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Fassade und Tetrapylon beschädigt

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat in Syriens historischer Oasenstadt Palmyra Teile des römischen Amphitheaters zerstört. Das meldete die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA am Freitag unter Berufung auf lokale Quellen. Laut den Angaben wurde neben der Fassade des Theaters auch das Tetrapylon, ein typisches Monument der römischen Architektur, zerstört.

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Weitere Einzelheiten nannte SANA nicht. Palmyra gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Der IS hatte Palmyra erstmals im Mai 2015 eingenommen. Rund zehn Monate später konnten syrische Regierungskräfte die Stadt mit Hilfe russischer Luftangriffe wieder unter ihre Kontrolle bringen. Damals wurden sogar Konzerte in Palmyra aufgeführt.

Amphitheater in Palmyra

Reuters/Omar Sanadiki

Das Amphitheater vor den Zerstörungen durch den IS

Tempel, Sarkophage und Statuen zerstört

Im vergangenen Dezember fielen die Dschihadisten erneut in Palmyra ein. Bereits während ihrer ersten Herrschaft hatten die Extremisten zahlreiche einzigartige, rund 2.000 Jahre alte Bauwerke zerstört, darunter den Baal-Tempel und den Triumphbogen. Auch ein Teil der berühmten Säulenstraße wurde zerstört. Nach Angaben der UNESCO wurden „die meisten Statuen und Sarkophage verunstaltet“ oder zerschlagen, doch blieb die historische Stätte „zum größten Teil in ihrer Einheit und in ihrem ursprünglichen Charakter erhalten“.

Die Terrormiliz hat in Syrien mehrere Niederlagen erlitten, kontrolliert im Norden und Osten des Bürgerkriegslandes aber weiter große Gebiete. Regierungsanhänger versuchen derzeit, Palmyra wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien gab es in der Nähe der Stadt in dieser Woche heftige Kämpfe. Auf beiden Seiten seien zahlreiche Menschen getötet worden.

Aufführung des russischen Mariinsky Theaters im Amphitheater von Palmyra (Syrien) im Mai 2016

Reuters/SANA

Ein Konzert mit russischen Musikern in Palmyra am 5. Mai 2016

IS tötet erneut Gefangene in Palmyra

Der IS tötete in Palmyra laut der Beobachtungsstelle zwölf Gefangene. Die Opfer seien geköpft oder erschossen worden, so die Beobachtungsstelle am Donnerstag. Auch lokale Aktivisten berichteten darüber. Die Informationen der gut vernetzten, in Großbritannien ansässigen Beobachtungsstelle sind schwer bis gar nicht überprüfbar.

Die Karte zeigt die historische Stadt Palmyra und ihre Lage in Syrien

Grafik: APA/ORF.at

Laut den Angaben wurden die Gefangenen unter anderem in dem römischen Amphitheater und in einem ehemaligen russischen Militärlager getötet. Vier Staatsbedienstete und Lehrer seien von den Dschihadisten vor einem Museum geköpft worden, so die Beobachtungsstelle. Acht Regierungssoldaten und Kämpfer anderer Rebellengruppen seien durch ein Erschießungskommando getötet worden. Die IS-Extremisten hatten in der Stadt bereits mehrfach Gefangene umgebracht. Im August 2015 töteten sie unter anderen den früheren Chefarchäologen Palmyras, Chaled Asaad, vor Dutzenden Zuschauern auf einem öffentlichen Platz.

Teils moderne Nachbauten

Die nun zerstörten Monumente in Palmyra sind teilweise moderne Nachbauten. Von den 16 Säulen des schwer beschädigten Tetrapylons ist nur eine ein Original aus römischer Zeit, wie Andreas Schmidt-Colinet, Professor für Archäologie an der Universität Wien, der dpa sagte. Die anderen Säulen seien Anfang der 1960er Jahre rekonstruiert worden.

Das ebenfalls zerstörte Tor der Bühnenwand des Amphitheaters wurde bis Anfang der 1990er Jahre restauriert. Dafür seien Originalteile und modernes Material verwendet worden, sagte Schmidt-Colinet. Bei dem Giebel des Tores habe es sich um ein Original gehandelt. Bilder des Satellitenprogramms der Vereinten Nationen (UNOSAT) bestätigten die neuen Zerstörungen in Palmyra.

UNESCO: Kriegsverbrechen

Die UNESCO veruteilte das Vorgehen des IS gegen die antiken Monumente scharf. „Diese Zerstörung ist ein neues Kriegsverbrechen und ein immenser Verlust für das syrische Volk und die Menschheit“, sagte UNESCO-Chefin Irina Bokowa am Freitag in Paris.  Laut einer Mitteilung der Kulturorganisation der Vereinten Nationen bestätigen Satellitenbilder des UNO-Programms UNOSAT die Zerstörung des Tetrapylons und von Teilen der Bühnenfassade des römischen Amphitheaters.

Luftaufnahme von Palmyra

AP/ASOR/DigitalGlobe

Eine Luftaufnahme der antiken Stadt

Nur Stunden zuvor habe die UNESCP Berichte über Massenhinrichtungen in dem Theater erhalten, sagte Bokowa. Das zeige, dass die „kulturellen Säuberungen“ der Extremisten sowohl Menschenleben als auch historische Monumente vernichten wollten, „um dem syrischen Volk seine Vergangenheit und seine Zukunft zu nehmen“. Das Tetrapylon, ein typisches Monument der römischen Architektur, sei ein Symbol für den Geist der Begegnung und Offenheit Palmyras - „und das ist auch einer der Gründe, warum es zerstört wurde“, sagte Bokowa. Die historische Oasenstadt gehört seit 1980 zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Lawrow: Barbarischer Akt

Russland bezeichnete die Zerstörung durch die Terrormiliz als Tragödie. Das syrische Militär gebe Pläne für eine Rückeroberung nicht auf, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow am Freitag in Moskau. Russland unterstützt Syrien seit 2015 militärisch. Außenminister Sergej Lawrow sprach von einem barbarischen Akt und rief zum gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus auf. Es brauche erst einen Donnerschlag, damit die internationale Gemeinschaft in Bewegung komme, sagte er der Agentur Interfax zufolge.

Wichtiges Zentrum im Altertum

Die Oasenstadt Palmyra in der zentralsyrischen Wüste war eines der herausragenden Zentren im Altertum. Die UNESCO erklärte die Ruinen der ehemaligen Handelsmetropole der legendären Königin Zenobia im Jahr 1980 zum Weltkulturerbe. Durch ihre Lage an einer der wichtigsten Handelsrouten zwischen dem Römischen Reich, Persien, Indien und China gewann Palmyra in den ersten Jahrhunderten nach Christus stetig an Bedeutung. Nach ihrer Blütezeit wurde die Stadt im Jahr 272 von den Römern zerstört. Das vor dem Syrien-Krieg beliebte Touristenziel gilt als einer der bedeutendsten Komplexe antiker Bauten im Nahen Osten. Neben den Ruinen liegt die moderne Stadt Tadmur. Der Ort befindet sich nordöstlich von Damaskus.

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