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„Man muss auch wissen, wann es Zeit ist“

Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) hat heute angekündigt, dass er im März abtreten wird. „Politisch handeln heißt, die Verantwortung zu tragen.“ Zur Nachfolgefrage werde er heute nicht Stellung nehmen, so Pröll. Als Favoritin für seine Nachfolge gilt Finanzlandesrätin Johanna Mikl-Leitner.

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Ein knappes Jahr vor der Landtagswahl im März 2018 will er nun alle Ämter zurücklegen. Die Entscheidung habe er mit seiner Familie getroffen. „In meinen 37 Jahren in der Landesregierung habe ich eine spannende Zeit erlebt“, sagte er, seine Bilanz sei eine positive: „Das Land steht stabil da. Das Regierungsteam der ÖVP NÖ arbeitet unglaublich toll.“

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Rücktritt im Frühjahr

In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz kündigte Landeshauptmann Erwin Pröll an, sich im März aus allen Ämtern zurückzuziehen.

Er habe eine „sehr persönliche Entscheidung“ getroffen, sagte Pröll. Er sei seit 37 Jahren in der Landesregierung, 36 davon „in einer der beiden höchsten Funktionen“, und im 25. Jahr als Landeshauptmann. Er stehe „im 71. Lebensjahr“ und somit „im sechsten Jahr über dem Pensionsalter. Bei der Landtagswahl 2018 wäre ich im 72. Lebensjahr.“

Rechnungshof kündigte Prüfung an

Er sei der niederösterreichischen Bevölkerung gegenüber verpflichtet, zeitgerecht zu handeln, so Pröll in der Pressekonferenz. Die Ankündigung kam einen Tag nach der Ankündigung des Rechnungshofs, die zuletzt in die Schlagzeilen gekommene Privatstiftung Prölls wie von SPÖ und Opposition gefordert zu prüfen. Die Prüfung werde „demnächst“ beginnen, wie von RH-Seite am Montag mitgeteilt wurde.

Michael Häupl (SPÖ), LH Erwin Pröll (ÖVP), LH Hermann Schützenhöfer (ÖVP) und LH Josef Pühringer (ÖVP)

APA/Erwin Scheriau

Am Montag wurde Pröll gemeinsam mit seinen Amtskollegen Josef Pühringer (ÖVP) und Michael Häupl (SPÖ) vom Land Steiermark geehrt, die Spekulationen über einen baldigen Rücktritt wollte er dort noch nicht kommentieren

Kern dankt Pröll für Engagement

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) drückte seinen Respekt für das politische Lebenswerk des niederösterreichischen Landeshauptmannes aus: „Erwin Pröll hat als Landeshauptmann 25 Jahre für sein Bundesland gearbeitet. Er hat die Politik in Österreich über die Grenzen seines Bundeslandes hinaus geprägt. Ich bedanke mich bei ihm für diesen Einsatz und dieses Engagement.“

Auch wenn die politischen Ideen nicht immer dieselben gewesen seien, hielt der Bundeskanzler fest: „In diesen 25 Jahren hatte Erwin Pröll mitunter unterschiedliche Meinungen – zu den verschiedenen Bundesregierungen und auch zu meiner Partei, aber eines steht außer Streit. Es war immer dasselbe Ziel: für das Land und seine Menschen zu arbeiten.“

„Respekt und Anerkennung“

Vizekanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner zollte Pröll in einer Aussendung Anerkennung. Er spreche ihm im Namen der ganzen Partei Respekt und seine Anerkennung aus. „Erwin Pröll hat Niederösterreich zu dem erfolgreichen Land gemacht, das es heute ist. Der innovative Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturstandort zeigt das Ergebnis seiner jahrzehntelangen Arbeit“, so Mitterlehner. „Gerade seine vielen herausragenden Wahlerfolge haben bestätigt, wie sehr die Menschen diesen Einsatz honorieren“, betonte er.

Auch die starke Volkspartei Niederösterreich sei bestens aufgestellt. „Sowohl unsere Landespartei als auch das Bundesland Niederösterreich werden auch in Zukunft in verantwortungsvollen Händen liegen. Damit wird der erfolgreiche Weg des Landes weitergehen“, sagte Mitterlehner.

Pröll habe im Laufe seiner jahrzehntelangen politischen Laufbahn „immer für Land und Leute gearbeitet“, erklärte auch ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Pröll habe in den Bereichen Infrastruktur, Bildung und Wirtschaft viel erreicht und große Erfolge erzielt. „Für mich steht heute der Respekt vor der Lebensleistung Erwin Prölls im Mittelpunkt“, reagierte Landeshaupmann-Stellvertreterin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die wohl künftige niederösterreichische Landeshauptfrau wird. „Und zu diesem Respekt zählt für mich auch, heute keine weiteren Kommentare abzugeben.“

„Intensive Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinaus“

Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl sagte bei einer Pressekonferenz kurz nach Prölls Ankündigung in einer ersten Reaktion, dass er von Pröll „selbstverständlich“ nicht vorab informiert worden sei. Er habe mit Pröll „sehr intensiv“ seit 1988 über die Landesgrenzen hinaus zusammengearbeitet. Es sei „noch nicht richtig gesickert“, dass Pröll als Gesprächspartner in dieser Form nicht mehr zur Verfügung stehen werde.

Die SPÖ Niederösterreich bezeichnete den Rückzug als „überraschend“. Pröll habe sich zweifellos viele Verdienste um das Land erworben, „aber die Sozialdemokratie war mit seiner Politik - insbesondere im sozialen Bereich - nicht unumschränkt einverstanden, etwa zuletzt bei der Kürzung der Mindestsicherung“, reagierte Landesparteivorsitzender Matthias Stadler - mehr dazu in noe.ORF.at.

FPÖ: Pröll wirkte „amtsmüde“

„Nach so vielen Jahren in der Politik ist es nun einmal auch an der Zeit zu gehen“, kommentierte der Klubobmann der FPÖ Niederösterreich, Gottfried Waldhäusl, den Rücktritt Prölls. „Pröll hat für das Land Niederösterreich vieles erreicht und weitergebracht“, betont Waldhäusl. Dennoch habe der Landeshauptmann in den vergangenen Jahren mehr als amtsmüde gewirkt. „Ihm sind viele Fehler unterlaufen, wodurch unsere Landsleute immer mehr auf die Verliererstraße abrutschen, so gesehen war es doch höchste Zeit für ihn, den Hut zu nehmen“, sagt Waldhäusl.

Grüne: „Chance auf einen Demokratieschub“

Die niederösterreichischen Grünen hoben Prölls proeuropäisches Denken und sein Engagement für Kunst und Kultur hervor. Als Schattenseite dieser langen und machtvollen Ära sieht Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen im nö. Landtag, „fehlende Transparenz und ein bemerkenswertes Demokratiedefizit“. Kontroll- und Mitbestimmungsrechte seien in der Ära Pröll nie ein Thema gewesen. Die Grünen sehen im Rückzug Prölls jetzt die Chance auf einen Neuanfang in Sachen Demokratie. „Niederösterreich hat jetzt die Option auf einen Demokratieschub. Nützen wir diese Chance“, so Krismer abschließend.

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