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Ein Mann, ein Spiel, ein Kreuzzug

Pinball-Automaten gelten heute als unschuldiges Vergnügen. Im Jahr 1942 aber sorgte ihr schlechter Ruf als „Gaunerei“ und zum Glücksspiel verleitende Versuchung für die Jugend für ein jahrzehntelanges Verbot in den USA. Argumente dafür lieferte auch der Zweite Weltkrieg.

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Als der New Yorker Bürgermeister Fiorello LaGuardia am 21. Jänner 1942 ein Schreiben unterzeichnete, das der Polizei die Konfiszierung und Zerstörung aller Pinball-Geräte in New York vorschrieb, grassierte in den USA längst das Spielfieber. Abertausende der münzbetriebenen Spielautomaten standen in Bars, Geschäften und Spielhallen.

Geruch nach Glücksspiel

Pinball war ein beliebtes Vergnügen für wenig Geld. Die Flipperhebel, mit denen der Spieler heute den Ball durch den Automaten katapultiert, wurden aber erst 1947 erfunden. Bis dahin rollten eine oder mehrere Stahlkugeln durch die Maschine, ohne dass vom Spieler entscheidend Einfluss darauf genommen werden konnte.

Schauspielerin Hedy Lamarr spielt mit einem Flipperautomat

AP

Auch die österreichische Schauspielerin Hedy Lamarr zeigte 1945 Pinball-Affinität

Um das Vergnügen aufzupeppen, wurde vielerorts um Geld gespielt. Die Krux daran: Immer wenn Zufall statt Können entscheidend schien, roch etwas zu diesem Zeitpunkt nach Glücksspiel - und damit auch Verbot. Zu allem Überfluss kam eine Vielzahl der Pinball-Automaten aus Chicago, einem neuralgischen Punkt mafiöser Aktivität.

Pinball folgt dem Einarmigen Banditen

Die USA standen damals im Bann der Mafia und des organisierten Verbrechens. Der seit 1934 amtierende LaGuardia ließ noch im Jahre seiner Amtsübernahme in der ganzen Stadt Einarmige Banditen des Mafioso Frank Costello konfiszieren. Nachdem er medienwirksam mit einem Vorschlaghammer auf ein Gerät eingedroschen hatte, ließ er die Automaten in Hudson River versenken.

Rasch weitete er seinen Kreuzzug auf das Pinball-Spiel aus. Dieses sei eine „Gaunerei“, deren Interessen „erheblich von Kriminalität verdorben“ wären. Pinball-Automaten würden „die Taschen von Schulkindern“ um ihr „Jausengeld“ erleichtern. Unterstützt wurde LaGuardia von Moralwächtern, die in den Automaten eine Bedrohung für die Sittsamkeit der Jugend sahen.

Krieg statt Spiel

Das entscheidende Argument für den Feldzug des Bürgermeisters lieferte der Zweite Weltkrieg. Kurz nach dem Angriff auf Pearl Harbour brachte er das Gesetz für ein Verbot öffentlicher Automaten mit dem Argument durch, Pinball-Maschinen würden aus wertvollen für den Krieg benötigten Metallen bestehen. Tausende Pinball-Automaten wurden in Razzien konfisziert und vom Militär eingeschmolzen.

New Yorks Bürgermeister LaGuardia mit konfiszierten Pinbällen, 1942

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LaGuardia begutachtet konfiszierte Pinball-Bälle, die zu Kriegsmaterial gemacht werden sollten

Zahlreiche andere Städte, darunter Los Angeles und Chicago, zogen mit Verboten nach. Erst in den 1970ern begannen die meisten Staaten, die Gesetze abzuschaffen. Dem mittlerweile zum Flipperautomat mutierten Gerät schadete die Zeit der Ächtung nicht - es wurde und blieb Kultobjekt. Freilich blieben die Geräte in dunklen Ecken weiter beliebt, auch der Privatbesitz war nicht verboten.

Renaissance mit dem perfekten Schuss

Nichtsdestotrotz konnte Flipper den Hauch des Anrüchigen bis in die 1950er Jahre nicht ganz abschütteln. Erst 1976 beendete ein perfekter Schuss des Flipperspielers Roger Sharpe das Verbot in New York. Der Verband für Musik und Unterhaltung hatte ihn angeheuert, um zu beweisen, dass es bei Pinball nicht um Glück, sondern um Können ging, wie etwa Gizmodo berichtet.

Unter dem kritischen Blick eines Gremiums musste Sharpe seine Fähigkeiten beweisen. An einem Ausweichautomaten - ein besonders misstrauisches Jurymitglied hatte wegen Manipulationsverdacht darauf bestanden - wagte Sharpe zum Beweis seiner Kunstfertigkeit ein besonders schweres Manöver. Er jagte die Kugel durch die Mitte und setzte damit erfolgreich jenen Schuss ab, mit dem er den USA den Pinball-Automaten wiederbrachte.

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