten“
„Ich bin als Flüchtlingskind geboren.“ Er sprach vor der Bundesversammlung im Parlament über die „Unwirklichkeit“ dieses Moments nach einem „großteils ganz gemütlichen“ Wahlkampf: „Und jetzt darf ich als Ihr Bundespräsident vor Ihnen stehen.“ Mit „mutig in die neuen Zeiten“ zitierte er wie schon in seinem ersten Wahlkampfvideo eine Zeile aus der Bundeshymne. „Es lebe unsere friedliche europäische Zukunft! Und es lebe unsere Republik Österreich!“
„Gemeinsam an Österreichs Fähigkeiten glauben“
Zuvor stellte er den Menschen im Land Veränderungen zum Besseren in Aussicht, „wenn wir gemeinsam an Österreichs Fähigkeiten glauben“. Diese Anlehnung an die Weihnachtsansprache des ÖVP-Bundeskanzlers Leopold Figl aus dem Jahr 1945 war nicht das einzige Versatzstück aus den Anfangsjahren der Zweiten Republik, die der erste nicht von SPÖ oder ÖVP gestellte Bundespräsident des Landes in seiner knapp halbstündigen Rede bemühte.
Van der Bellen ist Bundespräsident
Alexander Van der Bellen wurde Donnerstagvormittag in einem Festakt vor der Bundesversammlung als neunter Präsident der Zweiten Republik offiziell angelobt.
Warnung vor neuem Nationalismus
Auch die Brückenbauerrolle des Landes betonte er, die Aufbauarbeit in der Nachkriegsgeneration ebenso wie die Neutralität und die Rolle des Bundesheeres. Doch auch den Holocaust - „das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte“ - erwähnte er. „Österreicher gehörten zu den Opfern, aber auch zu den Tätern“, sagte Van der Bellen. „Das halte ich für die dunkelste Seite unserer österreichischen Geschichte.“ Sie sollte niemals vergessen werden.
Umso mehr unterstrich Van der Bellen die Bedeutung der EU, die nach dem Zweiten Weltkrieg dem Entschluss der Politiker Europas zur Versöhnung und Gemeinsamkeit entwachsen sei. Sie sei ein Raum des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands, in der die Gewalt aus den Beziehungen der Staaten verbannt sei. Dennoch sei Europa unvollständig und verletzlich. Er sehe die Gefahr, „dass wir uns von einfachen Antworten verführen lassen und dabei in Richtung Nationalismus und Kleinstaaterei kippen“.
Dank an Mitstreiter
Ob das seinem Kontrahenten Norbert Hofer von der FPÖ gewidmet war, blieb unbeantwortet. Van der Bellen richtete ihm jedenfalls „bei aller Differenz“ seinen Respekt aus. Er werde „spätestens mit dem heutigen Tag auch jene vertreten, die mich nicht unterstützt haben“, meinte er, freute sich aber besonders, „weil mich Hunderttausende Menschen in einer gemeinsamen Willens- und Kraftanstrengung hierher getragen haben“. Ein „ganz, ganz herzliches Dankeschön“ richtete er auch an Altbundespräsident Heinz Fischer, und auch seiner Ehefrau Doris Schmidauer dankte er: „Ohne dich wäre es, glaube ich, nicht gegangen.“
ORF-TV-Innenpolitikchef Bürger über den Präsidenten
Van der Bellen will nun Präsident aller sein und Gräben überwinden. Wie wird er seine Präsidentschaft anlegen? ORF-TV-Innenpolitikchef Hans Bürger analysiert.
„Österreich sind wir alle“
Mit den Worten „Österreich, das sind wir alle“ betonte das neue Staatsoberhaupt mehrmals den Zusammenhalt in der Gesellschaft, egal woher die Menschen kämen, und gleich, „ob sie nun Männer oder Frauen lieben“. „Dieses Gerede von Spaltung halte ich für maßlos übertrieben.“ In Zeiten der Veränderung sei das wichtig. Er verwies auf Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt, durch Flucht und Migration, Nationalismus und Terror und durch den Klimawandel. Er sehe positiv in die Zukunft. Er sei immer „getragen von der Zuversicht, dass es besser werden kann und wird“. Besonders hohen Stellenwert hätten die Kinder Österreichs. „Ihr werdet die Welt neu bauen.“
Mahnung an Regierung
Die Zuversicht sei stärker als der Zweifel, sagte Van der Bellen und bemühte das Bild von sich als Kind, als er zum ersten Mal den Sprung vom Dreimeterbrett wagte. „Das Siebenmeterbrett habe ich verweigert“, sagte er. Unveränderlich seien Grundprinzipien wie Freiheit, Gleichheit und Solidarität, erinnerte er an die Französische Revolution. Dann könne man die Herausforderungen, vor denen die Republik stehe, auch meistern.

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Bewegende Momente im Parlament
Der Politik stellte er hier die Rute ins Fenster, ohne sehr konkret zu werden oder die schwelende Regierungskrise in der rot-schwarzen Koalition direkt anzusprechen: „Die Österreicherinnen und Österreicher warten schon auf die notwendigen Entscheidungen und Ergebnisse“, sagte Van der Bellen lediglich. „Dafür wünsche ich Ihnen alles Gute.“
Bures: „Was lange währt, wird heute gut“
Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) hatte sich zuvor in ihrer kurzen Rede erfreut gezeigt, dass es nun wieder einen gewählten Bundespräsidenten gibt: „Was lange währt, wird heute gut.“ „Ich freue mich, dass ich diese Aufgabe in Ihre Hände legen kann“, meinte Bures, die mit ihren Kollegen aus dem Nationalratspräsidium die vergangenen Wochen die Geschäfte des Präsidenten übernommen hatte.
Gleichzeitig zeigte sich die Parlamentschefin überzeugt, dass sich die Zusammenarbeit des Hohen Haus mit dem langjährigen Klubobmann der Grünen positiv gestalten werde. Van der Bellen wisse die Vielfalt und den Kompromiss zu schätzen. Es sei möglich, sich in der Mitte zu treffen, auch wenn man aus unterschiedlichen Richtungen komme.
Bundesratspräsidentin gegen Angst als Antrieb
Bundesratspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann warf in ihrer Rede indirekt einen Blick zurück auf den durchaus polemischen Wahlkampf. Nach dem Kampf der Worte brauche es jetzt die Kraft des Gemeinsamen. Vom neuen Bundespräsidenten, ihrem Tiroler Landsmann Van der Bellen, erhofft sich Ledl-Rossman, dass dieser positiv, verbindend, besonnen und gerne auch mit einer angemessenen Portion Patriotismus agieren möge. Er solle ein verlässlicher Partner der Menschen in Österreich sein.
Gerade jetzt brauche es Orientierung, Sicherheit und eine verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Menschen. Angst könne hier aber nicht der Antrieb für die Gestaltung Österreichs sein. Eigenschaften wie Wagemut und Exzellenz seien es, die Großes entstehen ließen.
Kaum Applaus der FPÖ
Mit Interesse wurde bei der Bundesversammlung beobachtet, wie die FPÖ wohl auf jenen Bundespräsidenten reagieren wird, der sie zumindest nach bisherigen Ankündigungen nicht in einer Regierung angeloben will. Begeistert war man bei den Freiheitlichen dann auch nicht.

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Van der Bellen und seine Frau auf dem Weg in die Hofburg
Während Van der Bellen insgesamt vom Auditorium mit lange anhaltendem Beifall empfangen wurde, verweigerten sich die Abgeordneten der FPÖ mit Parteichef Heinz-Christian Strache weitgehend den Applaus und verfolgten die Zeremonie reglos. Eine Ausnahme bildete Präsidentschaftskandidat Hofer, der gemeinsam mit den anderen Nationalratspräsidenten länger applaudierte.
Strache sagte gegenüber der APA, dass seine Fraktion dem neuen Präsidenten sehr wohl applaudiert habe. „Wir haben geklatscht, aber kurz“, so Strache. Man habe aber keinen Grund für „drei Minuten Jubel“ gesehen.
Spitzen der Republik bei Angelobung
Der historische Sitzungssaal des Parlaments war prall gefüllt, die Spitzen der Republik waren fast ausnahmslos vertreten. Von der Bundesregierung fehlte nur Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), der beim Rat der EU-Innenministerrat in Malta weilte. Van der Bellens Vorgänger Heinz Fischer, die Präsidenten der Höchstgerichte sowie des Rechnungshofs, Repräsentanten der Religionsgemeinschaften wie Kardinal Christoph Schönborn und Minister und Abgeordnete waren erschienen.
Auch Vertreter früherer Politikergeneration wohnten der Zeremonie bei, so waren etwa Altkanzler Franz Vranitzky, die früheren Vizekanzler Susanne Riess-Passer und Josef Pröll und die Gründerin des Liberalen Forums, Heide Schmidt, vertreten.
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