Damon jagt Dämon
Eine Mauer als Schauplatz der bisher größten US-chinesischen Koproduktion: „The Great Wall“ setzt auf eine Mischung aus westlichen und fernöstlichen Stars und erzählt eine Geschichte, die viel Raum für Interpretationen lässt, ohne heikle Fragen zu stellen oder gar Antworten darauf zu geben. Im Mittelpunkt stehen grüne Monster, die sich ihren Weg in eines der kulturellen Zentren Chinas bahnen.
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Hollywood buhlt zunehmend um den in den letzten Jahren rasant gewachsenen chinesischen Filmmarkt. Immer mehr Produktionen der US-Traumfabrik werden für die Aufführung in China zugelassen. Mit „The Great Wall“ steht jetzt erstmals eine US-chinesische Koproduktion an der Spitze der teuersten Filmproduktionen Chinas: Mit einem Budget von 150 Millionen Dollar (rund 141 Mio. Euro) sollen Kinosäle im Osten und Westen gleichermaßen gefüllt werden.

Universal Pictures
Matt Damon mit Pferdeschwanz: Statt des erhofften Schwarzpulvers findet er in China bedrohliche Monster
Dafür setzt die kalifornische Produktionsfirma Legendary, die seit vergangenem Jahr Teil der chinesischen Wanda-Gruppe ist, auf ein ausgeglichenes Starensemble aus beiden Ländern, an dessen Spitze Zhang Yimou („Hero“, „House of Flying Daggers“) Regie führt und Matt Damon in der Hauptrolle spielt. Die Geschichte, der ein Nachbau der namensgebenden Mauer als Kulisse dient, setzt in Folge ebenso auf typische Hollywood-Merkmale mit fernöstlichem Anstrich.
Gierige Minigodzillas
„The Great Wall“ beginnt in der Wüste, vor der Mauer - mit einer Szene, die optisch ohne Weiteres einem Western entspringen könnte. Die Europäer William (Damon) und Tovar (Pedro Pascal, „Game of Thrones“) flüchten vor einem aufgebrachten Nomadenvolk, um plötzlich unabsichtlich vor ihrem eigentlichen Ziel zu stehen: Als Söldner, die für die richtige Bezahlung unter jeder Flagge kämpfen, sind sie auf der Suche nach dem damals noch als Mythos geltenden Schwarzpulver, das Kriege für den Besitzer zu entscheiden vermag.
Entlang der imposanten Mauer nimmt die Flucht für William und Tovar ein Ende, nachdem sie von Soldaten gestoppt werden. Mit der aufschließenden Armada im Rücken fassen sie den Beschluss, sich ohne Widerstand von der nicht minder bedrohlich aussehenden Armee der Chinesen festnehmen zu lassen - die sich indes auf eine Bedrohung vorbereitet, die nur alle 60 Jahre auftritt.
Die Gier ist ein Monster
Die Taotie, die optisch zwischen Godzilla, T-Rex und Orcs angesiedelt sind und in der Geschichte als Symbol für die Gier stehen, drohen China zu zerstören - sie gelten als praktisch unbezwingbar. Kaum entdeckt die Führungsriege im Gepäck der ungebetenen europäischen Gäste den abgehackten Arm eines Taoties - dass William diesen im Alleingang erbeutet hat, wird vorerst noch angezweifelt -, wird die Mauer von den Monstern in Grün angegriffen.

Universal Pictures
Die Chinesische Mauer ist eines der bedeutendsten Bauwerke der Geschichte - in „The Great Wall“ dient ein Nachbau als Kulisse
Wuxia „Light“
Regisseur Yimou inszeniert die Schlacht in seinem zum Markenzeichen gewordenen, farbbetonten Stil, der von martialischem Getrommel akustisch untermalt wird. Dass die Armee in fünf Tiere gegliedert ist, die der chinesischen Kampfkunst entnommen sind (die wiederum auf dem Prinzip der fünf Elemente basiert), ist nur eine der vielen Referenzen auf chinesische Geschichte und Kultur.
Doch im Gegensatz zu klassischen Wuxia-Filmen, die Fantasy- und geschichtliche Elemente mit Martial Arts verbinden, stellt „The Great Wall“, für dessen Drehbuch ein Team aus westlichen Schreibern verantwortlich zeichnet, eine deutlich oberflächlichere Variante dar, die den Tiefgang mancher chinesischer Filme vermissen lässt. Umgekehrt bedeutet das jedoch, dass der Stoff einen leicht verständlichen Einstieg in das Genre bietet, für den kein Hintergrundwissen benötigt wird.
„Whitewashing“ und Bechdel-Test
Obwohl sich Matt Damon als kompetenter Taotie-Bezwinger herausstellt, hält der Vorwurf des „Whitewashings“ - das Besetzen einer nicht weißen Rolle mit einem weißen Schauspieler -, mit dem sich der Regisseur konfrontiert sah, letztendlich nicht. William und Tovar sowie der festgehaltene Sir Ballard (Willem Dafoe) dienen dem Film nicht als westliche Helden, deren Aufgabe es ist, die Chinesen publikumswirksam in den Schatten zu stellen.
Stattdessen werden den gaunerhaften Europäern, deren Schmäh in der vergleichsweise kunstvollen Inszenierung hin und wieder etwas deplatziert wirkt, die Tugenden der loyalen Armee der Chinesen gegenübergestellt. An deren Spitze hat immerhin auch eine Frau (Jing Tian) Platz, die vor allem durch ihre Kampfkunst heraussticht. Eine für Hollywood nicht unübliche Romanze mit der männlichen Hauptrolle bleibt ihr erspart - den Bechdel-Test, als Indikator für die Unterrepräsentation weiblicher Charaktere, würde der Film mangels zweiter weiblicher Sprechrolle trotzdem nicht bestehen.
Ost-West-Spagat mit schönen Bildern
Der Film ist mehr Monsterfilm als Martial-Arts-Kunstwerk. Und der Spagat zwischen Ost und West geht in „The Great Wall“ auf Kosten der Story, die sehr geradlinig verläuft und wenig Substanz hat. Ob sich in der Geschichte tatsächlich eine Botschaft verbirgt, bleibt der Interpretation des Publikums überlassen: Zu einem offensichtlichen Kommentar können sich Drehbuch und Regie nicht durchringen, wenngleich sich ein solcher mit der Mauer als Kulisse und der Bedrohung chinesischer Kultur nahezu aufdrängen würde.
„Hero“-Regisseur Zhang Yimou gelingt es dennoch, von strukturellen Schwächen und dünner Story mit der visuellen Gestaltung abzulenken. „The Great Wall“ ist kein Meilenstein der Filmgeschichte, aber das Ziel, leicht zugängliches, anspruchsloses Popcornkino zu zeigen, das eine möglichst breite - globale - Masse anspricht, wurde erreicht.
Florian Bock, ORF.at
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