Entschuldigung an enttäuschte Wähler
SPÖ-Chef Kanzler Christian Kern hat am Mittwoch in einer Grundsatzrede vor 1.500 Zuhörern in Wels seine Visionen für die Zukunft seiner Partei und für Österreich präsentiert. Die Ziele sind durchaus ambitioniert: So will er Österreich zu einem Umwelt-Modellstaat machen. Bis 2030 sollen durch kluge politische Rahmenbedingungen 40 Milliarden Euro an privaten Investitionen in Windkraft, Wasserkraft, Photovoltaik, in die Erneuerung der Stromnetze und in die Energieeffizienz fließen.
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Die bisherige staatliche Förderung der Energiewende sei denkbar ineffizient. „Wir fördern nicht die besten, effizientesten und saubersten, sondern wir fördern Technologie, die die besten Lobbyisten hat“, sagte Kern. Der Staat müsse dabei „unternehmerisch denken“ und nicht neue Schulden machen.
Fünf Start-up-Cluster
Österreich solle zu einem „Gründerstaat“ werden, plädierte Kern. Er wolle mindestens fünf Start-up-Cluster schaffen, um damit einen Sprung vorwärts bei der Innovationskraft zu schaffen, kündigte Kern an. Als Beispiel nannte er, dass Versicherungen durch staatliche Förderungen dazu gebracht werden sollten, einen Teil ihres Anlagevermögens in solche Unternehmen zu investieren.
APA/Barbara Gindl
Auftritt in Showmanier
Inszenierung war wie bei Kern üblich groß geschrieben. Das Auditorium in der Welser Messe-Halle 21 war als eine Art Arena aufgebaut, flankiert war diese von drei überdimensionalen rot-weiß-roten Fahnen. Kern spazierte auf einer roten Scheibe rund um einen Tisch, sprach per Headset und über weite Strecken frei. Egal, welches Thema der Kanzler ansprach, stets war es versehen mit menschelnden Einschüben. Von Erika bis Lisa kam in Erzählungen so manche problembetroffene Österreicherin indirekt zu Wort.
Wichtigstes Ziel: Arbeitsplätze
Das große Schlagwort über seinem 140 Seiten starken, über fast zwei Stunden präsentierten „Plan A“ ist die Schaffung von Arbeitsplätzen. 200.000 neue Jobs soll es bis 2020 geben - eine Forderung, die er bereits im September im ORF-„Sommergespräch“ erhob. Langfristig müsse es in Österreich wieder Vollbeschäftigung geben, und Menschen müssten von ihrem Einkommen leben können, so Kern.
Die hohe Arbeitslosigkeit koste den Staat jährlich Milliarden und raube den Betroffenen die Würde. Allein durch die Energiewende sollen 40.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Universitäten und andere Forschungseinrichtungen müssten stark eingebunden werden. Die Europäische Union sieht Kern gefordert, wenn es um die Gerechtigkeit von Arbeitsmarktklauseln geht.
Vorrang für heimische Arbeitssuchende
Kern wünscht sich Lohnschutzklauseln für Österreich, um ein Lohndumping durch viele Arbeitskräfte aus den östlichen Nachbarstaaten zu verhindern. Konkret sollen Bürger aus jenen Staaten, deren Lohnniveau nicht einmal 80 Prozent des österreichischen erreicht, nur dann in Österreich tätig sein können, wenn keine heimische Arbeitskraft zur Verfügung steht.
Ohnehin macht Kern klar, dass für ihn offene Grenzen ein No-Go sind. Man brauche eine Diskussion mit Augenmaß und Realitätssinn. Für ihn sei klar, dass die weitere Zuwanderung zu begrenzen sei, solange die Integration der schon in Österreich Lebenden nicht abgeschlossen sei: „Wir müssen wissen, dass die Aufnahmefähigkeit unserer Gesellschaft Grenzen hat.“ Was Islamisten angeht, sprach sich der Kanzler dafür aus, „mit voller Härte“ gegen entsprechende Parolen vorzugehen. Gleichzeitig wandte er sich allerdings dagegen, Integrationspolitik als Instrument zur Profilierung einzelner Politiker oder Parteien zu sehen, eine der ganz wenigen Spitzen gegen den Koalitionspartner.
Mehr Steuern für Konzerne, weniger für KMUs
Auf dem Weg zur „Gründernation“ will Kern Lohnnebenkosten weiter deutlich senken und Bürokratie sowie Regulierungen abbauen. Klein-, Mittel- und Einpersonenbetriebe müssten bei Sozialabgaben entlastet werden, große internationale Konzerne hingegen stärker besteuert. Der SPÖ-Chef wünscht sich im Allgemeinen mehr Fairness.
In seiner Rede ging der Kanzler auch auf die vielfach geforderte Arbeitszeitflexibilisierung ein. Man werde nicht umhinkommen, flexibler zu arbeiten, so Kern. Er werde einer Ausweitung der täglichen Arbeitszeit zustimmen, wenn es dabei zu keinen Lohn- oder Gehaltseinbußen für die Mitarbeiter komme. Und diese müssten im Gegenzug auch ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können.
Geändertes Wahlrecht statt „Mauscheleien“
Um den Stillstand im Land zu überwinden, solle künftig ein den Wahlsieger begünstigendes Wahlrecht für klare Mehrheiten sorgen. Die stärkste Partei solle nicht nur automatisch mit der Regierungsbildung beauftragt werden, sondern einen zusätzlichen Bonus an Mandaten und Stimmrechten bekommen. „Keine Mauscheleien im Hinterzimmer mehr, keine gebrochenen Koalitionsverträge, keine Lügen, Klarheit“, so Kern.
„Ich verstehe eure Enttäuschung“
Gleich zu Beginn seiner Rede, die mit vielen persönlichen Details gespickt war und in der Kern vielfach aus Gesprächen mit enttäuschten Wählern zitierte, ging er in die Offensive, was Kritik an seiner Partei betrifft. Allein schon der Ort seiner Rede ist bezeichnend: Wels, die einstige rote Hochburg, war bei den vergangenen Gemeinderatswahlen der FPÖ zugefallen. In dieser Stadt zu sprechen sei eine ganz bewusste Entscheidung gewesen, so der SPÖ-Chef, denn sie sei „stellvertretend für viele andere Gemeinden und Städte in Österreich“.
Die SPÖ habe Fehler gemacht und ihren Weg verlassen, sagte er selbstkritisch. An jene Wähler gerichtet, die sich von der Partei abwandten, sagte er: „Ja, ich verstehe eure Enttäuschung.“ Er wolle sich als Parteivorsitzender für diese Enttäuschungen entschuldigen. Die SPÖ habe unbequeme Wahrheiten ignoriert, aber: „Von heute an werden wir unseren Kurs wechseln.“ Kern plädierte mehrfach für einen starken Zusammenhalt in der Bevölkerung, er lasse sich „keine Spaltung herbeireden“. Das Land sei immer dann stark gewesen, wenn alle zusammengehalten hätten.
Zum Abschluss stellte Kern dann noch in einem Nebensatz klar, dass er seinen „Plan A“ nicht als Abschussrampe für eine vorgezogene Neuwahl sieht: „Ich bin überzeugt, dass uns bis zum Herbst 2018 genug zu tun bleibt.“
ÖVP sieht sich bestätigt
Erfreut zeigte sich der Koalitionspartner über Kerns Aussagen: ÖVP-Generalsekretär Werner Amon erkannte in der Rede von Kern eine „Fülle“ an Punkten, die gleich morgen umgesetzt werden könnten: „Wir begrüßen das sehr“, sagte er am Mittwochabend am Rande der ÖVP-Klubklausur in Pöllauberg gegenüber Journalisten. Natürlich gebe es auch Bereiche, bei denen die ÖVP nicht mitkönne, Details ließ er auf Nachfrage jedoch aus.
„Es wurde eine Reihe von Themen aufgegriffen, die wir vorgegeben haben“, nannte Amon etwa die Einkommens- und Lohnsteuersenkung oder die Lohnnebenkostensenkung, die Entrümpelung der Vorschriften für Unternehmen und die Reform des Arbeitsinspektorats.
„Weil wir es einfach brauchen“
Kern zeigte sich in der ZIB2 zur Umsetzbarkeit der Pläne zuversichtlich. Die avisierten Projekte wolle er gemeinsam mit dem Regierungspartner bis Herbst 2018 umsetzen. In den vergangenen sieben Monaten der Zusammenarbeit habe man einiges erreicht, vieles sei aber nicht gelungen - teilweise habe es „ordentlich geholpert“. Er sei zuversichtlich, den Koalitionspartner überzeugen zu können - „weil wir es einfach brauchen“.
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